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"Reform der Bundesanstalt für Arbeit"

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   Wie Peter Hartz Karl Marx  
vollständig rehabilitiert

 

I. Wachsender gesellschaftlicher Reichtum bei gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit

Vier bis fünf Millionen Menschen sind hierzulande arbeitslos. Was hat das für Folgen? Gucken wir uns zunächst mal den gesamtgesellschaftlichen Reichtum an. Mit Ausnahme des Jahres 1993 (- 1,1 %) ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den vergangenen 12 Jahren jeweils real gestiegen.

D.h. mit immer weniger Leuten wird immer mehr erwirtschaftet. Zunächst mal in Geld gemessen. Und guckt man sich die Warenwelt an, so ist auch da zumindest von einem materiellen Mangel weit und breit nichts zu entdecken. Im Gegenteil, alle erdenklichen Warenkörper werden in Hülle und Fülle und in 27 Ausstattungs-varianten angeboten, die Situation, daß es irgendetwas nicht zu kaufen gäbe, gibt es schlicht nicht. Es gibt viele Gründe, warum bestimmte Waren nicht produziert werden, oder warum auch einmal eine Warenproduktion oder das Anbieten von Dienstleistungen eingestellt wird, aber das liegt garantiert nicht daran, daß es an den nötigen materiellen Voraussetzungen fehlen würde, daß man technisch dazu nicht in der Lage wäre, daß Rohstoffe fehlen würden oder ähnliches. Genau-genommen sind es gar nicht viele Gründe, sondern bloß immer nur einer, nämlich immer dann, wenn mit dem Produktionsprozeß kein Überschuß erwirtschaftet werden kann. Doch dazu unten mehr.

 

II. Massenarbeitslosigkeit kennzeichnet einen absurden Zustand

In jeder Gesellschaft, in der es auf den Gebrauchswert der Waren, auf den durch den Warenkörper vermittelten Nutzen ankäme, wäre dies ein Grund zur Freude. Dank der enorm gestiegenen Produktivität würde der Aufwand zur Produktion derselben Gütermenge immer weiter sinken. Es würde etwas weniger Plackerei, Mühe, Zeitaufwand bedeuten, der Über­gang zur Freizeit- und Spassgesellschaft hätte tatsächlich ihren Anfang genommen. Man hätte mehr Zeit sich zu bilden, die Kulturlandschaft könnte in nie dagewesener Form erblühen, der Feierabend setzte bereits am Mittag ein usw. usf. Bekanntlich ist das in dem besten aller Wirtschaftssysteme, der Marktwirtschaft, komplett anders. Zunächst mal ist es für diejenigen, die nicht mehr arbeiten kein Glück sondern ein ausgesprochenes Pech. Die vom Produktionsprozeß Ausgeschlossenen (ca. 10 – 12 % der erwerbsfähigen Bevölkerung) werden nicht mehr gebraucht und damit sind sie mittellos gemacht. Da aber der eiserne Grundsatz gelten soll, nach dem ein Mensch, dessen Anwendung seiner Arbeitskraft für die Unternehmer nicht lohnend ist, selbst nichts verdient, ist er umso nötiger darauf angewiesen, wieder in Lohn und Joghurt gestellt zu werden. Schon reichlich absurd. So ein Arbeitsloser wird von den Herren und Damen Arbeitgebern nicht gebraucht (sonst wäre er nicht arbeits­los..), also ist er umso dringender genau darauf angewiesen!?! Er kann und will arbeiten (von den „Drückebergern“ und Leuten, die sich in den „sozialen Hängematten“ ausruhen soll hier nicht die Rede sein) und er muß arbeiten. Er darf aber nicht. Naklar, es ist ihm nicht verboten körperliche Tätigkeiten zu verrichten, das soll nicht gesagt sein. Nur bezahlt werden sie nicht. Und er hat kein anderes Mittel in der Hand! Er ist unfähig gemacht worden selbst für seine Bedürfnisbefriedigung zu sorgen, weil die über das Geld vermittelt ist und er selbst keine Produktionsmittel besitzt. Er ist getrennt von den Arbeitsmitteln. Die halten diejenigen in der Hand, die ihm eben gesagt haben, daß seine Arbeitskraft zur Bedienung dieser Mittel nicht mehr gefragt ist. Es bewahrheitet sich an der Arbeitslosigkeit die marxistische Aussage, daß die Arbeitnehmer bloßes Arbeitsvermögen sind. Und ob aus der Möglichkeit auch eine Wirklichkeit wird liegt an dem Produktionsmittelbesitzer. Wenn er ihn ranläßt gibt es diesen Übergang. Aber auch da gibt es noch eine allgegenwärtige Schranke: Es reicht ja nicht, daß der Arbeitnehmer dann seinen Lebensunterhalt erarbeitet, er muß stets ein bißchen mehr als das abliefern. Sonst könnte der Produktions-mittelbesitzer ja die Arbeit gleich selbst erledigen... Also: die Arbeit findet überhaupt bloß dann statt, wenn mit ihr ein Gewinn erwirt­schaftet werden kann. Bei gleichzeitigem Überfluß leiden also Millionen Menschen Mangel und sinken immer weiter in die Armut, weil vor die Erlaubnis zu arbeiten eine Bedingung gesetzt ist: die Bedingung ist, daß diese Arbeit andere reicher machen muß. Ich erzähle damit zwar überhaupt nix neues, dieser Zusammenhang wird als Systemnotwendigkeit gar nicht negiert („naja, Gewinn muß der Laden schon abwerfen..“), deshalb lohnt es sich aber trotzdem dies einmal so festzuhalten. Massenarbeitslosigkeit in der Markwirtschaft kennzeichnet einen absurden Zustand, in dem die Gesellschaft die Arbeit von Millionen nicht braucht, diese aber unbedingt Arbeit brauchen.

 

III. Produktivitätszuwachs erzeugt Überbevölkerung

Oben wurde davon gesprochen, daß kein materieller Mangel herrscht. Einerseits. Andererseit ist es ja aber auch nicht so, daß man sich viel Dinge wünschen würde, die es hier nicht gibt, die irgendwie nützlich oder angenehm wären. Das können Konsumgüter sein, das können aber auch immaterielle Dinge sein. Welcher Lehrer wünschte sich nicht kleinere Schulklassen, welche Krankenschwester und welcher Patient nicht mehr Krankenschwestern und größere Krankenzimmer usw. Die dafür notwendige Arbeit ist jedoch gesellschaftlich nicht notwendig. Das ist keine Geschmackssache oder ein Werturteil meinerseits. Das Maß an gesellschaftlich notwendiger Arbeit ist und wird definiert durch die, die „die Wirtschaft“ heißen und bedeutet ökonomisch schlicht die Arbeit, die zu solchen Produkten führt, deren Preise so gestaltet sind, daß sie mit Gewinn zu verkaufen sind. D.h. dafür sind Millionen Menschen überflüssig. (Marx spricht von Überbevölkerung.) Und warum sind so viele dafür überflüssig? Weil die Arbeit, die die Gewinne realisiert, schon so enorm produktiv ist. Und dies ist eine Tat der Unternehmer. Die Millionen werden nicht gebraucht, weil die, die gebraucht werden, so produktiv arbeiten, daß alles, was Unternehmen mit Gewinn verkaufen können, schon längst hergestellt wird. Von Jahr zu Jahr wird der Arbeitsablauf effektiviert, werden Arbeitnehmer zunehmend durch Maschinen ersetzt, werden produktivere Maschinen von der Rest­beleg­schaft bedient usw. (Setzt man die Produktivität des Jahres 1990 als 100 %, so betrug sie im Jahre 2000 bereits 126 %). Kaum jemand unter den „glücklichen“ Arbeitsplatzbesitzern, der nicht ein Lied von der ständig steigenden Arbeitshetze singen könnte.

 

IV. Löhne als angeblicher Grund für Insolvenzen und mangelnde  Beschäftigung

Gerade im vergangenen Jahr verging wohl kaum eine Woche in der nicht irgendein Konzern Massenentlassungen bzw. Stellenabbau im großen Stil ankündigte. Und die Zahl der Konkurse jagt von einem Rekord zum nächsten. 

Behauptet wird nun vielfältig, daß die hohen Löhne und Gehälter daran (mit)schuld seien. Auch in bezug auf das bestehende Arbeitslosenheer wird dieses Argument vorgebracht: die hohen Löhne sind im Prinzip das Beschäftigungshindernis schlechthin. Hier wird behauptet, daß das pure Ideologie ist und wie folgt argumentiert:

  1. Wenn ein Unternehmer mit einer Arbeit Gewinn machen kann, dann stellt er die Leute ein und zahlt den Lohn, der verlangt ist. Dann ist der Lohn gerade kein Hindernis fürs Gewinnemachen. (Er ist ja umgekehrt überhaupt die einzige Quelle von Gewinn, dazu unten mehr). Und wenn sich die Arbeit nicht rentiert, dann stellt er keinen ein und so manchen aus, aber auch nicht deswegen, weil sie zuviel Geld kosten, sondern weil mit diesen Kosten kein Gewinn zu erwirtschaften ist. Die absolute Lohnsumme, die ein Unternehmen zahlt, sagt über das Verhältnis von Vorschuß (Aufwendungen) zu Rückfluß (Ertrag) nichts aus. Mal ein bißchen suggestiv gefragt, um einen Nebenstrang zu eröffnen: Wer kauft Autos? Wer muß sie sich leisten können? Muß der als Kaufkraft fungierende Lohn eines potentiellen Autokäufers nicht so hoch sein, daß er es sich leisten kann?

    Und ein bißchen Empirie kann auch nie schaden: Der Gewinn (vor Steuern) von Volkswagen betrug im Jahr 2001 4,4 Mrd. € im Jahr drauf 2,6 Mrd. € bei annähernd gleicher Zahl von Beschäftigten. Oder nehmen wir Porsche. Die produzieren fast ausschließlich in einem Hochlohnland namens BRD und zwar übertariflich und mit 13 Monatsgehältern. Die halten sich sogar hochbezahlte Akustikfuzzies und Sounddesigner, die darauf achten, daß ein Porsche-Motor auch wie ein Porsche-Motor klingt. Dieses Unternehmen konnte seinen Gewinn in den letzten 5 Jahren permanent steigern bei unwesentlich höherer Zahl von Beschäftigten.

    Nehmen wir den Fall, daß ein Unternehmen expandiert, tatsächlich mal zusätzlich Leute einstellt und einen zusätzlichen Produktionsstandort aufmacht, und nehmen wir weiterhin an, die dort produzierten Waren finden Käufer, wodurch die Waren versilbert werden (mit Gewinn verkauft werden), dann ist trotz der gestiegenen Lohnsumme, die das Unternehmen zahlt, der Gewinn gestiegen. Da gibt’s ne Reihe mehr solcher Beispiele. Allgemein gilt: solange sich für ein Produkt ein zahlungsfähiges Bedürfnis finden läßt, dessen Wert einen Gewinn realsiert, wird Lohn gerne gezahlt. Doch! - wenn sich Porsche-Fahrer grausig von ihrem ehemaligen Lieblingsgefährt abwenden, weil sie den typischen Sound vermissen, dann rosten diese Scheisskarren plötzlich auf dem Betriebsgelände vor sich hin und Ferdinand ist um sein Erbe gebracht; dann hat die Einsparung des Lohns für den Sounddesigner, die Senkung des Lohns nicht zu einer Gewinnsteigerung geführt sondern zum absoluten Gegenteil! Oder hat sich schonmal jemand gefragt, warum Finanzmakler locker 6-7-stellig verdienen? Ist da vielleicht jemand auf die Idee gekommen, das Zerplatzen der Neuen-Markt-Blase auf diese hohen Gehälter zurückzuführen? Natürlich und völlig zurecht nicht!

  2. Das Beispiel mit der Expansion ist in letzter Zeit rar geworden. Blicken wir nochmal auf die Massenentlassungen/Stellenabbauaktionen der jüngeren Vergangenheit. Diese Maßnahmen bewirken doch, daß die absolute Lohnsumme, die das einzelne Unternehmen an seine Belegschaft zahlt sinkt, und zwar selbst dann, wenn der einzelne Arbeiter mehr bekommt (durch die heroischen Heldentaten seiner Gewerkschaft). Wenn Ford 15.000 Leute entläßt und den verbliebenen Leutchen jeweils – sagen wir – 1,7 % mehr zahlt, dann ist die Gesamtlohnsumme gesunken. Wenn der Produktausstoß nicht sinkt (die Zulassungszahlen lassen darauf schliessen), in der Realität wird im Gegeneteil ja ständig rationalisiert, dann steigt also der Gewinn pro Produkt! Selbst wenn nun die ausgestossene Produktmenge sinkt haut das zu einem gewissen Grad noch hin, dann kann zwar nicht mehr Gewinn realsiiert werden als vorher, aber eben überhaupt noch welcher. Wenn auch das nicht mehr klappt, dann gibts schonmal einen Konkurs, dazu gleich mehr. Mit anderen Worten: nur die Verschärfung der Ausbeutung (nicht moralisch sondern ökonomisch gemeint, nämlich als Verhältnis von Mehrwert (Gewinn) zur Lohnsumme) kann überhaupt zu einer Gewinnsteigerung, zu einer Steigerung der Profitrate, zu Wachstum führen. Diese Verschärfung kommt aber irgendwann an Grenzen (z.B. physikalische in Natur der biologischen Natur der Arbeiter), weshalb Marx sein berühmtes Gesetz von „der fallenden Tendenz der Profitrate“ aufstellte...

  3. Konkurse und Konkurrenz. Wer meint der Holtzmann-Konzern hätte dadurch gerettet werden können, daß die Beschäftigten zu einem Sonder-Billigtarif antreten, der irrt sich über die Natur von Konkursen. Das Porsche-Beispiel gab schon einen ersten Hinweis. Man kann auch mal ein Blick in die Insolvenz-Statistik werfen. Ungefähr 9000 (ca. 1/4 der Gesamtzahl) Konkurse im Baugewerbe, ausgerechnet ein Sektor, der für das Zahlen von Niedrig- und Niedrigstlöhnen bekannt ist und auf dem noch billigere Schwarzarbeit an der Tagesordnung ist.

Ausgerechnet da sollen die Löhne zu hoch sein bzw. die Höhe der Grund für den Konkurs? Das ist zumindest, gelinde gesagt, kontraintuitiv. Was wäre denn, wenn einfach kein Schwein und kein Konzern mehr ein drittes Bürogebäude braucht? Da können die Löhne noch so niedrig sein: wenn diese Arbeit (also das Arbeitsprodukt) nicht gefragt ist, dann wird man mit ihr auch keinen Gewinn erzielen können, weil man keinen Umsatz macht, weil man nicht in der Lage ist, zahlungsfähiges Bedürfnis auf sich zu ziehen! Nun könnte man einwenden: Aber wenn die Löhne noch niedriger wären und der Bauunternehmer seine Gebäude dadurch billiger anbieten könnte, dann würde doch vielleicht der eine oder andere doch sein Ferienhaus an der Ostsee in Auftrag geben!? Gewiß, das wäre eine gute Bedingung, eine Garantie ist das aber noch lange nicht. Dieser Einwand wurde übrigens als Idee von Hartz aufgegriffen und verlängert und findet sich im Modul „Job-Floater“ wieder, das vorsieht, daß die Arbeiter das fehlende Kapital der Unternehmen gleich selbst mitbringen. Ganz prinzipiell liefert verschärfte Ausbeutung natürlich günstigere Bedingungen für Gewinne. Daß das jetzt „Profis der Nation“ vertreten ist neu, sonst sagen sowas nur Marxisten und die wollten als das Kritik verstanden wissen... Warum ist das keine Garantie? Weil z.B. gar nicht gesagt ist, ob das Bauunternehmen auch die Kapazität hat, 100 Häuser mehr im Jahr (nämlich die an der Ostsee) zu bauen. Oder weil es die Geldsumme für das Rohmaterial gar nicht vorstrecken kann usw usf. 

 

V. Wie kommt Gewinn zustande?

Es existieren vielerorten merkwürdige Vorstellungen darüber, wie der Unternehmer zu seinem Gewinn kommt. Um zu erklären, daß nur der Lohn (genaugenommen: der nicht­gezahlte Lohn, der sich auf den wertbildenden Anteil im Produkt bezieht, den der Unter­nehmer einbehält) oder Diebstahl Quelle von Gewinn sein kann, ist es im Primzip erforderlich einige Begriffe einzuführen und zu erläutern. Einen Teil dazu soll das folgende Beispiel leisten.

Da ist ein Backstubeninhaber. Der kauft sich zunächst Backzutaten (Mehl, Wasser, Eier), und einen Backofen und ein Rezeptbuch. Nun hat er noch ein bisschen Geld übrig. Also entschließt er sich: ich habe keine Lust meine Brötchen selbst zu backen, ich stelle einen Bäcker­ge­sellen ein, der übernimmt das für mich! Der Bäcker­ge­selle, der selbst keine Backstube besitzt, also mittellos ist, verkauft nun seine Arbeitskraft, sein Arbeits­ver­mögen an den Backkapitalisten. Das ist ein erster wichtiger Punkt: Der Bäckergeselle geht keinen Vertrag mit dem Unternehmer nach dem Muster ein, „ich backe Dir x Brötchen und will dafür y Euro Lohn“. Vielmehr überläßt er dem Unternehmer seine Backfähigkeiten für eine gewisse Zeitspanne. Wie diese Arbeits-kraft dann in dieser Zeitspanne angewendet wird liegt allein an den Vorgaben des eingerichteten Arbeitsplatzes und denen des Arbeitgebers. Daraus folgt schonmal, daß das Quantum Arbeitsprodukt, das in der ausgemachten Zeit erzeugt wird keine Fixgröße ist, aber dazu später mehr. Nun fängt also der Geselle an zu kneten...(ja ich weiß, daß heute niemand mehr so backt...) und am Ende seiner Schicht hat er 1000 Brötchen gebacken. Sein Lohn soll 40 Euro betragen. Die verarbeiteten Zutaten kosteten den Unternehmer 50 Euro. Abnutzung des Ofens und Energie machen nochmal 10 Euro. Wie kalkuliert er jetzt die Brötchenpreise?

a)      Kosten = 40+50+10 = 100 Euro. D.h. 1 Brötchen hat einen Wert von 10 Cent. Wenn er sie jetzt zu einem Preis von 10 Cent verkauft (und die Annahme gelten soll, dass alle produzierten Brötchen auch über die Ladentheke gehen) – was hat er dann gewonnen? Nix. Dann hätte er sich also den ganzen Aufwand schenken können, sein Geld gleich behalten können. „naklar, Gewinn muss der Laden schon abwerfen“....

b)      ...also nimmt er 12 Cent, verkauft alle und hat 120 Euro eingenommen, macht 20 Euro Gewinn. Erstaunlich, aus den eingesetzten 100 Euro sind plötzlich 120 Euro geworden; wie kann das gehen? Wo kommen die her? Wieso hat das Produkt einen höheren Wert als die Werte der eingesetzten Stoffe? Dem Unternehmer mag es wie ein Wunder vorkommen. Der freut sich einfach und macht so weiter, d.h. setzt sein größer gewordenes Kapital erneut ein und läßt den Bäckergesellen am nächsten Tag wieder antanzen (Marxisten bezeichnen dies als ‚private Kommandogewalt des Geldes’)... Die Antwort kann nur folgende sein: Nur die Arbeit, die aus den Rohstoffen (i.w.S) ein veredeltes Produkt gemacht hat, ist wertbildend, fügt zu dem vorhanden Wert der Rohstoffe einen weiteren Wert hinzu! Das Mehl bzw. die Kosten für das Mehl werden ja einfach weitergegeben, bei den Energiekosten genauso usw., zusammen 60 Euro. Das Kneten war es also, das das Brötchen teurer, werthaftiger macht! Wie werthaftig, in welchen Ausmaß? So werthaftig, wie die Gesellschaft im Durchschnitt bereit ist dafür zu zahlen! Wenn sie also 12 Cent fürs Brötchen hinlegt, diesen Preis akzeptiert, dann entspricht der Preis dem Wert des Produkts. Marx würde dazu sagen, die Bäcker­arbeit hat sich als gesellschaftlich durchschnittlich notwendig (g.d.n.) erwiesen. Wenn es nun aber nur die Arbeit des Gesellen war, die der Ware Wert hinzugefügt hat – wem würde dann dieser Wert „gehören“? Natürlich dem Gesellen selbst. Nun ist es aber sein Pech, daß er einen ganz anderen Vertrag mit dem Kapitalisten gemacht hat, dem Gesellen gehören die Brötchen ja gar nicht, er hat lediglich seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt.... Also streicht der Unternehmer zunächst mal die gesamten 120 Euro ein, bezahlt seine Vorschußkosten und den vorher ausgemachten Lohn und behält dann den Rest; dieser Rest ist der Mehrwert, nämlich genau das Mehr an Wert, was über den Wertzuwachs hinaus, der nicht als Lohn gezahlt wurde, übrig ist. Marx nennt das Zustandekommen dieser Differenz schlicht ‚Ausbeutung’. Und er meint damit explizit nicht all die moralischen Fragestellungen, die sich die einen oder anderen im Anschluß daran überlegen (darf der das, ist es nicht ein fairer Ausgleich für das Unternehmerrisiko usw. usf.). Er hielt es für keine Frage der Moral sondern für eine Systemnotwendigkeit. Der Unternehmer hat es geschafft, aus Geld mehr Geld zu machen. Geld das so funktioniert nennt (nicht nur, aber auch) Marx Kapital.

Das war die eine Seite. Nun fehlt noch die Seite zu zeigen, daß im Primzip keine andere Wertdifferenz in so einem Geldtransformationsprozeß auftreten kann, oder aber es handelt sich um „Diebstahl“. Statt dem Mehllieferanten den Preis zu zahlen, den der verlangt, könnte der Bäckerkapitalist auch sagen, ab morgen zahle ich Dir pro Kilo 20 Cent weniger. Angenommen der Mehlproduzent läßt sich darauf ein und ist dauerhaft in der Lage weiterhin wirtschaftlich zu arbeiten und der Bäcker nimmt immer noch 12 Cent. Dann steigt sein Gewinn, klar. Aber was ändert das an der Tatsache, daß die Differenz von Vorschuß und Rückfluß der wertbildende Anteil an dem Produktionsprozeß, also die Arbeit ist? Eben, gar nichts! Ein weiteres Szenario könnte sein: der Mehllieferant arbeitet unter den verschärften Bedingungen nicht mehr wirtschaftlich. Der hat wiederum 2 Möglichkeiten: Weitergabe des „Kostendrucks“ an den Mühlenbetreiber oder Lohnsenkung...

Zunächst mal soweit. Man könnte nun noch so einige Details besprechen und Einwände die auch schon zu Marx’ Zeiten vorgebracht wurden, beispielsweise das beliebte Argument, daß die Ausbeutung erst beginnt, wenn die zurückfließenden Einnahmen die Kosten gerade wieder eingespielt haben, also beim Brötchen Nummer 833,3. Das ist natürlich Quatsch, die Wertdifferenz steckt ja in jedem Einzelprodukt. Literaturtip dazu: K.Marx, Kapital Band I, Unterkapitel „Seniors letzte Stunde“.

 

VI. Die Sache mit den Lohnnebenkosten

Die sogenannten Lohnnebenkosten sind ihrer öko­nomi­schen Natur nach nichts anderes als – Lohn. Wenn der Lohn definiert wird als die Summe Geld, die den Arbeitern gezahlt wird, damit die sich „reproduzieren“ können, dann schließt das die „Wechselfälle“ des Lohnarbeiterseins mit ein. D.h. die Lohnsumme muß über das normale Arbeiterdasein hinaus auch für die Zeiten reichen, in denen der Arbeiter zufällig gerade nicht arbeiten kann, denn eine andere Einkommensquelle hat er schließlich nicht! Man muß sich das immer wieder vor Augen führen: Jemand, der sich nicht lohnend an­wenden läßt, genießt im Prinzip keine Daseinsberechtigung. Die Zeiten bzw. Umstände, in denen er nicht arbeiten kann sind Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter. Damit die Arbeiter nicht instantan gezwungen sind am Hungertuch zu nagen, falls sie von diesen Wechselfällen betroffen sind, müssen sie über den Lohn hinaus, den sie augenblicklich verzehren, eine Summe zur Verfügung haben, die sie – zumindest eine gewisse Zeit lang – in die Lage versetzt, a) zu überleben und b) so zu überleben, daß sie – sobald sie gesundet sind oder einen neuen Arbeitgeber gefunden haben – wieder arbeitsfähig sind. Die Arbeiter tun also gut daran, ein bißchen von ihrem Lohn auf „die hohe Kante“ zu legen, vorzusorgen. Das gilt erst recht fürs Alter – wieder gilt, daß wer keinen anderen reicher macht, auch selbst nicht essen soll – also für die Zeit, in der schlicht die körperlichen Voraussetzungen irgendwann nicht mehr erfüllt sind, um eine Anstellung finden zu können. Und es gilt auch nicht nur für die einzelne Arbeitskraft, es gilt für alle Menschen, die vom Lohn leben, obwohl sie gar keine Arbeitskraft zu verkaufen haben: Das können die Kinder, die Frau, der Mann, die Großeltern sein. 

Nächster Punkt. Bekanntermaßen ist es in der sozialen Marktwirtschaft so eingerichtet, daß sich der Staat überhaupt nicht darauf verläßt, daß die Arbeiter von ihrem Lohn immer einen Teil weglegen; er hat eine gesetzliche Zwangs-Sozialversicherung eingerichtet. Der Zwang ist erst aufgehoben, wenn der Lohn eine gewisse Summe übersteigt und der Staat sich einigermaßen sicher sein kann, daß dann tatsächlich am Monatsende ein gewisser Betrag übrig ist, zumindest im Prinzip erübrigt werden kann. Die Beiträge, die der Staat auf diese Weise einsammelt, verwendet er dann, um den Leuten, die momentan keinen Lohn erhalten, einen Lohnersatz zahlen zu können. Die Beiträge legt er fest; über die Höhe soll zunächst mal nichts Quantitatives gesagt werden. Der Punkt, auf den es ankommt ist: die Beiträge, die an der Quelle eingezogen werden (direkt vom Konto des Arbeitgebers in die Sozialkassen fliessen) sind (im Sinne obiger Definition) Lohnbetandteile, nichts anderes, und es völlig egal, wie ich das rein formal  auf einen Arbeitgeber- und einen Arbeitnehmeranteil aufteile. Man könnte einerseits sagen: der Arbeitgeber zahlt den gesamten Betrag, einen Teil des Lohns bekommt der Arbeiter auf sein Konto, den anderen des Lohns gibt er dem Staat zur „Verwahrung“, so daß dieser im Sinne des Arbeiters damit umgeht und ihn für die Wechselfälle absichert. Oder man kann andererseits sagen: der Arbeiter zahlt den gesamten Betrag, er bekommt einen Gesamtlohn und von dem fließt ein Teil auf sein Konto und einen anderen Teil bekommt er gar nicht zu Gesicht, weil die gleich auf die Staatskonten fliessen. Für den Unternehmer ist das alles egal: er muß lediglich mit einer Gesamtlohnsumme kalkulieren! Ihm ist das doch schnurz-piep-egal, was der Arbeiter mit seinem Lohn anfängt, ob er ihn versäuft, ob er ihn aufs Sparbuch trägt oder sonstewas. Und warum regt sich der Unternehmerstand gemeinhin so über die Lohnnebenkosten auf? Weil für sie die Löhne natürlich nie niedrig genug sein können. Und in den Zeiten, wo auf eine offene Stelle 120 (qualifizierte) Bewerber kommen, muß er sich doch nicht darum kümmern, daß Jobsuchende nicht sofort verelenden. Die Kritik an zu hohen Lohnnebenkosten lebt von einem radikalisierten Standpunkt, der bereits oben angesprochen wurde: es ist der Stand­punkt, daß der Unternehmer ausschließlich für angewendete und lohnende Arbeitskraft  zu zahlen bereit ist. Dieser fragt sich tatsächlich, warum denn ausgerechnet er für Arbeitslose Lohn zahlen soll; die lohnen sich für ihn doch gar nicht! Warum klagen die Unternehmer nun zusehends über die Lohnnebenkosten? Weil sie ständig steigen. Und warum steigen sie ständig? Die Antwort war schon angedeutet: weil der gezahlte Lohn für die gesamte Arbeiter­klasse reichen muß, auch für die Teile der Klasse, die momentan nicht arbeiten, nicht arbeiten dürfen, nicht arbeiten können. Von diesem Standpunkt ist der Staat bisher im Prinzip nicht abgewichen. Bei immer weniger Beitragszahlern, denen immer mehr Anspruchs­berechtigte gegenüberstehen hat das natürlich Folgen: Da der Staatshaushalt nicht dazu da ist, der Überbevölkerung ein angenehmes Leben zu finanzieren, muß das reichen, was die Kassen eben noch hergeben. Da ist also Anpassung angesagt, und zwar wie immer nach den beiden Seiten hin: die Beiträge werden erhöht und die Leistungen für die Anspruchsberechtigten werden zunehmend zusammengestrichen.

Nächster Punkt: kann der Arbeiter im Ernst dafür sein, daß die Lohn­neben­kosten gesenkt werden? Eigentlich nicht, würde dies doch einer Lohnkürzung gleich­kommen. Dies ist jedoch den wenigsten klar. Vielmehr herrscht die Sichtweise vor, daß dann doch auch netto mehr übrigbliebe  Das mag so sein, wenn sich der Arbeiter seinen Lohn­streifen anguckt. Spätestens aber, wenn er bei seinem nächsten Krankheitsfall plötzlich 5 Karenztage angestrichen bekommt und der Lohn von 16 Werk­tagen (statt der üblichen 20 od. 21) plötzlich für 31 Monatstage reichen muß, wird er merken, daß seine Lohnsumme ge­sunken ist. Oder er merkt es, wenn zwar sein Betrieb aber er leider nicht übernommen wird und er nun statt 67 nur noch 57% des letzten Nettolohns erhält usw usf. Warum dem arbeits­platzbesitzenden Arbeiter es wahrscheinlich dennoch so vorkommt, daß eine Lohn­neben­kostensenkung eine Lohnsteigerung und eine Lohnnebenkostenerhöhung eine Schmäle­rung seines Lohns ist. liegt nur daran, daß er und seine Gewerkschaft es ver­säumen, den ent­sprechend höheren, gewachsenen Bedarf an „Reproduktionskosten“ beim Arbeit­geber als Lohn­erhöhungsforderung geltend zu machen!! (Der DGB hat sie ja wirklich nicht alle – der reiht sich noch glatt mit ein ins Konzert derjenigen, die die hohen Lohnneben­kosten bejam­mern...)

Vorerst letzter Punkt zu diesem Abschnitt: der Staat ist inzwischen dabei, ringt sich zumindest langsam dazu durch, sich von dem oben angegebenen Stand­punkt zu ver­ab­schieden. Es findet eine fundamentale Neuerung statt. Wenn immer mehr Leute dauerhaft keine Arbeit finden, wenn 50-jährige schon ausgesprochenes „Glück“ haben müssen, um je wieder eine Anstellung zu finden, dann hat sich herausgestellt: ein gewisser Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung wird schlicht nicht gebraucht, dieser Teil ist überflüssig. (gerade die Zahl der Langzeitarbeitslosen und die Dauer, die sie arbeitslos sind, hat in den letzten paar Jahren dramatisch zugenommen). Er gibt seinen Standpunkt auf, nachdem das Halten einer materiell einigermaßen abgesicherten arbeitslosen „Reservearmee“, die sich bis zum Zeitpunkt und zum Zweck ihrer nächsten Anstellung fithält, ein kapitalnützlicher Dienst ist! Wenn die so Ausgemusterten im Leben nicht mehr angestellt werden, dann ist ihre Versorgung eine reine Verschwendung! Diesen „Luxus“ will sich der Staat künftig nicht mehr, oder nicht mehr in gleichem Umfang wie bisher leisten. Wo kommen wir denn dahin...?  Na, immerhin zu der schönen Wahrheit, daß die Arbeitslosen- und Krankenversicherung nie eine soziale, eine fürsorgliche Erfindung war! Kaum lohnen sie sich nicht mehr, die Ver­sicherungen, werden sie mehr oder weniger abgeschafft, zumindest stufenweise an die Dienste für das Kapital so angepaßt, daß sie in ihrem veränderten Daseinszweck diesen Dienst dann doch noch irgendwie erfüllen können --> da kommt dann jetzt Hartz ins Spiel...

 

VII. Das gesellschaftlich anerkannte Problem der Arbeitslosigkeit als Drehtür

Ein klein bißchen erstaunlich könnte man es schon finden, dass Politiker den Skandal der Massenarbeitslosigkeit überhaupt nicht kleinreden, verschweigen. Im Gegenteil, Arbeits­losigkeit ist als das gesellschaftlichte Problem anerkannt. Arbeitslosigkeit ist die letzte gültige Fassung der „sozialen Frage“. Und dennoch muß niemand fürchten, daß diese implizite Kritik am System mal nach hinten losgeht, daß dann z.B. mal in den Zeitungen steht, was das hier für ein Scheiß-Laden ist, in dem Reichtum und Überfluß zu Not und Elend führen. Wieso eigentlich nicht? Weil das Thema der Arbeitslosigkeit wie eine Drehtür oder wie ein Transmissionsriemen wirkt bzw. so behandelt wird: Was reinkommt, als mitleidige Sorge um die Not der Arbeitslosen geht raus als Sorge um die Gewinne und die Gesundheit der Wirtschaft. Was reingeht als, man hat Verständnis für die Probleme, die Arbeitslose haben, endet mit der Kritik, daß Arbeitslose dem Staat und dem Staatshaushalt Probleme machen. Was losgeht mit der Selbstkritik der Regierung, daß sie dem Volk nicht genug Erwerbs­gelegenheiten zu schaffen vermag, endet mit einer Kritik der Arbeitslosen, daß sie nichts taugen (bspw. Stichwort „Facharbeitermangel“ oder „studienunfähige Schüler“).

 

Wie funktioniert diese Drehtür? Durch eine Umdeutung des Problems. Die halbe Umdeutung geschieht schon allein durch die Verwendung des Wortes „Arbeitslosigkeit“. Natürlich haben sie keine Arbeit. Ihr wahres Problem ist allerdings: sie haben kein Geld. Zu sagen, ihr Problem sei, daß sie keine Arbeit haben ist schon eine kleine semantische Verschiebung. Die Verschiebung liegt darin, daß man mit der Benennung des Problems quasi gleich die Lösung mitliefert. Das verkehrteste bei der Problemlösung wäre sich zu fragen, woher Arbeits­­losigkeit kommt, warum es sie gibt; dann würde eine fundamentale Kritik des Systems herauskommen, die glatt zu einer Ablehnung führen würde. Es gilt vielmehr praktisch und konstruktiv zu denken. Man muß lediglich alle Kritikpunkte in Bedingungen umwandeln, Bedingungen dafür, daß Arbeitslose wieder Arbeit „finden“. Erste Bedingung: naja, Gewinn muß das Unternehmen machen.... Also sind wohl soviele Menschen arbeitslos, weil sie sich nicht lohnen, weil sie nicht ergiebig genug sind. Wie kann man also den Arbeitslosen helfen? Offen­sichtlich dadurch, daß man sie für Unternehmer wieder ergiebiger macht. Wo liegt also der Fehler? Na, entweder bei den Sozialversicherungen oder den Arbeitslosen selbst. Sie sind zu teuer, sie müssten mehr arbeiten und weniger dafür bekommen, damit sie sich wieder lohnen würden, sie müssten flexibler werden, leichter handhabbar, weniger Rechte haben usw. Der Witz ist, daß das eine objektive Seite hat: Innerhalb der Marktwirtschaft – dieser achso rationellen Form des Wirtschaftens – „hilft“ ihnen nur das, sonst nix.

 

VIII. Dialektik

Die vorherrschende Dialektik bei der Frage der Arbeitslosigkeit ist bemerkenswert. Als Grund wird immerzu sowas genannt wie: „die Löhne sind zu hoch“, oder „die Lohnnebenkosten sind zu hoch“ oder „der Faktor Arbeit ist zu teuer“ und und und. Ich hatte es schon mal in Punkt IV. angerissen: Je mehr die Unternehmer sich anstrengen, die Lohnkosten bei sich zu senken, desto mehr produzieren sie mit dem Arbeitslosenheer lauter Beweise, daß der Lohn zu hoch ist.[1] Das ist schon reichlich absurd. Und dennoch gibt es nur ein Rezept: An die Arbeitslosen ergeht die Aufforderung an sich Eigenschaften zu entwickeln, die sie für Unternehmer wieder lohnend machen. Weil die das im Prinzip aber gar nicht können (mit Ausnahme der Schwarzarbeiter) setzt die Politik das Programm um.

Bevor die einzelnen Module besprochen werden, noch zwei Dinge vorweg, auch wenn es ein kleiner Vorgriff ist.

Wie verschafft man Arbeitslosen Arbeit? Indem man ihren Lohn senkt. Nur: Die Arbeitslosen brauchen bloß Arbeit wegen des Lohns! Inzwischen wird der also von Amts wegen zusammengestrichen bis zum Niveau des ALG (Arbeitslosengeld) oder sogar darunter. Ist so den Arbeitslosen geholfen? Tja, deshalb hat der Arbeitslose eigentlich keine Arbeit gebaucht, daß er nun für sein ALG auch noch arbeiten muß.... Hier merkt man ganz deutlich die Umdeutung, die das „Problem der Arbeitslosigkeit“ („hinter dem sich Millionen von Einzelschicksalen verbergen“) erfährt: Ausgangspunkt mag die Not der Arbeitslosen gewesen sein. Der Endpunkt ist regelmäßig der Zustand der Nation. Ein Arbeitsloser der nicht einfach sein geld einstreicht, sondern auch noch einem Unternehmer seine Arbeit für eine kleine, eher ideell zu nennende Summe andient, der nützt dem kapitalistischen Wachstum der Nation. Wer als Arbeitsloser künftig ALG II bekommt, der entlastet den Bundeshaushalt oder den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit usw.

Warum braucht es eigentlich staatliche Gewalt, um das Programm umzusetzen? Gestanzt ausgedrückt, weil er sich auf den „stummen Zwang der Verhältnisse“ nicht mehr verlassen kann, was nix weiter heisst, als dass die Leute eigentlich ein Eigeninteresse an Arbeit haben, weil sie keine andere Einnahmequelle haben. Dieser Zwang funktioniert nicht mehr! Warum sollten die Leute denn Arbeit wollen, die ihnen künftig nicht mehr einbringt als das ALG? Also muß der Staat schon Zwangsmaßnahmen erwirken, die Leut zu einer Arbeit zwingen, die ihnen in ihrer Rechnung nicht mehr lohnend erscheint. 

[1] Zumindest für das produzierende Gewerbe gilt, daß der Anteil an Personalkosten am Produkt noch nie so niedrig war wie heute!

 

IX. Jobcenter

Es wird ein Jobcenter geschaffen. Eine zentrale neue Stelle, die das Zwangssystem, das es bisher auch schon gab – Stellen anbieten, bei Nicht-Annahme Geld kürzen usw usf. – zu­nächst mal ausbaut und verschärft. Des weiteren ist ein zentrales Element des Job­centers, daß es gleichermaßen für arbeitslos gewordene Mitglieder der Arbeitslosen­versicherung wie für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger zuständig ist. Der rechtliche Unter­schied zwischen ihnen wird eingeebnet. Dies ist inzwischen auch finanziell mit dem Beschluß des sog. Arbeitslosengeldes II, der Zusammenlegung und Angleichung von Sozial­hilfe und Arbeitslosenhilfe (ALH), selbstverständlich in Höhe der Sozialhilfe, umgesetzt. Die „echten“ Arbeitslosen bekommen dafür zusätzlich noch eine Neuregelung der Zumutbarkeit und eine neue Art von „Stellenvermittlung“. Es ist ja schon lange nicht mehr so, daß man als Arbeits­suchender mal beim Arbeitsamt vorbeischaut, um zu gucken, ob die vielleicht eine passende Stelle anbieten. Nein, der nette Mensch vom Arbeitsamt macht ein „Bewerber­profil“, d.h. er taxiert, wofür der Arbeitssuchende überhaupt noch bloß in Frage kommt und dann muß der Taxierte sich bei den ihm zugewiesenen Stellen bewerben – und er muß sich bedingungslos um diese Stelle kümmern, denn er bekommt drittens noch eine Nettigkeit an den Hals, nämlich die Umkehr der Beweislast im Falle, daß das Bewerbungsgespräch nicht erfolgreich war. Er muß beweisen, daß es nicht an seiner evtl. schlampigen Bewerbung lag, sondern der Unternehemr ihn wirklich nicht brauchen kann; sonst droht zeitweiser Entzug des ALG/ALH oder Kürzung. 

X. Personalserviceagenturen (PSA)

Sind die „Arbeitssuchenden“ nach 6 Monaten nicht untergebracht werden sie einer wirk­lichen neuen Einrichtung überantwortet, der PSA. Das ist kurz gesagt eine riesige, staatlich geleitete Zeitarbeitsfirma, in der Zwangs­arbeit organisiert wird, in der das Arbeitslosenheer selbst bewirtschaftet wird. Die Arbeitslosen stehen der PSA zur Ver­fügung und können für Tage, Wochen oder auch längere Zeiträume an Unter­nehmen verschickt werden. Anders als das alte Arbeitsamt oder das neue Job-Center ist die PSA ein im rechtlichen Sinne echter Arbeit­geber und kann wie jedes andere Unternehmen auch alle bewährten Sanktions­prinzipien des Arbeitsrechts nutzen, beispiels­weise Lohnkürz­ungen bei Arbeitsver­weige­rungen. Also: die An­ge­stellten der PSA müssen im Falle eines Falles arbeiten. Aber: wie macht man das, daß die Unternehmer so einen neuen Zeitarbeiter auch nimmt? Ganz einfach: man befreit die Unter­nehmen von allem, was als Beschäftigungs­hindernis gelten könnte.

26/2002
Spiegel
: Dass man so schnell einen Job findet, bleibt doch eher die Ausnahme. Was passiert mit den anderen?
Hartz
: Viele von denen machen wir praktisch zu Angestellten des Arbeitsamts.
Spiegel
: Das müssen Sie uns erklären.
Hartz
: Jedem Arbeitsamt gliedern wir eine sog. Personal-Service-Agentur an, die wie eine private Zeitarbeitsfirma arbeitet oder möglicherweise sogar eine ist. Dort werden die Arbeitslosen angestellt – mit allen Rechten und Pflichten. Praktisch sind sie dann nur eine logische Sekunde arbeitslos.

Und das ist in erster Linie die Lohnhöhe. Die Lohnhöhe wird künftig zwischen der PSA und dem Industrie- oder Handelsunternehmen ausgemacht, das den Angestellten der PSA ausleiht – und die kann Null betragen (kein Scherz). Maßgabe ist bei der PSA, beim Unternehmer nachzufragen: „na, wieviel darf er denn kosten, daß Du ihn noch nimmst“. Im letzten halben Jahr ist dann gefeilscht worden, ob der Lohn, den die PSA-Angestellten vom PSA bekommen, Tariflohn sein soll oder nicht usw. Herausgekommen sind Extra-PSA-Tarife, die weitweit unterhalb der üblichen Tariflöhne liegen. Wichtig ist es an dieser Stelle klarzubekommen, daß hier der Lohn, den ein Unternehmer zahlt, getrennt wird von dem Lohn, den der Arbeitslose als Angestellter der Zeitarbeitsfirma des Arbeitsamts kriegt. Und die Finanzmasse, mit der dieses Sonderangebot an die Unternehmer finanziert wird, speist sich aus dem Vermögen der Arbeitslosenversicherung, also aus den eingesammelten Beiträgen der Lohnarbeiter, die eigentlich mal für Notzeiten für diese zur Verfügung stehen sollten...

Ein zweites „Beschäftigungshinders“ sind die Lohnnebenkosten (s.a. oben). Deshlab ist es völlig konsequent, die Unternehmer davon gänzlich zu befreien. Wie wird das gemacht? Ganz einfach, indem die PSA ihren Status als Arbeitgeber ernstnimmt: Die Arbeitslosen sind ja schon beschäftigt, nämlich bei uns! Also: jetzt muß auch die Krankenkasse und die Sozialversicherung und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung aus der Finanzmasse des Arbeitsamts gezahlt werden.

Und schließlich nimmt die PSA den Kapitalen auch noch den Kündigungsschutz ab, wieder mit demselben Gedanken wie eben schon: der Arbeitslose braucht ja auch keinen Kün­di­gungs­­schutz, der Arbeitslose, der ist ja schon bei uns angestellt.

 

XI. Ich-AGs

Die Hartz-Pläne sehen nicht nur vor, mehr Arbeitslose zu vermit­teln, sondern auch zusätzlich Beschäftigung zu schaffen. Was fällt ihm dazu ein? Die Schwarz­arbeit! Interessant – denn ein echtes „Mehr an Beschäftigung“ ist das natürlic nicht, die Schwarzarbeiter-Jobs gibt es ja schon! Hier wird sehr schön deutlich, was mit „Beschäftigung schaffen“ überhaupt gemeint ist, nämlich: daß sich der Staat zusätzlich Reichtumsquellen er­schließen will! Darüber wird Hartz ein echter Fan von Schwarzarbeit, ein Wirtschaftssektor auf dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einem echt-freien Markt, frei vom Korsett der Tarifverträge, frei vom Korsett des Arbeitsrechts gesucht und ge­funden haben – da sieht man doch: es kann klappen! Daß es zu Bedingungen klappt, die den sonst so verteufelten Manchester-Kapitalismus fast noch rosig aus­sehen lassen – extem unter­tarif­liche Bezahlung, Prinzip des hire & fire, keine Mögliichkeit den Lohn einzuklagen, keinerlei Ar­beits­­schutz usw. – weiß auch Hartz. Dieser unkonventionelle Denker nimmt eben genau dies als Chance!

26/2002
Hartz:
: ...Natürlich wollen wir auch mehr Beschäftigung schaffen. Sie müssen sich nur die Wachstumsbranche Schwarzarbeit ansehen. Was für ein Potenzial!
Spiegel
: Aber leider unerreichbar.
Hartz
: ... Man muss sich was einfallen lassen. Unsere Umfragen zeigen uns, dass niemand gern illegal arbeitet. Die Frage ist, welche Abgabenlast so erträglich ist, dass ein Schwarzarbeiter bereit ist, legal zu arbeiten.
Spiegel
: Und? Wo liegt die Grenze?
Hartz
: 10% akzeptieren alle. Deshalb wollen wir Arbeitslosen die Möglichkeit geben, sich unkompliziert selbständig zu machen, wir nennen das die „Ich-AG“. Künftig dürfen Arbeitslose bis zu einer bestimmten Grenze dazuverdienen., wobei nur ein teil gegen­ge­rechnet wird. Abzuführen ist nur eine Pauschalsteuer von z.B. 10%. Im Vergleich zur Schwarzarbeit gewinnen alle: der Steuer­zahler, das Finanz-, das Arbeitsamt und der Arbeitslose.

Es gibt nur einen Mangel: das ganz ist illegal und bringt dem Staat nix ein. Also muß man Schwarzarbeit legalisieren! Und wie? Natürlich nicht, indem man diese Beschäftigungs­verhältnisse in die bisherigen legalen überführt; das würde die Lohnkosten so hoch­schrauben, daß die Arbeit nicht mehr stattfünde (die schwarze Arbeit findet eben nur statt, weil mit dem Umgehen aller Bestimmungen sensationell gübstig ausgebeutet werden kann); nein, man muss die Bedingungen und das Niveau dieses Beschäftigungs­ver­hält­nisses selbst legalisieren. Mit der Legalisierung von Schwarzarbeit wird von staatswegen der moderne Tagelöhner geschaffen; Menschen, die sich selbst besitzen („Ich-AG“) und sich selbst mal hierhin, mal dorthin ausleihen. Einen kleinen Preis hat die Sache: 10 %, die die künftigen legalen Schwarz­arbeiten von ihrem eh schon lächerlich geringen Lohn abgeben dürfen; dafür erhalten sie tatsächlich das Recht, Lohn einklagen zu können – und sie dürfen, sofern sie überhaupt noch anspruchsberechtigt sind, etwas zu ihrem ALG (II) dazuverdienen.

XII. Der Job-Floater

Der JobFloater ist bereits umgesetzt im sog. Programm „Kapital für Arbeit“. Gucken wir es uns an (http://www.kfw-mittelstandsbank.de)

Kapital für Arbeit

Das Programm der KfW Mittelstandsbank unterstützt die Initiative der Bundesregierung zur Verringerung der Arbeitslosigkeit. "Kapital für Arbeit" soll helfen, dass die Einstellung von Arbeitslosen oder die Schaffung von Ausbildungsplätzen nicht an Kapitalmangel scheitern. 

So kann Ihr Unternehmen mehr unternehmen

“Kapital für Arbeit” steht mittelständischen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von höchstens 500 Mio EUR und Freiberuflern offen. Sie können einen Antrag auf ein integriertes Finanzierungspaket stellen, wenn Sie Arbeitslose, von Arbeitslosigkeit Bedrohte oder geringfügig Beschäftigte dauerhaft (Vertragslaufzeit mindestens zwölf Monate) in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis einstellen. Dies gilt auch für die Einstellung von Auszubildenden. Die Unternehmen müssen insgesamt kreditwürdig sein und positive Zukunftsaussichten haben.

Welches Ziel hat das Darlehen?

Am Markt etablierte Unternehmen können zur Finanzierung ihrer Vorhaben ein integriertes Finanzierungspaket erhalten, wenn sie Arbeitslose, von Arbeitslosigkeit Bedrohte oder geringfügig Beschäftigte einstellen. Dies gilt auch für die Einstellung von Auszubildenden

Was wird gefördert?

Alle Investitionen und Aufwendungen im Rahmen Ihres Vorhabens einschließlich der Kosten, die mit der Schaffung der Arbeitsplätze und mit Qualifizierungsmaßnahmen verbunden sind. Zu einem Vorhaben gehören z.B.

  • Investitionen

  • Ausstattung der neuen Arbeitsplätze

  • Warenlager

  • Betriebsmittel

  • Schulungskosten für die neuen Beschäftigten

Das Vorhaben und die Gesamtfinanzierung sind im Antrag zu spezifizieren.

Es werden bis zu 100 % der förderfähigen Kosten des Vorhabens, maximal  100.000 EUR je neu geschlossenem Arbeitsverhältnis finanziert. Für Teilzeitbeschäftigte gibt es bis zu 50.000 EUR.

Die Finanzierung umfasst einen klassischen Kredit (Fremdkapitaltranche) und ein Nachrangdarlehen (Nachrangtranche). Mit dem Nachrangdarlehen erhalten Sie Mittel zur Verbesserung der Kapitalstruktur Ihres Unternehmens.

Eine Förderhöchstgrenze pro Unternehmen besteht nicht. Der Umfang der geplanten Einstellungen muss jedoch im Einklang mit den Zukunftsaussichten des Unternehmens stehen.

Wann und wo werden die Darlehen beantragt?

Der Kreditantrag muss immer vor Abschluß des Einstellungsvertrages bzw. vor Beginn des Vorhabens (z.B. erster verbindlicher Auftrag, Abschluss eines Kaufvertrages) gestellt werden, denn Umschuldungen und Nachfinanzierungen sind nicht möglich.
Sprechen Sie also so früh wie möglich mit Ihrer Bank über den Kredit der KfW Mittelstandsbank.

Das Antragsformular erhalten Sie bei Ihrer Bank.

Prüfung des Antrags bei der Bank

Die Bank finanziert die Schaffung eines Arbeits-/Ausbildungsplatzes "aus einer Hand".
Der Kredit
der Hausbank muss banküblich besichert werden, für den im Nachrang gewährten Anteil sind keine Sicherheiten zu stellen. Art und Höhe der Besicherung verhandeln Sie mit Ihrer Bank.

Die Entscheidung über die Kreditvergabe trifft Ihre Bank nach Objekt- und Bonitätsprüfung. Fällt die Prüfung positiv aus, befürwortet die Bank den Kredit auf dem Antragsformular und reicht es bei der KfW Mittelstandsbank ein.

Prüfung des Antrags bei der KfW Mittelstandsbank
Die KfW Mittelstandsbank prüft die Bonität des Unternehmens und die Erfüllung der Fördervoraussetzungen.

Der Kreditvertrag
Der Kreditvertrag wird zwischen Ihnen und Ihrer Bank geschlossen. Die Bank zahlt den KfW-Kredit an Sie aus und leitet auch Ihre Rückzahlungen an die KfW Mittelstandsbank weiter. Außer dem Kreditzins entstehen keine weiteren Kosten, z.B. Bearbeitungsgebühren.

Ihre Vorteile:

  • Eine langfristige, günstige Finanzierung.
  • Ein integriertes Finanzierungspaket mit einem klassischen Kredit und einem Nachrangdarlehen, das die Kapitalstruktur Ihres Unternehmens verbessert und  Spielraum für neue Fremdfinanzierungen schafft.
  • Je besser die Bonität Ihres Unternehmens, desto günstiger der Zinssatz. 

contradictio - 2006