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BRD-Stärke

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Was ist zu halten von
Deutschlands neuer Stärke?

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

In den letzten Jahren hat Deutschland auf der internationalen Bühne eine zunehmend wichtige Rolle eingenommen. “Wir müssen uns unserer gewachsenen internationalen Verantwortung stellen.” So lautet das neue Credo, mit dem die deutsche Politik ihre Strategie für ein neues mächtiges Deutschland begründet. Es gibt viele Menschen, die diese Entwicklung gutheißen, weil sie damit die Erwartung verknüpfen, dass Deutschland sein stärkeres Gewicht zum Wohle der Menschheit einsetzt.

Sie glauben der Regierung, wenn diese sagt, “nur wer mit dabei ist, kann realen Einfluss nehmen” und gehen davon aus, dass die deutsche Regierung ihr Gewicht für eine bessere Welt besonnen einsetzen wird (im Gegensatz z.B. zu den “kriegerischen” US-Amerikanern)

Inwieweit die Politik diese Erwartungen erfüllt, soll anhand von drei Beispielen aus den Bereichen Militär, Entwicklungshilfe und Europapolitik untersucht werden.

Desillusionierung derjenigen, die glauben, dass ein starkes Deutschland sein Gewaltpotenzial zum Wohle der Menschheit einsetzt.

Beispiel: Militärische Stärke

Spätestens mit der Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990 ist der Kalte Krieg beendet worden. Nach Jahrzehnten der Aufrüstung hätte für Deutschland die Gelegenheit bestanden, ein Vorbild für Abrüstung zu werden. Stattdessen ist Deutschland in den letzten Jahren zunehmend in militärischen Auslandseinsätzen aktiv geworden. Dies gilt nicht nur bezüglich der Quantität der Einsätze (2001 stimmte der Bundestag sechs Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu), sondern auch bezüglich der Qualität (von der Bereitstellung von Sanitätspersonal 1973 im Nahen Osten bis hin zu Kampfeinsätzen der KSK-Einheit in Afghanistan 2002). Zudem begibt sich Deutschland zunehmend in eine verfassungs- und völkerrechtliche Grauzone von nicht UN-legitimierten Militäreinsätzen.

In den nächsten Jahren wird den Haushaltsplanungen zufolge der Verteidigungsetat (nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Auslands-einsätze) ansteigen.

Auch was den Kriegswaffenexport betrifft, geht mit der neuen Rolle Deutschlands in der Welt nicht etwa eine Reduzierung dieser Art der Wirtschaftspolitik einher. Im Jahre 1999 hat sich beispielsweise der Ex-port im Vergleich zum Vorjahr auf über 2,8 Mrd. DM mehr als verdoppelt. Mit Verkäufen im Werte von über 2,5 Mrd. DM rangierte Deutschland im Jahr 2000 weltweit sogar auf Platz drei der Waffenhändler (Quelle: Jahresbericht 2000 des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI).

Es ist festzuhalten, dass sich Deutschland in seinem Verhalten dem der USA oder Großbritannien als ganz “normale” Militärgroßmächte annähert. Von Anfang der 90er Jahre bestehenden Abrüstungsphantasien ist jedenfalls nichts übrig geblieben. Wer glaubt, Deutschland könne und wolle einen “guten” militärischen Sonderweg gehen, irrt.
 

Desillusionierung derjenigen, die glauben, dass ein starkes Deutschland seine Macht für mehr Gerechtigkeit in der Welt einsetzt.

Beispiel: Entwicklungshilfe

Es gab einmal...

... eine Selbstverpflichtung der Industrieländer, jeweils 0,7 % ihres Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe zu verwenden. Seit über 30 Jahren hängt Deutschland diesem Ziel weit hinterher, und die in dieser Zeit aufgebrachte Summe von ca. 23 Milliarden Euro entspricht der Höhe des aktuellen Rüstungshaushalts. Geplant ist, den derzeitigen Anteil von 0,27 % bis 2006 auf sage und schreibe 0,33 % anzuheben.

Der 1999 beschlossene Schuldenerlass auf dem G7-Gipfel in Köln, den gerade auch die rot-grüne Regierung vorantrieb, wird oft als gut gemeinter Neuanfang dargestellt. Die damit verknüpften Bedingungen enthalten jedoch derart viele Auflagen, dass a) einige Länder diese Voraussetzungen gar nicht erst erfüllen werden und b) ihnen nun erst recht jeglicher Handlungsspielraum genommen wird (vgl. FR-Doku-mentation vom 16.4.2002). Das bedeutet im Klartext, dass einzelne Länder von der westlichen Welt einfach abgeschrieben werden. In dem neuen NEPAD-Programm (New Partnership for Africa’s Development, Spiegel 1.7.02) spiegeln sich klar die Interessen der Geberländer wider, die sich aus zwei Gründen mit den armen Ländern beschäftigen:

Zum einen, um zu sortieren, mit welchen Staaten noch wirtschaftliche Beziehungen aufrechterhalten werden können. Wie bisher sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, den Zugang zu diversen Rohstoffquellen zu sichern. Meistens kommt die dabei erforderliche Infrastruktur eben nicht der Bevölkerung zugute und hat auch gar nicht diesen Zweck.

Zum anderen geht es um den Gesichtspunkt der “Terrorbekämpfung”. Was früher dem CIA vorbehalten war, ist nun ganz offiziell Leitlinie der westlichen Regierungen: Sie machen Regierungschefs gefügig, die ihre Bevölkerung kontrollieren und haben so die Garantie der politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme.

In den 10 “Hungerländern” Afrikas liegt der Anteil der Unterernährten ständig zwischen 40 und 80 % der Bevölkerung (Panos Institut, www.panos.org.uk ). Wenn es mit  dem Verhungern mal richtig schlimm wird, wie zur Zeit, stellt die  Politik Bedingungen, nach dem Motto: “Wenn wir euch vor dem Verhungern retten sollen, müsst ihr euch erst eine demokratische Regierung besorgen.”

Desillusionierung derjenigen, die glauben, dass ein starkes Deutschland seine Macht für einen Ausgleich innerhalb der EU einsetzt.

Beispiel: Der “Blaue Brief” aus Brüssel

Auf Drängen der damaligen Bundesregierung wurde zur Einführung des Euro ein Stabilitätspakt beschlossen, der vorschreibt, dass die Neuver-schuldung eines Landes 3 % des Bruttoinlandsprodukts nicht über-steigen darf. Bei drohenden Abweichungen davon ist die EU-Kommission aufgerufen, Korrekturen am nationalen Finanzgebaren anzumahnen (“Frühwarnsystem”, “Blauer Brief”).

Im Februar diesen Jahres trifft es nun ausgerechnet den ökonomischen Musterknaben und Initiator dieses Pakts: Die Brüsseler Aufsichtsbehörde sieht sich angesichts einer aktuellen Marke von 2,7 % veranlasst, Deutschland abzumahnen. So an den europäischen “Pranger gestellt zu werden”, kann ein deutscher Kanzler nicht hinnehmen. Unter Aufbietung des gesamten ökonomischen (“grösster Nettozahler der EU!”) und politischen Gewichts Deutschlands wird der drohende Brief doch noch abgewendet.

So stellt Deutschland unmissverständlich klar, wer in Europa was zu sagen und wer nicht kritisiert werden darf. In diesem Geist weisen die deutschen Vorkämpfer für “mehr politische Einheit” und “mehr Kompetenzen für Brüssel” die Länder, die die EU-Kommissionsintiative unterstützen wollten in die Schranken. Sie blamieren damit offensiv die Auffassung, alle europäischen Regierungen hätten sich im Interesse des Euro und der EU insgesamt einem gemeinschaftlichen Kontrollregime unterzuordnen. Es geht Deutschland offensichtlich vielmehr darum, innerhalb der EU eine Führungsrolle einzunehmen. Alle anderen Staaten der EU sollen sich dieser unterordnen.

“Wir machen keine Politik gegen die EU, sondern können zu Recht stolz sein auf unsere Rolle bei der europäischen Integration. Daran wird sich nichts ändern, und das wissen auch unsere Partner. Wir wollen eine starke Kommission.” (heuchelte Schröder im HB vom 11.2.2002)  

PS: Einen Monat später, im März 2002, erhielt Irland (“der keltische Tiger”) zum ersten Mal in der Geschichte der EU eine offizielle Rüge – aufgrund einer Euro-stabilitätsgefährdenden Steuerpolitik. Die EU sei damit fähig und willens, für gemeinsame Haushaltsdisziplin und Währungsstabilität einzustehen. So hieß es beim EU-Rat der Wirtschafts- und Finanzminister…

Was zeigen diese Beispiele? Dass die deutsche Politik weit davon entfernt ist, die von einigen Menschen in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Mehr noch: Das, was verharmlosend “Normalisierung” deutscher Außenpolitik genannt wird, ist die Umsetzung des ehrgeizigen Pro-gramms, in derselben Liga mitmischen zu können wie andere Groß- bzw. Supermächte. Dabei fallen zwingend Opfer an. Die Frage, die sich stellt, ist nur: Soll man auch noch ausgerechnet dafür sein? Wir sind es nicht – und werden dies auch am 22.9. entsprechend berücksichtigen…

Mail: argumente@web.de
Web:
http://gruppew8.wordpress.com
 


contradictio - 2009