Angesichts der Tatsache, dass die
formale Logik einen anerkannten Bestand-teil im Lehrprogramm der
Universität darstellt und dass sie es in München sogar zu einem
eigenen Lehrstuhl gebracht hat, nehmen es die Logiker von heute mit
der Werbung für ihr Geschäft nicht mehr so ernst wie einst die
Begründer dieser Disziplin. Ihre "Lehre vom korrekten Schließen" (I)
präsen-tieren sie zwar nach wie vor als ein den restlichen
Wissenschaften erfor-derliches "Hilfsmittel" – :
"Hilfsmittel aus der Logik
können... dazu beitragen, Annahmen klarer auszudrücken, als das
gewöhnlich geschieht. Manchen Philosophen schwebte und schwebt
aus diesem Grund vor, eine logisch ideale Sprache zu
konstruieren." (I)
jedoch gleich mit dem Zusatz, dass
"wir" nach nunmehr immerhin 100-jähriger Anstrengung auf diesem
Gebiet "so eine Sprache noch lange nicht" (I) haben. Feststeht damit
zum einen, dass sie immer noch jenes verkehrte Programm verfolgen,
das sich aus dem Zirkel heraus begründet, die Wissenschaft
der Logik sei die Voraussetzung aller Wissenschaft. Zum
anderen jedoch ist die Absicht unübersehbar, sich an dem darin
versprochenen Nutzen für die Wissenschaften nicht mehr messen lassen
zu wollen. Offenbar können sich die Logiker unserer Tage sicher
sein, dass die Bekundung, ein Nutzen ihres Treibens sei nicht
abzusehen, von niemandem als Armutszeugnis verstanden wird, sondern
als Auftrag, wie gehabt weiterzumachen
Auch das "Problem" der
Wissenschaften, sich in "gewöhnlichem" Deutsch "klar auszudrücken",
das die Logiker ganz ohne Studium und Kritik auch nur einer einzigen
wissenschaftlichen "Annahme" entdeckt haben wollen und zu dessen
Lösung sie sich aufgerufen sehen, soll nach wie vor dasselbe sein.
Weil aber ihre eigene Wissenschaft, gäbe es das "Problem", sich
verständlich zu machen, tatsächlich, gar nicht möglich wäre,
beginnen moderne Logiker ihre Einführung in die Techniken des
Konstruierens mit der Feststellung, dass das "Problem" – die
"Mehrdeutigkeit der natürlichen Sprache" – für sie ohne Belang ist:
"Wir werden uns im Folgenden
auf eindeutige Sätze beschrän-ken." (I)
Wozu eigentlich dann noch ihre
ganzen Anstrengungen? Und auch bezüglich der angestrebten Lösung des
"Problems" – die "Mehrdeutigkeit" wollen sie mit dem Inhalt des
Denkens aus der Wissenschaft eliminieren, weil Schlüsse, die nichts
mehr erschließen, garantiert eindeutig sind – halten Logiker unserer
Tage gleich vorneweg eine Klarstellung für nützlich:
"Tautologie... Das ist der
Schlüsselbegriff der gesamten Aus-sagenlogik." (I)
Was noch nicht mal im
außerwissenschaftlichen Rahmen als Folgerung aus einer Behauptung
durchgehen würde – die schlichte Wiederholung derselben –, diese
antiwissenschaftliche Sichtweise der Wissenschaft erfährt hier durch
die selbstbewusste Präsentation als "Schlüsselbegriff" den Charakter
einer unwidersprechlichen Tatsache. Dass diese Setzung dem
gewöhnlichen Verstandesgebrauch widerspricht, stört diese Logiker
nicht. Die Befürchtung ist ihnen fremd, es könnte ihre "Lehre vom
korrekten Schließen" desavouieren (blamieren, bloßstellen), wenn sie
das Prinzip der ihnen bekannten "korrekten" Schlüsse darin
zusammenfassen, dass bei denen nach dem 'wenn' dasselbe steht wie
nach dem 'dann'. Und so machen sie die hoffnungsfrohen Studiosi in
aller Offenheit darauf aufmerksam, dass an diesem Fachbereich anders
gedacht wird, damit ihr Verstand nicht zu einem Hindernis für ihre
Teilnahme an den Veranstaltungen wird.
Mit der bloßen Aufklärung, dass in
Logik-Kursen ein Fehler zum Prinzip des Denkens erhoben wird – an
anderen Fachbereichen versteht man schon noch die vorgetragene
Kritik als solche, eine Erklärung sei tautologisch –, ist es da
freilich nicht getan. Der Verstand will erst daran gewöhnt werden,
dass es nichts zu bedeuten hat, wenn ein Gedanke ihn beleidigt. Und
diese Ge-wöhnung befördern die professoralen Tautologiker durch die
Auswahl ihrer Beispiele. Angst, mitgenommen zu werden, wenn sie die
Methode dieser Auswahl wie folgt verraten, müssen sie als Amtsträger
ja nicht haben:
"Sätze wie ‚Entweder New York
ist eine Kleinstadt oder 5 ist eine Primzahl.‘ hört man wohl
selten außerhalb von Logikkursen oder psychiatrischen
Abteilungen." (I)
Was ist das eigentlich für eine
Wissenschaft, die sich in ihrer Selbst-darstellung nicht vom
Kretinismus (allg. Formen geistiger Behinderung) unterscheiden mag?
"Logische Analyse"
- weder logisch noch Analyse
Die formale Logik will ein
Hilfsmittel zur Überprüfung der Schlüssigkeit von Aussagen sein.
Dazu meint sie, per "logischer Analyse" die logische Form vom
gedachten Inhalt eines Urteils absondern zu müssen. So stellt
KEMMERLING in seinem Vorlesungsskript dem auch die eingangs
zitierten Belege entnommen sind die Logik als "Lehre von Schlüssen,
die schon aufgrund ihrer Form zwingend sind" (I) vor. Was sind das
für "Schlüsse" und wie steht es mit dem Verhältnis von logischer
Form und Inhalt? Ein Exempel:
"Entweder Harvey schläft oder
er lüpft einen.
Keinesfalls schläft Harvey.
--------------------------------------------
Er lüpft einen." (I)
"Zwingend" ist an diesem "Schluss"
überhaupt nichts. Warum soll Harvey nicht fernsehen oder gerade den
GegenStandpunkt lesen? Obwohl nun Harvey entweder schläft oder beim
Saufen ist, schläft er keinesfalls und wenn er gerade müde vom
Saufen heimgekommen ist? Daraus nun einen Schluss gezogen: Prost
Harvey!
Die Albernheit solcher "Schlüsse"
besteht darin, dass der Inhalt der Form, in der er dargeboten wird,
überhaupt nicht entspricht. Da werden im Zusam-menhang mit einem
Harvey zwei mögliche Betätigungsweisen genannt, von denen jede so
möglich ist wie die andere und wie jede x-beliebige, die man sich
dazudenken kann; dann sollen aber ausgerechnet diese beiden eine
ausschließende und vollständige Alternative bilden (entweder...
oder) und überdies die eine der beiden Möglichkeiten unter keinen
Umständen möglich sein (keinesfalls). Ein Argument dafür gibt es
weit und breit nicht, und der Logiker will es auch nur so
festgelegt haben. Dann allerdings hätte er sich dieses Tamtam
mit dem ganzen "Schluss" auch sparen können und gleich den
Schlusssatz festlegen können.
Nun soll gerade dieser Unsinn das
Paradebeispiel für logische Unbedenklichkeit sein. Das macht die
"logische Analyse" deutlich:
"Das wird deutlich wenn man
das inhaltliche Fleisch jeweils weglässt und damit das logische
Gerippe freilegt.
Entweder oder...
Keinesfalls
-------------------- ..." (I)
Nun mag es zwar sein, dass man bei
solchen Intelligenzleistungen den Inhalt gerade so gut weglassen
kann. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass das Weglassen eine
Analyse ist, die noch dazu etwas Logisches freilegt.
Abstrahiert man nämlich von dem
Inhalt eines Schlusses, so abstrahiert man damit auch von der
logischen Formbestimmung dieses Inhalts, die sprachlich in den
verschiedenen Konjunktionen ("wenn... dann", "weil" usf.)
ausgedrückt wird. Wenn ein "entweder... oder" beispielsweise einen
logischen Zusammen-hang bezeichnet, dann besteht dieser in dem
notwendigen Verhältnis einer Gattung zu ihren Arten, die sich
wechselseitig ausschließen und in ihrer Vollständigkeit die Gattung
ausmachen (Hegel nennt dieses Verhältnis das der Disjunktion). Für
dieses logische Verhältnis ist der Inhalt des Gattungsbegriffs
keineswegs belanglos, weil sich aus diesem Inhalt erst ergibt, in
welche Arten sich die Gattung aufgliedert. Solche logische
Notwendigkeit ist dann durchaus nicht mehr zu verwechseln mit
Albernheiten über einen Harvey.
Was KEMMERLING für die logische
Form eines Urteils hält, sind denn auch nur die sprachlichen Mittel,
in denen logische Verhältnisse ausgedrückt werden können, sofern
solche notwendigen Zusammenhänge nämlich gedacht werden, die
sprachlichen Konjunktionen also die Rolle logischer Partikel im
Urteil spielen, und die ansonsten ebenso dazu taugen, Sätze zu
bilden, die keine Spur von logischer Notwendigkeit enthalten, weil
in ihnen nur von einem ihrem Gegenstand äußerlichen Verhältnis die
Rede ist wie dem zwischen dem Harvey und dem Schnaps, den er
"lüpft", wenn er nicht gerade schläft.
Indem KEMMERLING das sprachliche
Ausdrucksmittel für logische Verhältnisse mit dem logischen
Verhältnis identifiziert, bereinigt er einerseits die Logik gerade
von dem Logischen, von der gedanklichen Leistung, die innere
Notwendigkeit einer Sache herauszufinden. Andererseits will er als
Spezialist für Konjunktionen gerade in dem Vorhaben, die
theo¬retische Notwendigkeit getrennt vom Inhalt des Gedankens am
Gebrauch der grammatischen Mittel ihres Ausdrucks zu überprüfen,
kein Grammatiker werden, sondern Logiker bleiben. Nach wie vor geht
es ihm um "logische Wahrheit", "zwingende Schlüsse", also um das
Feld der theoretischen Notwendigkeit und deren Überprüfung. Aus
diesem Grund besteht für ihn die "logische Analyse" nicht einfach in
der Reduktion von Sätzen auf die darin vorkom¬menden Konjunk-tionen,
logischen Partikel und was sonst an grammatikalischen Formen alles
benützt wird. Deren Untersuchung fällt nicht in sein Gebiet, und so
wird neben der behaupteten Identität von Logik und ihren
sprachlichen Ausdrucksmitteln auch die Differenz beider als Problem
produktiv gemacht:
"Viele Aussagen stellen ihre
Knochen nicht derart zur Schau. Die dann nötige Arbeit des
Skelettierens heißt logische Analyse. Mit ihr soll die logisch
relevante Form insbesondere auch da freigelegt werden, wo sie
von der sprachlichen verdeckt wird." (I)
Die Sprache verdeckt also
zugleich, was sie ausdrückt. Eine überaus trickreiche Leistung.
Allerdings keine der Sprache, in der man nur deshalb wie hier "zur
Schau" gestellt mühelos diesen Widersinn formulieren kann, weil sie
selbst nicht mal falsche Gedanken "verdeckt". Vielmehr ist es eine
Leistung des Logikers, der sich mit diesem ausgesprochenen
Wider¬spruch den Auftrag erteilt, "freizulegen", was ihm "relevant"
erscheint, obwohl bzw. weil an "vielen" Aussagen nicht zu entdecken.
Eine feine Analyse, bei deren Resultat es "insbesondere" auf die
Differenz zum Analysierten ankommt!
Wenn also die "logisch relevante
Form" von ihrem sprachlichen Ausdruck nicht nur ver-, sondern
gänzlich geschieden sein soll, dann muss um des Ideals der Identität
willen, das ja deshalb nicht aufgegeben wird, für diese "Logik" der
Sprache erst eine eigene "Sprache" der Logik erfunden und
konstruiert werden: "Logische" "Zeichen".
Das Handwerkszeug des Logikers:
1. Die Junktoren...
Junktor (lat.): Verbinder,
Verknüpfer. Mit Junktoren kann man Sätze ver-binden und dadurch
"komplexe Aussagen" (I) bilden – ein interessantes Angebot an die
Intelligenz also. Logiker kennen von diesen Satzverbindern fünf
Stück, die eine entfernte Ähnlichkeit mit Konjunktionen wie "und",
"oder", "wenn... dann" und der Negation "nicht" haben sollen, die
aber ganz andere Eigenschaften haben. Wie wird ein solcher Junktor
eingeführt? Wieder ein Beispiel: Der Junktor Ù,
der auch "Konjunktion" heißt und an das deutsche "und" erinnern
soll:
"Mit Wahrheitstafeln können
wir die Bedeutung von Junktoren völlig eindeutig und vollständig
angeben, ohne auf das Deutsche oder sonst eine vertraute Sprache
zurückzugreifen. Damit würden wir ja, wie wir gesehen haben,
stilistische oder gar inhaltliche Beimischungen in Kauf nehmen
müssen, die logisch unerheblich und für unsere Zwecke nur
erschwerend sind. Fangen wir hiermit an:
Konjunktion |
A1 |
A2 |
A1ÙA2 |
|
w |
w |
w |
|
w |
f |
f |
|
f |
w |
f |
|
f |
f |
f |
Das ist also ein zweistelliger
Junktor, bei dem die resultierende komplexe Aussage nur dann
wahr ist, wenn beide Konstituen-tenaussagen es sind." (I)
Gott sei Dank hat KEMMERLING seine
"Wahrheitstafel" in einer uns "vertrauten Sprache" erläutert. So
können wir wenigstens den Gedanken nachvollziehen, den diese Tafel
ausdrückt – und das ist logisch nicht ganz "unerheblich". Es geht um
die Bedeutung eines solchen Satzverbinders (Ù)
und die soll durch die Bedingungen, unter welchen die durch dieses
Hakerl zustande gekommene Verbindung von Sätzen wahr (w) und unter
welchen sie falsch (f) ist, fest-gelegt sein. Auf den Inhalt der
verbundenen Sätze kommt es dabei offenbar nicht an, weswegen
KEMMERLING auch von ihm abstrahiert hat (A1, A2). Fest steht
zunächst einmal, dass das angeblich logisch relevante Hakerl
überhaupt keine Bedeutung haben kann. Es soll die Verbindung zweier
x-beliebiger Sätze ausdrücken und explizit nicht ihr logisches
Verhältnis Ù
was soll sich bei A1 und A2 auch schon zueinander verhalten? Es ist
also dem durch es Verbundenen völlig äußerlich – eben ein schlichtes
Hakerl, das zwischen zwei Buchstaben steht. Durch ein seltsames
Verfahren soll dieses Hakerl Bedeutung erhalten: Nämlich durch die
Beantwortung der Frage, wann A1ÙA2
wahr und wann es falsch ist. Man soll also gegen jeden Augenschein
so tun, als wäre A1ÙA2
eine "Aussage", bei der sich die Wahrheitsfrage stellt, und muß
dabei erst einmal übersehen, dass die Beantwortung dieser Frage die
Kenntnis der Bedeutung dieses Hakerls voraussetzte, die durch diese
Beantwortung erst festgesetzt werden soll. Konsequenterweise hat das
Hakerl auch nach Beantwortung der Frage keine Bedeutung, aber man
kann es nun regelrecht anwenden, d.h. nur dann, wenn die
"Wahrheitstafel" seine Anwendung als "wahr" definiert: Wahr ist, was
als wahr definiert wurde -; bei diesem Irrsinn lassen sich zwar wahr
und falsch endgültig nur noch durch den Namen, also gar nicht
unterscheiden – andere Logiker, denen diese beiden "Wahrheitswerte"
zu wenig waren, sind übrigens ganz ernsthaft und ganz in diesem
Sinne auf den Witz verfallen, die "Wahrheitswerte" "fahr" und
"walsch" zu definieren – , aber auf diese Idiotie kommt es dem
Logiker an: Indem er das regelgerechte Verknüpfen zur Wahrheitsfrage
erhebt, setzt er nicht nur die Behauptung in die Welt, dass durch
das Zusammensetzen von Aussagen ein logischer Zusammenhang zwischen
ihnen entsteht, sondern er hat damit endlich ein Verfahren
gefunden, mit dem sich die Wahrheit solcher "('logischer')
Zusammenhänge" an einer Regel überprüfen lässt. Man kann die
Wahrheitstafel nämlich auch anders lesen:
"Die Wahrheitstafel ist jetzt
demnach nicht mehr als Erläuterung eines Junktors zu verstehen,
sondern als eine Darstellung dessen, wie sich der Wahrheitswert
einer komplexen Aussage aus den Wahrheitswerten seiner
aussagenlogisch elementaren Konstitu-tentenaussagen ergibt.
Deswegen ändert sich auch die offizielle Lesart der Tafeln. Die
Tafeln zeigen uns, wie der Wahrheitswert einer komplexen
Aussage... jeweils durch eine Bewertung der elementaren
Aussagen... festgelegt ist." (I)
Die Wahrheitstafel ist also nicht
bloß die Definition eines für sich genommen bedeutungslosen Zeichens
durch die Regel seiner Anwendung – darin unterscheidet sich übrigens
ein solches 'logisches Zeichen' in nichts von einer Schachfigur –,
sondern weil der Logiker so frei war, regelgemäß mit 'wahr' zu
identifizieren, lässt sich nun diese Anwendungsregel für das Hakerl
als ein Verfahren betrachten, das bei der Klärung der Wahrheit von
Aussagen dienlich ist. Kommt nämlich ein logischer Zusammenhang
durch die Anwendung eines Satzverbinders zustande, wie der Logiker
in seinem Kon-struktionswahn meint, dann lässt sich seine Wahrheit
an der regelgerechten Verwendung dieses Verbinders ablesen –
ein Blick auf die Wahrheitstafel genügt, und ohne Nachdenken
ist die Wahrheit einer Aussage überprüft.
Was da überprüft wird, ist damit
freilich auch nicht mehr die logische Wahrheit von Urteilen:
Innerhalb des Konstrukts und nur da kann man nun darauf aufpassen,
dass alles in Ordnung geht; also nicht nur für bedeutungslose
Zeichen ebenso grund- und zwecklose Anwendungsregeln erfinden,
sondern dann auch diese Zeichen, die nichts bezeichnen, diesen
Regeln gemäß anwenden und ihre Anwendung an den Regeln ihrer
Anwendung überprüfen. So ist in diesem Konstrukt wenigstens ein
Ertrag handgreiflich: dass der Anspruch auf logische Wahrheit nur
dann gestellt werden darf, wenn er dem Anspruch auf Objektivität,
auf Wissen über die Welt entgegengesetzt wurde.
...2. Die Quantoren
An diesem Ertrag ändert auch der
Umstand nichts, dass die Logiker selbst den Unterschied kennen
zwischen der Handhabung von Satzverbindern und dem Treiben der
Wissenschaften, das sie "analysieren". Diese Einsicht, dass aus
Sätzen wie: "Ertl ist dick." oder "Wolfgang hat am 21.2.1980 zuviel
getrunken." – auch wenn man sie verbindet – keine Wissenschaft zu
machen ist, ist nämlich keine Kritik ihrer "Analyse", sondern
beflügelt sie, das Instrumentarium ihrer "Analyse" zu erweitern,
um damit ihr Bild von Wissen-schaft zu vervollkommnen.
So zählen sie außer "Junktoren"
auch noch "Quantoren" zu ihrer Grundausstattung. Dass es das, wovon
eine Wissenschaft handelt, auch gibt, ist ihnen ebensowenig
selbstverständlich wie der Umstand, dass das, was die Wissenschaft
über ihren jeweiligen Gegenstand herausfindet, auf alle Exemplare
desselben zutrifft. Dies zu betonen, ist ihnen zwei weitere
"logische Zeichen" wert: einen "Existenzquantor" ("Es gibt ein x,
für das gilt...") und einen "Allquantor" ("Für alle x gilt, x
ist..."). Sie machen damit deutlich, dass ihnen – auf durchaus
ungenügende Weise – bekannt ist, dass die Notwendigkeit
wissenschaftlicher Theorien den Charakter der Allge-meinheit hat;
ihrer Ansicht nach besteht diese Allgemeinheit in dem Verhältnis der
einzelnen Existenz zur Allheit. Die Leistung der Wissenschaften, die
natürlichen, geistigen und gesellschaftlichen Phänomene auf ihre
Gesetz-mäßigkeiten zurückzuführen, identifizieren sie mit der etwas
dümmlichen Vorstellung, die Wissenschaften würden das Reich der
unbegriffenen Anschauungen und Erfahrungen in Allsätze gleichen
Inhalts übersetzen, damit man dann umgekehrt aus diesen Allsätzen
über jedes Trumm Realität, das unter einen solchen Satz fällt, das
entsprechende Erfahrungsurteil ableiten kann; und deshalb halten sie
den Dreisatz:
"Alle Menschen sind sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
-----------------------------
Sokrates ist sterblich."
nach wie vor für das Muster
wissenschaftlicher Schlüssigkeit. Auch bei "Schlüssen" dieses
Kalibers gründet "logische Wahrheit" und "Notwendigkeit" darauf,
dass in ihnen gar nichts behauptet wird, was wahr oder notwendig
sein könnte: Nur wenn alle Menschen der Tod erwartet, darf man
diesem "Schluss" zufolge die Sterblichkeit des alten Philosophen für
eine Gewissheit halten; und ob diese "Prämisse" stimmt, das hängt
unter anderem davon ab, ob der Sokrates nun sterblich ist oder
nicht. Aber was soll man diesen Zirkel einem Logiker erklären, wo
der den Gegensatz von Logik und Erkenntnis propagiert:
"Logisch korrekte Schlüsse
sind epistemische Langweiler." (I) -,
weil er bei Nichterkenntnissen den
Vorteil entdeckt haben will, dass man ihre Schlüssigkeit getrennt
vom Inhalt eines Gedankens ganz äußerlich an der Stellung seiner
Quantoren überprüfen kann.
Übung macht den Meister
Weil es an all den "Junktoren" und
"Quantoren" und dem Umgang mit ihnen nichts zu begreifen gibt, ist
beim Aneignen dieser Wissenschaft eine andere Geistestätigkeit
verlangt als die des Nachdenkens. All die Festsetzungen, mit denen
die formalen Logiker ihre "Zeichen" definieren – und ein Blick in
ein x-beliebiges Logik-Lehrbuch zeigt, dass diese Festsetzungen
schon rein räumlich betrachtet die halbe Wissenschaft ausmachen –,
muß man sich merken, damit man die verschiedenen Hakerl nicht
durcheinanderbringt. Und bei dieser Gedächtnisleistung hilft noch
nicht einmal die Vorstellungskraft, mit der man sich in anderen
Wissenschaften falsche Gedanken verplausibilisieren kann, weil es
bei der richtigen Verteilung von "w" und "f" auf der
"Wahrheits-tafel", die darüber entscheidet, ob nun von einem "v"
oder von einem "n" die Rede ist, nichts vorzustellen gibt. Zwar
lernt man damit die Anwendungs-regeln dieser "Zeichen" innerhalb des
Konstrukts kennen – sie "bedeuten" ja gar nichts außer der Regel
ihres Gebrauchs –, aber der flüssige Umgang mit ihnen ist dann doch
noch etwas anderes. Der will geübt sein, zumal die
Kombination der verschiedenen "Zeichen" in einer "Aussage" die Sache
einigermaßen kompliziert macht. Wer überblickt schon, ob
ÙxFx
® (ÚxGx
® ÙxHx)'? (ÙxFx
® ÚxGx)
® ÙxHx ?
gein gültiger "Schluss" ist?
Bei alledem darf einem der
Verstand nicht mit der Frage nach dem Zweck solcher Anstrengungen
und nach dem Nutzen der Auflösung solcher Übungsaufgaben in die
Quere kommen. Zweck und Nutzen dieser Geistes-anstrengung ist
nämlich sie selbst und die entsprechende Gewöhnung daran, dass sich
der Geist in seiner Unterwerfung unter einen Regelkanon zu betätigen
hat, an dem es für ihn nichts einzusehen gibt. Beherrscht man es
dann schließlich, "logisches" Krixelkraxel ohne jede Regelverletzung
in einer Geschwindig¬keit zu Papier zu bringen, in der andere Leute
nur ihren eigenen Namen schreiben können, dann ist auch
wieder ein Urteil verlangt. Ein Urteil nämlich darüber, was das
soeben eingebimste "Logiksystem" – verglichen mit anderen, denn
derer gibt es im Reich der geregelten Willkür mehrere, und gemessen
an den gänzlich dem Konstrukt immanenten Kriterien seines Gelingens
– alles "kann" und wie es durch neue Festsetzungen
weiterzu-entwickeln und zu verbessern wäre.
An der Forschungsfront
Solange nämlich die Logiker den
theoretischen Widerspruch ihres Geschäfts, die Wahrheit von Urteilen
und Schlüssen überprüfen zu wollen, indem sie die Wahrheit von ihrem
Inhalt trennen, als Problem und Aufgabe verhandeln, ist der
Fortschritt dieser Disziplin gesichert. Der Wahn, ein Verfahren
konstruieren zu müssen, das es erlaubt, "Aussagen" zu beurteilen,
ohne deren Inhalt zu beurteilen, schließt nämlich nicht nur die
Willkür der Konstruktion und der Festlegung von Spielregeln ein. Das
Konstrukt soll nachher als Maßstab taugen für "Aussagen", die
sich nach dessen immanenten Gesetz-mäßigkeiten gar nicht richten,
sich also an diesem konstruierten Maßstab gar nicht messen lassen;
was laufend dem Logiker die Anstrengung abnötigt, seinen fiktiven
Maßstab der Sache "angemessener" zu machen
So sind die Logiker beispielsweise
selbst auf das "Problem" gestoßen, dass es Sätze geben könnte, die
ihrer Natur nach die eindeutige Zuordnung von wahr und falsch gar
nicht erlauben – ihre eigenen Urteile meinen sei damit freilich
nicht; sie sinnen vielmehr auf den Widerspruch eines universell
anwendbaren, vom Inhalt einer besonderen "Aussage" unabhängigen
Verfahrens der Ent-scheidung und Lösung, wenn die Zuordnung nicht
möglich ist. Was liegt da näher, als sich solche Sätze auszudenken,
damit endlich die Frage geklärt werden kann, wie mit ihnen zu
verfahren ist.
So hat sich der Münchner Logiker
BLAU auf dem Gebiet "Logik der Unbestimmtheit und der Paradoxien"
zum Spezialisten gemausert. Er hat sich eine "sechswertige
unendlichstufige Reflexionslogik (LR)" erdacht, die zweifelsohne
mehr "leistet" als die herkömmlichen "Logiksysteme", die mit "wahr"
und "falsch" nicht sechs, sondern nur zwei Antworten auf die
Wahr-heitsfrage anzubieten haben. Mit ihr kann man das folgende
"Phänomen der natürlichen Sprache" (II) endlich in den Griff
bekommen:
"(1) Satz (1) ist nicht wahr."
Oder: "Dieser Satz ist falsch." Wobei das 'dieser' sich auf eben
diesen Satz bezieht." (II)
Gewöhnlich beziehen sich Sätze,
die beurteilen, ob etwas wahr oder falsch ist, auf eine Behauptung.
Bei "Satz (I)" ist dies anders: Er will nichts behauptet haben, aber
ein Urteil über seine Wahrheit gefällt haben; nämlich, dass er
falsch ist. Um ein "Phänomen", das irgendwo aufgetreten wäre und die
Wissenschaft nun vor das Problem stellt, mit ihm fertigzuwerden,
handelt es sich bei diesem "Satz" nicht. Solche "Sätze" sind
vielmehr systematisch kon¬struierte Idiotien. An seinem eigens zu
diesem Behufe von ihm ausgedachten "Satz (1)" entdeckt BLAU das
"Problem", dass er "genau dann wahr ist, wenn er falsch ist".
Dass die Frage nach der Wahrheit
eines Satzes sich nicht nach der Wahrheit eines Satzes, sondern
ihren Bedingungen erkundigt, ist ihm geläufig, seit er das erste Mal
eine "Einführung in die Logik" besucht hat und warum soll dann nicht
auch einmal die Falschheit die Bedingung der Wahrheit eines Satzes
sein? Jedenfalls findet er nichts besonderes dabei, dem Idioten, der
seinen Willen bekundet, nichts behauptet haben zu wollen, die Frage
zu stellen, ob er damit recht hat oder nicht. Auch die Antwort auf
diese Frage, dass der Idiot richtig liegt, wenn er nicht recht hat,
findet BLAU korrekt. Nur fällt ihm an dieser Antwort auf, dass sie
nicht das letzte Wort sein kann, wenn es darum geht, dem "Satz (1)"
eindeutig einen Wahrheitswert zuzuordnen. Das bislang letzte
Wort in dieser Angelegenheit, das BLAU mit seiner neuen "Logik"
gegeben hat, lautet wie folgt:
"Solange wir blind, auf der 0.
Reflexionsstufe, dem Zirkel folgen, erkennen wir nichts. Aber
sobald wir erkennen, dass wir nichts erkennen werden, haben wir
den Zirkel schon durchbrochen: Wir erkennen auf der ersten
Reflexionsstufe, dass (1) auf der 0. Stufe offen und daher
unbestimmt ist. Aber das sagt er selbst nicht: Nun erkennen wir,
dass (1) auf der ersten Stufe falsch ist. Aber das sagt er: Nun
erkennen wir, dass er auf der zweiten Stufe wahr ist. Aber das
sagt er nicht... Insgesamt erkennen wir: 'Dieser Satz ist
falsch' ist 0,f,w,f,w..." (II)
Wir erkennen "zunächst, dass BLAU,
wenn er über "Satz (1)" zu "reflektieren" beginnt, der zirkuläre
Wahnsinn, dass hier eine Wahrheit vorliegt, sofern sie falsch ist
und umgekehrt, durchaus einleuchtet, nur taugt diese 'Erkenntnis'
für sein Bedürfnis der eindeutigen Zuordnung von w und f zu "Satz
(1)" "nichts". Also "muss" der Zirkel weiterentwickelt werden, und
"wir erkennen", dass BLAU den Schwindel begeht, seine
Unzufriedenheit mit der Uneindeutigkeit der Zuordnung von w und f zu
"Satz (1)" in die 'Erkenntnis' zu übersetzen, dass "Satz (1)"
eindeutig "unbestimmt" ist. Dieser eindeutige "Wahrheitswert"
'weiß nicht' – nun gibt es also schon drei davon – drückt zwar
nichts anderes aus, als dass BLAU nicht weiß, ob "Satz (1)" w oder f
ist "aber" er ist offenbar der Hebel, den Zirkel in einen infiniten
Progress umzuformulieren und dadurch zu "durchbrechen". Das
funktioniert so, dass man diesen neuen "Wahrheitswert" mit dem
"Wahrheitswert", den sich "Satz (1)" selbst zuordnet, vergleicht:
Die Wahrheit von "Satz (1)" hängt nun nicht mehr von seiner
Falschheit ab, sondern von der jeweiligen "Reflexionsstufe" – auf
der "zweiten Reflexionsstufe" ist der "Satz" beispielsweise
eindeutig wahr; das geht schon daraus hervor, dass er auf der
ersten eindeutig falsch ist...
Die eigens hierfür erdachte
Idiotie "Dieser Satz ist falsch." ist nun zwar immer noch w und f,
aber jetzt nicht mehr gleichzeitig, sondern sozusagen
hintereinander. Ein ungemeiner Fortschritt: Man kann nun – die
"sechswertige unendlichstufige Reflexionslogik" ermöglicht dies –
eindeutig beantworten, wo "Satz (1)" wahr und wo er
falsch ist. So hat sich die formale Logik, die sich zur Beurteilung
der Wahrheitsfrage ihre logische Sprache geschaffen hat, erst einmal
davon freigemacht, sich an dem von ihr prätendierten Nutzen auch
messen zu lassen.
Bis der fix und fertig ausgebaute
Formelapparat die Richtigkeit seiner Anwen-dung auf die normale
Sprache vielleicht eines Tages wirklich beweist, beteuern sie die
Problematik dieses Vergleichs, den sie so untersagen, und widmen
sich guten Gewissens dem fortwährenden Ausbau der Logik, der schon
genug Schwierigkeiten macht, auf die sie so versessen sind. Auch
eine Weise, mit der puren Existenz einer Wissenschaft für sie zu
argumentieren.
Quellen:
(I) A. KEMMERLING: Logik
(Vorlesungsbegleitskript) (A.K. war von 1983 – 1999 Professor für
Analytische Philosophie an der LMU München, seit 1999 ist er
Professor für Philosophie an der Universität Heidelberg)
(II) U. BLAU: Die Logik der
Unbestimmtheit und der Paradoxien (U.K., Professor (i.R), tätig am
Lehrstuhl Philosophie, Logik und Wissenschafts-theorie der LMU
München)
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