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Argumente gegen die
Sprachphilosophie
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Die Zeiten, in denen Philosophen
weise waren, sind end¬gültig vorbei: Nach eigenem Selbstverständnis
haben die heutigen weder etwas Wahres zu vermelden, noch wollen sie
überhaupt über Wirkliches reden. Die einstige Absicht der Aufklärung
hat sich vollständig in ihr Gegenteil verkehrt: Gewarnt wird der
selbständig denkende Mensch nicht mehr vor den dogmatischen und
gewaltsamen Autoritäten, die ihre Geltung dem freien Beurteilen
durch den eigenen Gedanken ent¬ziehen wollen, gewarnt wird heute vor
der Autorität des Gedankens – und die Sehnsucht nach dem
Nicht-mehr-begründen-Müssen, nach dem Geist ohne Distanz, nach
unbegründ- und unbezweifelbaren Werten trägt sich nicht mehr
vorsichtig und umständlich, sondern recht offen vor.
In der Erkennntistheorie, die vor Gedanken warnt und
dem Denken Bescheidenheit empfiehlt, hat sich der formelle Gestus
von Wissen-schaft und Genauigkeit erhalten – freilich als die
bornierte Form des Tüftelns an nicht wirklich existierenden, selbst
konstruierten Proble-men. Beim immer wieder mißlingenden Ausrechnen
der logischen Rechenaufgaben, bei der kreativen Erfindung von
Beispielen leerer Kenzeichnungen oder dem Entdecken von
doppeldeutigen Wörtern braucht man schon gar nicht mehr zu wissen,
daß es sich dabei um die Kreation von Regeln für ein Denken handelt,
vom dem explizit gesagt wird, es habe nichts zu schaffen mit dem
wissenschaftlichen Denken außerhalb von Logik-Seminaren. Wenn man
sich einmal daran gewöhnt hat, Gedanken nicht als Gedanken von etwas
aufzufassen, sondern sie als Ideen ohne Objektivität zu nehmen, dann
kann man derlei ebensogut langweilig, weil absolut belanglos, wie
interessant befinden. Denn eigenartig, originell und „far out“ sind
die Probleme von FREGE, QUINE und RUSSELL schon: Heutzutage schlagen
sich Logiker mit „paradoxa“ des Kalibers herum: „Grün ist eine
Farbe, aber selbst nicht grün.“ Oder: „Es sei x die kleinste
natürliche Zahl, die nicht mit weniger als 40 Silben zu kennzeichnen
ist. Die gerade gegebene Kennzeichnung hat aber nur 27 Silben
gebraucht!“ Ein matter Witz? Eine grobe Verwechslung von Laut und
Bedeutung? Gewiß – aber so geht moderne Wissenschaft eben; und sie
hält sich je nach Bedarf zugute, daß erst ihre Überlegungen Klarheit
und Überprüfbarkeit in ihre Wissenschaft bringen, oder umgekehrt,
daß ihr Tun eben ein Glasperlenspiel sei und wer nicht mitspielen
wolle, es eben sein lassen solle.
Bei so viel Unwillen, den Luxus der Philosophie – daß
man nämlich hier nachdenken kann, worüber man will – anders als zu
Glasperlenspielen sowie moralischen Bekenntnissen zur Tugend und
gegen das Denken zu nutzen, kommt auch die pure Dummheit auf: Immer
öfter verweisen die autonomen Denker des 20. Jahrhunderts, wird eine
ihrer Fragestel-lungen in Zweifel gezogen, umstandslos auf die Liste
philosophischer Autoritäten, die denselben Fehler auch schon
verbochen haben. Das „Argument“ hätte man einem HOLBACH oder selbst
dem alten KANT einmal bringen sollen! Und durchaus konsequent hat
man am philo-sophischen Fachbereich die leere Form des Willens –
Freiheit – als Argument entdeckt: „Du kritisierst das, aber wir
wollen uns eben damit beschäftigen!“ – weil Freiheit des
Studenten nun einmal darin besteht, das frei zu wollen, was der
Dozent zufällig für das Semester ausge-wählt hat.
So werden in öder Vielfalt von
Semester zu Semester Variationen auf die immer gleichen
Hauptirrtümer des Faches breitgetreten, deren hinterletzter
Neufassung man wahrhaft nicht nachsteigen muß, wenn man das Prinzip
der Problemstellung einmal durchschaut und deshalb ad acta gelegt
hat. Dies sei nun im folgenden an der modernen Sprach-philosophie
vorgeführt.
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Argumente wider besseres Wissen |
„Der gegenwärtige König von
Frankreich ist kahlköpfig.“ Wie widerlegt man diesen Satz? Klar: Es
gibt ihn gar nicht, diesen gegenwärtigen Franzosenkönig! Wer hätte
das gedacht? Jeder? Ja, eben.
Trotzdem erklärt der
Sprachphilosoph diesen Satz zu einem enormen wissenschaftlichen
Problem. Er stellt sich jemanden vor, der diesen Satz verneint, um
sich dann vor ihm aufzuspreizen und zu fragen: „Was ‚nein’? Kein
König oder keine Glatze?“ Woraufhin sein fiktiver Gegenüber nich etwa
erwidert, daß die Franzosen heute – wie hierzulande – alle paar Jahre
in den Genuß kommen, den Namen ihres oberstes Herrschers wählen zu
dürfen, sondern einsieht, daß der obige Satz mangelhaft sei. Um ihn
als falsch prädizieren zu dürfen – daß er es ist, war
ohnehin unterstellt, sonst wäre gar nicht das „Mißverständnis“
aufgekommen, ob die Verneinung vielleicht bloß das Prädikat in Abrede
stellen wollte -, müsse er wie folgt umformuliert werden:
„Es gibt genau ein x, von dem gilt, x ist
König und x ist kahlköpfig.“
Jetzt plötzlich darf das „Nein“
ausgeführt werden, und man erfährt, daß die Konjunktion falsch ist,
weil es diesen x gar nicht gibt.
Klar, die ganze Überlegung ist
reine Spiegelfechterei: Auch für den Sprach“analytiker“ führt kein
Weg daran vorbei, er muß halt wissen, ob die Franzosen einen König
haben. Dafür ist aber die ganze Umformu-liererei Quatsch. – Wozu also
das Ganze? Der Philosoph will mit derlei Spielchen vor einem „laxen
Sprachgebrauch“ beim wissenschaftlichen Argumentieren warnen:
Vorsicht, die Sprache bietet Fallstricke; wer ihre Täuschungen nicht
kennt, kann Wahrheit und Trug nicht unter-scheiden: Sie ist ein
bedenkliches, nur bedingt taugliches Mittel der Wissenschaft – sagt
er udn zögert keine Sekunde, sich ihrer weiter zu bedienen; und er
ist sich auch ganz sicher, daß seine Studenten seine falschen
Gedanken über die Sprache zuverlässig mitkregen. |
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Man kann auch Unsinn reden |
- das ist die Entdeckung der
Sprachphilosophie, und diese Neuigkeit veranlaßt sie gleich, warnend
und sprachreformerisch tätig zu werden. Wer aber den gedanklichen
Unsinn oder die falsche Tatsachenbehaup-tung – wie die über den
besagten Glatzkopf – der Sprache anlastet, die es erlaubt, auch
Unsinn zu sagen, wer also so tut, als sei das Ausdrucksmittel der
Gedanke und seine Grammatik die Instanz der Wahrheit, der macht einen
Fehler. Daß sich auch gedankliche fehler nur sprachlich ausdrücken
lassen, heißt noch lange nicht, daß es sich um Fehler der Sprache
handelt, sondern beweist geradezu, wie sehr die Sprache Mittel des
Denkens ist: Wie anders sollte man einen falschen Gedanken als
solchen identifizieren können, wäre er nicht sprachlich korrekt
wiedergegeben. (Auch wenn über Moral mit Worten gestritten wird,
berechtigt das weder zu der Annahme, der Streit verdanke sich Mängeln
der „Moralsprache“, noch zu der Hoffnung, man habe die Tugend des
Gehorsams erklärt, wenn man die Grammatik des Imperativs studiert –
letztere beiden Irrtümer sind die Grundlage einer ganzen Abteilung,
die sich „Sprachanalytische Hamndlungstheorie“ nennt.)
Obige Umkehrung aber, die das
Denken mit dem Mittel seines Ausdrucks identifiziert und mittels
Vorsicht beim Reden und Sprachreform Unsinn bekämpfen will, verrät
immerhin das Ideal dieses Treibens: eine Sprache, die falsche
Gedanken wie Grammatikfehler aussondert, in der man also im Sinne der
Definition dieser „logischen Sprache“ nur noch richtiges Zeug sagen
kann. Daß sich diese Sehnsucht nach einem wahrheitsgarantierenden
Zeichenmechanismus, der and die Stelle des Denkens tritt, niemals
realisiert, weil der zu seiner Voraussetzung eben das Ideal hätte,
das er gewährleisten will – die Gesamtheit der wahren Urteile –,
fällt dem Sprachphilosophen nicht als Fehler seiner Theorie auf,
sondern als prinzipieller Mangel jeglichen Gedankens: Solange es die
Wahrheitsgrammatik noch nicht gibt, steht jedes Urteil unter dem
Generalverdacht, Resultat einer Sprachverwirrung zu sein.
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Man kann über Sachen reden, die
gibt es nicht! |
Diese Idee einer „logischen Syntax“ verdankt sich
offensichtlich nicht einer Untersuchung der Sprache als Sprache, wie
es die Grammatiker tun, sondern einer falschen kritik der Metaphysik
und des Wissen-schaftspluralismus. Die frühen Sprachphilosophen haben
offenbar gemerkt, daß die Vielfalt konkurrierender Theorien auf ein
Fehlen von gesichertem Wissen hindeutet – und haben diesen Umstand
dahin-gehend falsch ausgelegt, daß den unterschiedlichen Theorien
über die gleiche Sache die gemeinsame Basis, der Gegenstand abhanden
ge-kommen sein muß. Ihr Bemühen ging nicht dahin, die falschen
Argu-mente der Pluralisten aufzudecken und diese so wieder auf die
Objekti-vität zu verpflichten, sondern ihnen die „verlorene Basis“
wiederzu-geben. Dabei ist ihnen aufgefallen, daß der Streit, was von
einer Sache zu halten sei, erst jenseits der Sinne beginnt, wo es
eben um Wissen-schaft und nicht mehr um Wahrnehmung geht. Ihr Wille
zur Einheits-stiftung im Streik der Pluralisten hat die Meister des
„Wiener Kreises“ nun auf die Idee gebracht, daß der Streik beendet
wäre, wenn das, was die Wissenschaft vom bloßen Anglotzen
unterscheidet, wenn das Erklären also verhindert würde. Alles, was
sich nicht in sinnliche Wahrnehmung auflösen läßt, erklären sie zum
Hirngespinst und geben bekannt, bis zu ihrer Entdeckung habe sich die
Geisteswissenschaft hauptsächlich mit „Scheinproblemen“ befaßt.
Sogleich machen sie sich an die Entschuldigung der metaphysischen
Ideologen und kritisieren das Instrument des Denkens, die Sprache,
die die Ideologen zum Produ-zieren falscher Erklärungen
verführt habe.
So hängen die Sprachphilosophen der Sprache einen
Mangel an, der nicht der ihre ist: Sie halten es für eine
„unverzeiliche Ungenauigkeit“ der Sprache, daß man in ihr auch Namen
für Objekte erfinden könne, die es als aparte Dinge nicht gebe. So
gibt es kein sprachanalytisches Werk, in dem nicht über Odysseus,
jenen mysteriösen Glatzkopf und andere Dinge mit „Nullextension“
gerätselt würde; und der berühmte Willard Quine hat sich gar sein
Leben lang mit der Existenz des Fabelwesens Pegasus herumgeschlagen.
Albern? Tatsächlich albern, denn ob es auch gibt,
wovon die Rede ist, ist wahrhaftig die letzte Frage, die die
Wissenschaft zu jucken hat.
Erstens nämlich begeht diese – höchst
unideologische und belanglose – Sünde, über Nicht-Existentes Theorien
zu erfinden, kein Wissen-schaftler der Welt. Denn Erklärungen pflegen
nur für Phänomene ver-langt zu werden, die bekannt und noch nicht
begriffen sind. Wenn bürgerliche Wissenschaftler, deren methodische
Saubermänner und Korrektoren die wissenschaftstheoretischen
Philosophen gerne sein möchten, den Staat aus der Natur des Menschen
ableiten und das Geld zu einem Bedürfnis, wenn sie das ganze
Seelenleben des Menschen samt freiem Willen als Instinktersatz zwecks
Anpassung bestimmen oder jede gereimte Zeile für höchst bedeutsam
halten, dann produ-zieren sie allerlei ideologischen Quark und
gehorsame freie Meinung über die Welt, die es gibt. Über etwas
zu reden, was es nicht gibt, das tut noch nicht einmal die dessen
stets verdächtige Theologie, die schließlich von der Existenz Gottes
im Glauben der Gemeinde lebt.
Zweitens aber verrät die Sorge, man könne, durch
Sprache verführt, an etwas glauben, was es gar nicht gebe, woran
gedacht ist: An Er-klärungen jedenfalls nicht, sondern an Aussagen,
die allein ihrer Form nach nur solche der sinnlichen Wahrnehmung sein
können: „Pegasus hat Flügel“; „Der Student, der schon in der Arktis
war, hat Schuhgröße 41“ usw. Bei solchen Aussagen, einmal davon
abgesehen, daß sie be-langlos sind, weil sie das zufällige Einzelne
nach zufälligen Eigen-schaften hin bestimmen, die geradesogut auch
anders sein könnten, genügt das Hingucken, dann weiß man es. Wo man
Grund zum Zweifel hat, wo man nicht hinschauen kann, nützt sowieso
alles nichts: Erzählt einer, er habe in Hinterindien Erdbeeren so
groß wie Kinderköpfe ge-sehen, dann läßt sich gerade noch die
Wahrscheinlichkeit dieser Mit-teilung beurteilen – oder auch nicht.
Beides freilich ist absolut gleich-gut, denn was man nicht kennt, was
einem nie und nimmer begegnet, mag Eigenschaften haben, wie es will.
Ausgerechnet auf dem Feld der Wahrnehmung aber den kritischen Prüfer
zu spielen wo es nichts zu beurteilen gibt, wo man also auch
keine Fehler machen kann, ist schon recht haltlos. |
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Sinn und Bedeutung |
Trotzdem besteht die ganze Theorie der Semantiker in
diesem Postulat, daß die Wörter der Sprache partout ein
Repräsentationsverhältnis zur unmittelbaren Einzelheit ihrer
Gegenstände haben müßte, damit jeder mögliche Satz der Wissenschaft
prinzipiell ein Urteil der sinnlichen Wahrnehmung sein und die
sinnliche Gewißheit der Dinge als Über-prüfungsinstanz haben kann.
Deshlab sind die Semantiker mit der Sprache, die es gibt, und mit
ihrer logischen Leistung gar nicht einverstanden. Daß die Substantiva
einer Sprache, die Gegenstands-wörter, keine Zeichen für ein
einzelnes Stück Realität sind, fällt ihnen wohl auf - aber negativ.
Nicht erst Wörter wie „Gott“, „Pegasus“, „Kapital“ und „Logik“,
sondern auch so alltägliches wie „Tisch“, „Pferd“ oder die in allen
Logiken rote „Rose“ sind offensichtlich Zeichen, oder wenn man so
will, Namen – denn die Lautketten für sich bedeuten nichts, und man
muß ihre Bedeutung erst erlernen –, aber nicht für Einzeldinge,
sondern für ihre allgemeine Bestimmtheit: Wer über „die Rose“
spricht, gibt damit an, daß sein Objekt nicht schlicht diese oder
jene Rose ist, sondern das allen Rosen Gemeinsame, worin sie sich von
anderen Pflanzen unterscheiden.
Diese erreichte Stufe der intellektuellen Aneignung
der Objektivität, die schon in der vorwissenschaftlichen Sprache
vorliegt, stößt den Seman-tikern mit ihrem Wahn, es könne das, wovon
die Rede ist, nicht geben, übel auf. Weil sich Wörter auf allgemeine
Vostellungen von Dingen und nicht auf Einzeldinge beziehen, die man
dann anfassen und sehen und sich so von ihrer Wirklichkeit überzeugen
kann, sehen die Semantiker in der Bedeutung nicht eine viel
bestimmtere Fassung der Objektivität als in der flüchtigen Gewißheit
der Sinne und des Fühlens, sondern gleich gar keine Objektivität
mehr. Als dem „bloß Gedachten“ sprechen sie der Bedeutung alle
Gültigkeit ab und kritisieren an ihr genau das, daß sie etwas
Geistiges ist. Daß die Wörter Zeichen für im Bewußtsein ange-eignete
Objektivität sind anstatt für unbegriffene Dinge in der Welt, gilt
den Sprachphilosophen nicht als positiver Ausgangspunkt des Denkens,
sondern vielmehr als frevelhafte Entfernung von der Realität. Daher
erfinden sie eine zweite, eigentlich Objektivität verbürgende
„Bedeu-tung“, die die Wörter ihrer Meinung nach haben müßten, aber
gar nicht haben. Eben den symbolisierenden Bezug zu einem eindeutig
identi-fizierbaren Trumm Welt. Auf diese Weise soll die dem Subjekt
der Natur der Sache vermittelnde geistige Arbeit umgangen und
durch einen regelhaften Bezug der Wörter auf die Dinge selbst
ersetzt werden. Das nennen sie dann „Referenz“ oder Bedeutung –
nur daß diese Bedeutung keinerlei Bedeutung mehr hat.
Was ein Wort nach dieser Auffassung bedeutet, das ist draußen in der
Welt; in Sprache und Bewußtsein gibt es keine Bedeutung. Das Wort ist
in dieser Vorstellung die contradictio in adjecto eines
bedeutungslosen Zeichens, das sich daher in dem Widerspruch bewegt,
daß es sich als sinnliche Statthalter eines ebenso sinnlichen Dings
in der Welt auf ein Stück Welt beziehen soll, sich jedoch erst
durch diese Beziehung bestimmen kann, auf welches Stück es sich
zu beziehen hat. Das Bewußtsein soll also keinen Inhalt denken, wenn
es von dem Pferd redet; gleichwohl soll es den Gegenstand, der mit
„Pferd“ gemeint ist und den es nicht denkt, mit Prädikaten
aus-statten.
Diesem Wunsch nach dem Widerspruch einer
unmittelbaren Repräsen-tation eines Gegenstandes durch die
Lautkette erscheinen Eigennamen „erfreulich übersichtlich“ –
vorausgesetzt, sie lassen sich auch wirklich nur einem Dingsbums
zuordnen. Hier sehen Sprachphilosophen den Zeigefinger die
Richtigkeit der Vorstellung verbürgen und halten „Zug-spitze“ für ein
„ostensives Wort“. Sobald aber dem analytischen Kopf mehrere Namen
für ein und dasselbe Ding unterkommen (Bezeichnen „Marcus Tullius“
und „Cicero“ wirklich dasselbe? Denn (!) es könnte ja sein, daß es
Leute gibt, die nicht wissen, daß diese beiden Namen es tun!), oder
Fabelwesen wie Pegasus – „leere Namen“ nennt er das – oder tauchen
schließlich Gegenstände auf, auf denen man auch im Märchen nicht
reiten kann, wie Staat, Kapital, Philosophie, und die in der
Weltanschauung des Sprachphilosophen keine Erklärungen,
sondern ein „Kriterium“ für ihre „ontologische Zulässigkeit“
erheischen – sobald also offenkundig wird, daß Wörter nicht die
Statthalter von anfaßbaren Eiinzeldingen sind, beklagt er in ganz
normalem Deutsch die „Unge-nauigkeit der Normalsprache“. |
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Das Menschenbild der modernen Sprachphilosophie |
Mit ihrer Sprachkritik entwirft die Sprachphilosophie
also ein Bild von Wissenschaft, Wahrheit und Exaktheit, das gerade
das, was Wissen-schaft ist, ausschließen will.
Als die Lehre von der wahrheitsgarantierenden
Sprache versucht sie die Wissenschaft noch vor ihrem Ausgangspunkt,
der Erfahrung, näm-lich auf dem Niveau der sinnlichen
Unmittelbarkeit, festzubannen und so das Denken zu eliminieren. –
Während Wissenschaft von vornherein ihre Gegenstände in die Form der
Allgemeinheit erhoben hat, also auch den Beweis der Notwendigkeit
zufälliger Eigenschaften (wie die Farbe einer Rose) nicht
anstrebt und deswegen auf die sinnliche Gegenwart ihrer
Untersuchungsgegenstände nicht angewiesen ist, will die Seman-tik
ausgerechnet im Namen exakter Wissenschaft dafür sorgen, daß die
Wissenschaft über Wahrnehmung nie herauskommt. Erfahrung ist dieser
Disziplin nicht das Material, das das Denken bestimmt, erklärt, auf
seine Gründe zurückführt – kurz beurteilt. Erfahrung ist als
eine Instanz gedacht, der das Denken als ein ver-pflichtet sein soll.
Sprache ist dieser Disziplin ein Mechanismus des Denkens, der
verhindern soll, daß das Denken über die Erfahrung hinausgeht. Ein
feines Menschenbild liegt diesem Ideal zugrunde: Der Mensch, ein
Idiot, der zu freiem Denken nicht befähigt ist, braucht einen
Leitfaden, an den er sich halten kann und muß: jeder soll so denken
müssen, daß bei der Betätigung seines Geistes die
Anerkennung von Notwendigkeiten herauskommt, die gerade keine des
Gedan-kens sind. Es ist dies das Ideal des knechtischen Bewußtseins,
das als eigene freie Leistung nur das kann und will, was es
soll und darf. |
(c) Verein zur Förderung des studentischen
Pressewesens e.V. |
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