Der Pluralismus der bürgerlichen
Geistes- und Gesellschaftswissenschaften besteht auf der
prinzipiellen Ungewissheit von Erkenntnis. Theorien, die mehr als
ein Ansatz unter vielen zu sein beanspruchen, werden als Dogmatismus
ausgegrenzt. Seltsamerweise findet derselbe Pluralismus immer mehr
Gefallen an einer Disziplin wie der Mathematik, die nun allerdings
sehr "dogmatisch" darauf besteht, dass sie gültige Gesetze
formuliert und sonst nichts. Das Interesse gilt der Mathematik als
einem Werkzeug der Sozialwissenschaften. Dass es sich um einen
rationellen Gebrauch der Mathematik wie z.B. in der Physik nicht
handeln kann, ent- nimmt man bereits den einschlägigen Urteilen über
die Leistungen der Mathematik, wie sie im
gesellschaftswissen-schaftlichen Getriebe die Runde machen. Sie
zeugen weniger von einer Kenntnis der Mathematik als von dem Willen,
ihr erfundene Eigenarten beizulegen, die sie für eine ideologische
Indienstnahme tauglich machen sollen.
Ist die Mathematik exakt?
Eindeutig ja, lautet das erste Lob
auf diese Disziplin, das sie vor anderen auszeichnen soll. Dagegen
wäre zu bemerken, dass die Titulierung "exakt" keine nähere
Bestimmung von Wissenschaft, sondern einen reinen Pleonasmus
darstellt. Denn worin sonst besteht Wissenschaft als darin, "exakt"
die Bestimmungen einer Sache zu erschließen, die ihr und
nicht irgendetwas anderem zu kommen.
In den
Gleichungen
der Mathematik meinen bürgerliche Wissenschaftler
allerdings ein Indiz für ihren Unsinn gefunden zu haben. Während das
Urteil "Der bürgerliche Staat ist die politische Gewalt der
kapitalistischen Gesellschaft" bestenfalls als höchst uneindeutige
Hypothese durchgeht, gilt das Fallgesetz

als Paradebeispiel eines exakten
Urteils. Und warum? Weil letzteres eine Gleichung ist? Das
Gesetz verlöre überhaupt nichts von seiner Gültigkeit, drückte man
es in dem Satz aus, dass im freien Fall der zurückgelegte Weg mit
dem Quadrat der Zeit wächst. Schließlich: dass s,
g, t gemessen und beziffert werden, macht
keinen Unterschied in der "Genauigkeit" des Urteils, sondern zeigt
einen Unterschied der erklärten Gegenstände an. Selbst da, wo es in
der Sphäre von Staat und Kapital um bezifferbare Gegenstände geht,
liegt deren Erklärung nicht in Quantitäten und Verhältnissen davon.
Staatsverschuldung ist nicht, dass sie 30 Mrd. beträgt. Der
politische Zweck der Gewalt setzt und verändert das Maß der
Verschuldung, statt dass ein Quantum und seine Veränderung ein
unumstößliches Gesetz bildeten, dem der Staat wie einem Naturgesetz
unterworfen wäre. Diese Eigentümlichkeit ist tatsächlich dem
Fallgesetz vorbehalten, das die Notwendigkeit des angegebenen
quantitativen Verhältnisses von Weg und Zeitquadrat ist.
Worin besteht es also, das Kompliment "exakt"? Vom Inhalt der
beiden Urteile sieht es ebenso ab wie von ihrem Wahrheitsgehalt. Das
Attribut "exakt" für eine Gleichung bestreitet ja weder den Satz
über den Staat, noch erweist es das Fallgesetz als wahr. Dass ihm
(größere) "Genauigkeit" zukomme, meint offenkundig eine von Inhalt
und Wahrheit unterschiedliche Qualität. Als einer Methode des
Erklärens gilt den mathematischen Sätzen das Etikett "exakt". Auf
diese Weise wird die Form
mathematisch-naturwissenschaftlicher Gesetze von ihrem Inhalt
getrennt und als dessen Grund behauptet. Nur: eine Gleichung
und ihr Inhalt verhalten sich nicht wie Erkenntnisweg und -ziel
zueinander. Anders gesagt: dem Fallgesetz kommt die Form der
Gleichung s = g/2 * t² deswegen zu, weil es
dieses quantitative Verhältnis von Weg und Zeit ist. Und
nicht umgekehrt hat es diesen Inhalt deshalb, weil das mathematische
Denken sich für die Form der Gleichung als Erkenntnisinstrument für
den freien Fall entschieden hätte. Der Wunsch nach einer korrekten
Methode des Erkennens ist prinzipiell verkehrt. Eine aus der Sache
begründete Entscheidung für das "passende" Erkenntnisinstrument
setzte ja bereits voraus, was erst seine Anwendung erbringen soll,
die Erkenntnis der Sache. Mit ihrem Vorliegen erübrigte sich aber
auch der Rückgang auf eine Methode, weil bereits vollbracht wäre,
was die Methode bewerkstelligen sollte. Bürgerliche Denker beharren
dennoch auf der Notwendigkeit von Methoden. Die Entscheidung für
eine Methode und deren Inhalt liegt dann jedenfalls vor allem Urteil
über die Sache: sie enthält tatsächlich das Vor-Urteil, das
Interesse, demgemäß man eine Sache sich vorstellen möchte.
Und das ist nichts als eine wissenschaftlich begründete Absage an
wissenschaftliche Erkenntnis. Unter der Hand ist also aus den
Resultaten mathematischer Wissenschaft eine Art und Weise
des Denkens, Methode eben, geworden. Und deren herausragende
Leistung sehen bürgerliche Denker im Gebrauch der
Symbole
die jene Eindeutigkeit verbürgen sollen, welche
die mathematische Methode vor allen anderen als exakt ausweist. Nun
sind abkürzende Schreibweisen per Symbol in der Mathematik
tatsächlich an der Tagesordnung. Dass Symbole hier allerdings die
Eindeutigkeit von Begriffen stiften, ist ein Gerücht. Dass
f(x) = y ist, sagt all denjenigen eindeutig nichts, denen nicht die
per Symbol bezeichneten Gegenstände eindeutig bekannt sind. Das
Wissen um die bezeichneten Sachen wie stetig differenzierbare
Funktionen und reelle Zahlen ist den Symbolen vorausgesetzt,
will man sie überhaupt als deren Symbole verstehen können.
Als eine besondere Leistung erscheint bürgerlichen Denkern diese
Banalität nur deshalb, weil sie der Umgangsprache einen ganz
prinzipiellen Mangel angedichtet haben: ihre Wörter und Begriffe
seien uneindeutig.
"Die Sprache erweist
sich als mangelhaft, wenn es sich darum handelt, das Denken vor
Fehlern zu bewahren.... Dasselbe Wort dient zur Bezeichnung
eines Begriffes und eines einzelnen unter diesen fallenden
Gegenstandes.... 'Das Pferd' kann ein Einzelwesen, es kann auch
die Art bezeichnen.... Die Sprache ist nicht in der Weise durch
logische Gesetze beherrscht, dass die Befolgung der Grammatik
schon die formale Richtigkeit der Gedankenbewegung verbürgte."
(G. Frege: Über die wissenschaftliche Berechtigung einer
Begriffsschrift)
Frege benutzt sein Wissen um die unterschiedenen
Bedeutungen des Wortes Pferd, um ihre Ununterscheidbarkeit als
Mangel des Wortes zu beweisen. Und schließlich belegt die Tatsache,
dass man in grammatisch korrekten Sätzen auch Unsinn wiedergeben
kann, nicht einen Mangel der Sprache, sondern einen Fehler des
geäußerten Gedankens. Frege verwechselt beides, weil seine
aberwitzige Sehnsucht einer per Grammatik gegebenen Denkstruktur
gilt, die einem das Denken und Urteilen erspart - und doch
immer "Richtigkeit" garantiert. Es ist dies eine Weise, dem Denken
ganz prinzipiell die Objektivität zu bestreiten: man soll richtig
denken, ohne etwas zu denken; die Wahrheit von Gedanken soll
getrennt von und vor ihrem Inhalt feststehen. Diesen ihren eigenen
Widersinn wollen Sozialwissenschaftler allen Ernstes für die
Leistung der Mathematik halten. In ihr soll eine Kunstsprache aus
Symbolen und formaler Logik zuhause sein, die jene "formale
Richtigkeit der Gedanken-bewegung" verbürgt, gleich welche Gedanken
da bewegt werden.
Im
Schließen
folgender Art offenbart sich daher für einen
Soziologen die "Macht des mathematischen Denkens":
"Das
Wenn-Dann-Paradigma: 'Wenn John der Ehemann von Mary ist, dann
ist Mary die Ehefrau von John. Zwar kann diese Behauptung als
das Ergebnis vieler Beobachtungen aufgefaßt werden, bei denen
eine Frau immer die Ehefrau ihres Ehemannes war, aber dazu sind
empirische Beobachtungen überflüssig.... Wenn wir wissen, dass
John der Gatte von Mary ist, so sind wir aufgrund der Bedeutung
von 'Gatte' und Frau gezwungen zu schließen, dass Mary die Frau
von John ist." (Rapoport:
Mathematische Methoden in den Sozial- wissenschaften, 15/16)
Der Satz ist zwar richtig, ein vernünftiger
Schluss ist er nicht. Hinterher weiß man nicht mehr als vorher, weil
aus der Voraussetzung gar kein neuer Satz geschlossen wird.
Umgekehrt landet der Schluss so todsicher bei seiner - ausgerechnet!
- Prämisse John = Gatte heißt Mary = Ehegattin), weil er sie nie
verlassen hat.
Als Albernheit gelten solche Beispiele bei den
Bewunderern der Mathematik nicht. Sie stehen für das Fehlurteil, das
sie verbreiten wollen. Die Exaktheit der Mathematik, die aus
Gleichungen, Symbolen und formaler Logik sprechen soll, löst sich
auf in die Vorstellung einer Technik der "Führung" von Gedanken, die
so un- anfechtbar ist wie die Gedanken inhaltslos. Darin sieht ein
Popper ganz unironisch die Leistung jedes "mathematischen
Lehrsatzes, dessen Gehalt immer gleich Null ist". (Popper: Die
Zielsetzung der Erfahrungs-wissenschaft; in Theorie und Realität,
35) Die Umdeutung der Mathematik in eine Methode fällt also zusammen
mit der Bestreitung ihres Inhalts, so dass sie jetzt prompt jedem
Sozialwissenschaftler einleuchtet als ein Instru-mentarium, das man
getrost auf jeden Inhalt anwenden darf.
Ist die Mathematik universell?
Eindeutig ja, meinen die Freunde der Zunft aus dem
anderen Lager. "Die Mathematik stellt die lingua franca aller
Wissenschaft dar, da sie an sich ohne Inhalt ist." (Rapoport,
op. cit. 10) Abiturienten sollten das besser wissen. Zahlen und
Gesetze der Rechenoperationen (Arithmetik), Gleichungen und Gesetze
ihrer Lösungen (Algebra), Funktionen und ihre Gesetze der
Stetigkeit, Differenzierbarkeit (Analysis) etc. sind der
Inhalt der Mathematik. Die Behauptung von der Inhaltslosigkeit wird
auch durch folgenden Einfall nicht haltbarer:
"Der Fall eines gereiften Apfels, die
Bewegung der Gestirne, der Flug von Geschossen und heute die
Bahnen der Satelliten wie auch die Wege der Raumschiffe sind
alle Gegenstand einer einzigen mathematischen Theorie."
(Rapoport, 21)
Wenn so disparate Gegenstände wie Apfel, Geschoß
und Raumschiff unter ein
- übrigens physikalisches - Gesetz wie 'Kraft = Masse x
Beschleunigung' fallen, dann deshalb, weil sie tatsächlich eine
Gemeinsamkeit an sich haben. Sie sind
Massen, und als solche unterliegen sie den dafür geltenden Gesetzen.
In diesen Gesetzen spielt der besondere Inhalt der Masse, ob
Zellstoff oder Stahl, keine Rolle. Ein Kilogramm ist eben ein
Kilogramm, ob von einem Stück organischer oder anorganischer Natur
auf die Waage gebracht (dies ein Unterschied von Qualitäten, der in
die Chemie fällt). Daraus möchten bürgerliche Denker folgenden
Fehlschluss gezogen haben: weil Apfel und Raumschiff in den
Bestimmungen, die in den Gesetzen der Mechanik keine Rolle spielen,
auch nicht vorkommen, also erst recht nicht als der sinnlich
wahrgenommene Gegenstand, an dem alle Bestimmungen in Einheit
existieren, kommt in den mechanischen Gleichungen
gar kein Inhalt vor. Also
sind die Gleichungen inhaltslos und daher auf die
unterschiedlichsten Inhalte anzuwenden. Wogegen zu bemerken wäre,
ein Soziologe möge einmal statt der Fallgeschwindigkeit des Apfels
erfragen, ob er auch stetig differenzierbar ist. Eine Anregung, die
schleunigst revidiert werden muss. Ihm
fiele nämlich gar nicht auf, dass er in der Funktionentheorie mit
Gesetzen einer Qualität namens Funktion hantiert, die so ein
Früchtchen - im Unterschied zur Masse! - gar nicht an sich hat,
weswegen es auch nicht unter diese Theorie fällt.
Der Missbrauch der Mathematik
in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften
besteht nämlich in folgendem Idealismus:
"Der einzigartige Erfolg der mathematischen
Wissenschaften erklärt sich gerade auf der Verbindung (!) dieser
transzendenten 'Realität' idealisierter Begriffe und der
beobachtbaren Welt." (Rapoport, 16)
'Transzendente Realität' nennt der Soziologe die
Mathematik deshalb, weil sie ihm zufolge ein Sammelsurium von
Begriffen vorstellt, in denen gar nicht etwas begriffen ist. Also
schon gar nicht die "beobachtbare Welt", die aber doch mit ihnen
begriffen werden soll. Eine "Verbindung" ist den mathematischen
Begriffen und der Wirklichkeit also auch nicht eigen. Denn wie
sollte man einem Begriff ohne Inhalt anmerken, auf welchen er
bezogen ist! Was der Soziologe Verbindung nennt, ist also ein Akt
reiner Willkür. Man muss einem realen Gegenstand eine mathematische
Gesetzmäßigkeit zuschreiben. Dann kann man ihn auch als
solche betrachten. Nie werden also seine Bestimmungen ermittelt.
Umgekehrt ist die reine Konstruktion von Gesetzmäßigkeiten der
Ausgangspunkt, als deren Ausdruck dann die "beobachtbare Welt"
gedeutet wird. Ein Popper bekennt sich sehr selbstbewusst zu
dieser Sorte Metaphysik:
"Indem wir
Erklärungen in der Form von universellen Naturgesetzen wählen
(!), schlagen wir eine Lösung für genau dieses zuletzt er-
wähnte (platonische) Problem vor. Denn wir stellen uns alle
individuellen Dinge und alle einzelnen Tatsachen als diesen
Gesetzen unterworfen vor. Die Gesetze erklären daher
Regelmäßigkeiten oder Ähnlichkeiten individueller Dinge oder
individueller Tatsachen oder Ereignisse. Und diese Gesetze sind
nicht (sic!) den einzelnen Dingen inhärent."
(Popper, op. cit. 34)
Diese Wissenschaft entdeckt also genau die
"Regelmäßigkeiten", die sie zuvor mit ihren konstruierten "Gesetzen"
in die Sachen hineingelegt hat, die aber
deren Gesetze gar nicht sind. Der Unsinn
ist also unvermeidlich.
***
Angenommen, wir haben einen gültigen Syllogismus
wie zum Beispiel:
(a) Alle Menschen sind sterblich (1)
(b) Alle Athener sind Menschen (2)
----------------------------------------
(c) Alle Athener sind sterblich (3)
Die Regel der indirekten Reduktion besagt nun:
(4) Wenn a - b|c
ein gültiger Schluss ist, dann ist a -
non-c | non-b ebenfalls ein gültiger
Schluss. So finden wir zum Beispiel infolge der Gültigkeit des
Schlusses (c) aus den Prämissen (a) und (b), dass
Alle Menschen sterblich sind
(non-c) Einige Athener sind nicht-sterblich
------------------------------------------------
(non-b) Einige Athener sind nicht-Menschen
ebenfalls gültig sein muss.
(Popper, Was ist Dialektik, in: Logik der
Sozialwissenschaften, S 270 f)
In dem beliebten vollkommenen Schlusse:
Alle Menschen sind sterblich Nun ist Cajus ein
Mensch, Ergo ist Cajus sterblich,
ist der Obersatz nur darum und insofern richtig,
als der Schlusssatz richtig ist; wäre Cajus zufälligerweise nicht
sterblich, so wäre der Obersatz nicht richtig. Der Satz, welcher
Schlusssatz sein sollte, muss schon unmittelbar für sich richtig
sein, weil der Obersatz sonst nicht alle
Einzelne befassen könnte; ehe der Obersatz als richtig gelten kann,
ist vorher die
Frage, ob nicht jener Schlusssatz selbst eine Instanz gegen ihn sei.
(Hegel, Wissenschaft der Logik II, S. 383)
***
Warnung vor Missverständnissen
Der Grund für die Fehler, welche in der Geistes-
und Gesellschaftswissenschaft unter Verwendung der Mathematik
fabriziert werden, liegt im Idealismus dieser Disziplinen. Nicht in
der Mathematik selbst, wie manche Kritiker meinen. Ihre Auffassung
vom Rechnen
Mathematik: Bloß quantitativ und abstrakt?
ist nicht weniger verkehrt als die von uns
kritisierte Vorliebe der Sozialabteilung fürs Mathematische. Auch
sie halten die Mathematik für eine Methode, allerdings im
Unterschied zu den genannten Kollegen für eine unbrauchbare bis
gefährliche.
1. Dass die Zahl eine "bloß quantitative"
Bestimmung sei, ist keine sehr intelligente Kritik an der Zahl.
Ausgerechnet ihre Leistung wird ihr damit nämlich zum Vorwurf
gemacht. Sie bestimmt die Einheit nach ihrer Anzahl, getrennt davon,
welchen besonderen Inhalt diese Einheit beim Abzählen dieser oder
jener Gegenstände haben mag. Genau das soll sie. Die Rechenoperation
2 + 2 = 4 wird ja keineswegs dadurch modifiziert, dass die Einheit
das eine Mal aus Äpfeln, das andere Mal aus Birnen besteht. Wohl
aber ist mit der Zahl soviel verlangt: weil sie die Anzahl einer
Einheit ist, macht die Addition verschiedener Einheiten
keinen Sinn. 2 Äpfel + 2 Birnen = bestenfalls Kompott.
2. Ganz verkehrt wird die Kritik also da, wo sie
auf Gleichungen dimensionierter Quantitäten wie in der Physik Bezug
nimmt. 2 Meter sind nie gleich 2 Sekunden, mag 2 auch noch so sehr
gleich 2 sein. Von der Qualität der Quantitäten hängt es ab, welche
neue Qualität durch quantitative Verhältnisse gegeben ist. Ein
zurückgelegte Strecke von 120 km im Verhältnis zur dafür
benötigten Zeit von 2 h macht nicht einfach 120 : 2 = 60
sondern 120 km / 2 h = 60 km/h Geschwindigkeit.
3. Dass schließlich in der Mathematik wie in jeder
Wissenschaft Abstraktionen ihren Platz haben, ist richtig. Verkehrt
ist die Kritik daran. Stimmen müssen Abstraktionen eben. Dann tun
sie ihr Werk für die Erklärung, indem sie das Allgemeine
verschiedener Besonderheiten festhalten, das diese bestimmt. 'Der
Staat' existiert genausowenig wie 'die Funktion'; beide
Abstraktionen fassen das Allgemeine, das im jeweils Besonderen, im
englischen und deutschen Staat, in dieser Parabel und jener Hyperbel
vorliegt. Schon Hegel hat sich darüber lustig gemacht, die
Abstraktion als eine Unwirklichkeit gegen das Besondere zu stellen
und sie deswegen zu verteufeln:
"Solche Stellung würde bei den Gegenständen
des gemeinen Lebens von selbst als unangemessen und ungeschickt
auffallen, wie wenn z.B. einer, der Obst verlangt, Kirschen,
Birnen, Trauben usf. ausschlüge, weil sie Kirschen, Birnen,
Trauben, nicht aber Obst seien." (Hegel, Enz.. I, 59)
4. Der ganze Vorwurf "bloß quantitativ" verschafft
sich schließlich seine dürftige Plausibilität nur dadurch, dass er
die Zahl auf solche Sphären anwendet, in denen sie nichts zu suchen
hat. Marx hat das Nötige dazu gesagt.
"Was ist eine halbe Vernunft, was ist ein
Drittel Wahrheit?",
fragt ein gewisser Karl Grün polemisch an.
Berechtigt Marxens Gegenfrage:
"Was ist ein grün angelaufener Logarithmus?"
(MEW 3, 501)
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