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Die aktuelle Nationale Sicherheitsstrategie der USA – Selbstverteidigung erfordert Präventivkriege!


Die USA haben im September letzten Jahres ihre neue Sicherheitsdoktrin vorgestellt. Teile daraus wurden bereits vorab bekanntgegeben und von der US-Administration in zahlreichen Reden begleitend erläutert; “National Security Strategy” heißt sie und wird mit NSS abgekürzt. Das Original-Dokument findet sich unter
www.whitehouse.gov, die autorisierte deutsche Übersetzung auf den vorzüglichen Seiten des “Friedenspolitischen Ratschlags”.
(
www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/USA/doktrin-lang.html)

Es handelt sich dabei um ein hochoffizielles Dokument: Jeder Präsident der USA ist durch die Verfassung dazu verpflichtet, während der Amtszeit eine solche Studie erstellen zu lassen. Dies geschieht konkret im Auftrag des US-Verteidigungsministerium durch eine “Experten-Kommission”, bestehend aus Mitarbeitern des Ministeriums, Offizieren, Professoren, Diplomaten etc. Der Bericht wird dann zunächst dem Präsidenten vorgelegt, der es mit einem Vorwort und seiner Unterschrift versieht, und schließlich dem Kongreß, dem es als Leitfaden für notwendige oder erwünschte Maßnahmen dient, um die nationale Sicherheitslage den jeweiligen Umständen bzw. aktuellen Erfordernissen anzupassen.

Die neue Doktrin ist überaus bemerkenswert. Sie beinhaltet u.a. einen bedeutenden Wechsel der militärischen Strategie, sie formuliert den Anspruch der USA, ihre militärische Vorherrschaft für alle Zeiten festzuschreiben und auszubauen und sie bekennt sich zur “Notwendigkeit” der Durchführung von Präventivkriegen.

Im Einzelnen:
 

I. Die USA sind von lauter Feinden umzingelt


Die “Vereinigten Staaten erfreuen sich gegenwärtig einer beispiellosen militärischen Stärke” – und dennoch fühlen sie sich alles andere als sicher. Im Gegenteil: Sie sehen sich mit Bedrohungen konfrontiert, gegen die es sich entsprechend zu verteidigen gilt. Im Vorwort der NSS heißt es dazu:

    “Die Verteidigung unserer Nation ist die erste und wichtigste Verpflichtung der Regierung. Diese Aufgabe hat sich jetzt dramatisch verändert. In der Vergangenheit benötigten Feinde große Armeen und umfangreiche industrielle Fähigkeiten, um eine Gefahr für die Vereinigten Staaten darzustellen. Heutzutage können schemenhafte Netzwerke von Einzelpersonen großes Chaos und Leid über unser Land bringen – und es kostet sie weniger als ein einziger Panzer. Terroristen durchdringen offene Gesellschaften und richten moderne Technologien gegen uns.

    Um mit dieser Bedrohung fertig zu werden, müssen wir jegliches uns zur Verfügung stehende Mittel anwenden: militärische Macht, verbesserte innere Sicherheit, Strafverfolgung, nachrichtendienstliche Tätigkeiten sowie energische Anstrengungen zur Unterbindung des Finanznachschubs für Terroristen. Der Krieg gegen weltweit agierende Terroristen ist eine globale Unternehmung von ungewisser Dauer.”

Ergänzend dazu einige Zitate von Donald Rumsfeld, der die Grundzüge der NSS am 31.1.2001 in einer Rede an der National Defense University vorgestellt hat:
(http://www.defenselink.mil/speeches/2002/s20020131-secdef.html)

    “Wie müssen uns darauf vorbereiten, die Nation gegen das Ungewisse zu verteidigen.”

    “Unsere Streitkräfte müssen Gegner abschrecken, die sich noch gar nicht zu Heraus-forderungen entwickelt haben.”

    “Der erste Krieg des 21. Jahrhunderts war lehrreich. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, anzunehmen, daß der Terrorismus die einzige Bedrohung ist. Neben dem Terrorismus kann es auch ein Cyber-Krieg, ein traditioneller Konflikt zwischen Staaten oder aber etwas ganz anderes sein.”

Der Kernpunkt des angekündigten Wechsels der militärischen Strategie wird wie folgt erklärt:

    “Die sogenannte bedrohungsorientierte Strategie wird durch eine fähigkeitsorientierte Strategie ersetzt; d.h. es geht weniger darum, jemanden ins Visier zu nehmen, der uns bedrohen könnte, sondern mehr darum, wie wir möglicherweise angegriffen werden könnten und was wir tun müssen, um abzuschrecken.”

Was heißt das?

Die USA halten es grundsätzlich für verfehlt, die eigene Sicherheitspolitik an real-existierenden Bedrohungen auszurichten. Sie wollen sich auf jede mögliche, jede denkbare Herausforderung einstellen – auch und gerade auf noch unbekannte. Und zwar unabhängig davon, ob sie überhaupt schon irgendwo US-feindliche Absichten erkannt haben. Die Sortierung der Staatenwelt nach der Verläßlichkeit fremder Regierungen ist ihnen zu unsicher geworden; fortan mißtrauen sie jedem un-amerikanischen Souverän und nehmen dabei allein Maß an deren Macht-Mitteln. Die USA gehen fest davon aus, daß es Staaten, Terroristen oder sonstige Schurken gibt oder geben wird, die ihrerseits Gründe haben, ihre Waffen auf US-amerikanische Ziele zu richten. Genau deshalb müssen diese wirklichen wie potentiellen Feinde zur Ohnmacht verdammt werden. Und weil das für den jetzigen Zeitpunkt und alle Zukunft so bleiben soll, ist es in den Augen der USA auch falsch, Maß zu nehmen an wirklich-verfügbaren Kriegsfähigkeiten anderswo. Es gilt vielmehr, alle zukünftigen Entwicklungen zu antizipieren.

Was die Psychologie dieser Gedanken betrifft, würde man bei Einzelpersonen angesichts einer solchen Bedrohungsanalyse wohl von Verfolgungswahn sprechen: Das eigene Interesse wird zum einzig gültigen erklärt, beim Blick auf das Wirken Anderer werden deren Anliegen nicht zur Kenntnis genommen, sondern bezieht sie rein negativ auf sich, und überall und ständig wittert man (zumindest latent) feindliche Absichten, die nach Mitteln trachten, die eigene Person anzugreifen.

Interessant an dem neuen Feindbild der USA ist, daß es völlig ohne Feinde auskommt: Sie erklären schlicht den fremden Besitz militärischer Fähigkeiten zum neuen Hauptfeind und damit zum hinreichenden, bisweilen gar zwingenden Kriegsgrund.

Es wird schon noch weiterhin eine Einteilung der Staatenwelt in freundlich gesonnene und suspekte Subjekte geben – “Auch wenn unser Schwerpunkt auf der Verteidigung der Vereinigten Staaten liegt, wissen wir doch, daß wir die Hilfe unserer Verbündeten und Freunde brauchen, um den Terrorismus in der heutigen globalisierten Welt zu besiegen.” (NSS, Kapitel III) – doch neben und vor allen Einschätzungen solcher Art kommt zukünftig etwas anderes: Die USA wollen eine Neutralisierung sämtlicher Quellen auswärtiger Machtentfaltung und melden einen bedingungslosen Herrschafts-anspruch über die gesamte internationale Staatenkonkurrenz an. Das Neue daran ist weniger die universelle Reichweite der “kapazitätsorientierten Strategie” sondern die Neudefinition der Zulassungskriterien zur Staatenkonkurrenz: Die Konkurrenten sollen in den Zustand der Unfähigkeit versetzt werden, sich dem Willen der einzig verbliebenen Weltmacht zu widersetzen. Auch Stellvertreter-kriege, wie etwa der Iran-Irak-Krieg, bei dem sich zwei unliebsame Staaten gegenseitig und mit Unterstützung der USA bzw. Sowjetunion kleinmetzeln durften, dürften damit der Vergangenheit angehören.

II. Totrüsten ist angesagt

In einem weiteren Teil der NSS geht es darum, wie die USA dieser einerseits diffusen andererseits konkreten Bedrohung begegnen will. Wiederum ein paar Zitate aus der Rede Rumsfelds:

    “Unsere Aufgabe ist es, den feinden so viele Wege potentieller Attacken wie möglich zu verbauen. Mit Sicherheit müssen wir auf neue Formen des Terrorismus  vorbereitet sein, aber auch auf Angriffe gegen US-Einrichtungen im Weltraum, Cyber-Attacken gegen unsere Informationsnetzwerke, Cruise Missiles, ballistische Geschosse, chemische und biologische Waffen. Gleichzeitig müssen wir am Auf- und Ausbau der Bereiche arbeiten, in denen wir einen Vorsprung haben, z.B. bei unserer Fähigkeit, militärisch über große Entfernungen zuzuschlagen, bei den Präzisionsangriffswaffen, sowie unseren Kapazitäten im Weltraum, im Bereich der Nachrichtendienste und bei der Unterseekriegsführung.”

    “Um unseren Feinden keinerlei Zuflucht zu gewähren, müssen wir dafür sorgen, daß es keinen Winkel auf der Erde gibt, der zu abgelegen, keinen Gipfel, der hoch genug, keine Höhle oder Bunker, der tief genug, und kein Transportmittel, das schnell genug wäre, um sie vor unserem Zugriff zu schützen.”

    “Statt zwei Besatzungs-Streitkräfte zu unterhalten, werden wir uns eine Abschreckung für vier entscheidende Schauplätze verschaffen, die auf der Fähigkeit zum schnellen Sieg über zwei Aggressoren gleichzeitig gründet und die sich währenddessen die Option für eine massive Gegenoffensive zur Besetzung einer feindlichen Hauptstadt und Beseitigung eines Regimes vorbehält.”

    “Unser Ziel ist nicht einfach, zu kämpfen und Kriege zu gewinnen, sondern zu versuchen, Kriege zu verhindern, Gegner abzuschrecken, nicht nur davon, existierende Waffen zu benutzen, sondern auch davon, sich gefährliche neue Kapazitäten aufzubauen.”

Die Gewährleistung US-amerikanischer Sicherheit ist ein dauernder Kampfauftrag: Das Militär muß einerseits jeden möglichen Gegner, sei er Terrorist oder Staat, die Fähigkeit zum erfolgreichen Angriff auf die USA nehmen, und es muß andererseits seine überlegenen Kriegsfähigkeit zielstrebig ausbauen, um den Willen der USA in jedem Erdenwinkel zu verankern, d.h. jedem Gegner der USA die garantierte Vernichtung zu bescheren und bei Bedarf selbst für das passende Regime zu sorgen. Praktisch bedeutet das eine angestrebte Entmachtung der übrigen Staatenwelt.

Nur jeden denkbaren Krieg locker gewinnen zu können – das reicht den USA nicht mehr. Stattdessen sollen alle auswärtigen Souveräne gleich das Rüsten selbst sein lassen. Angestrebt ist damit das Wahrmachen des Ideals jeder militärischen Abschreckung: die Widersacher sollen den Willen aufgeben, sich die nötigen Mittel zu verschaffen, um die Kräfteverhältnisse zugunsten der eigenen Nation zu verändern.

Und was ist mit den Widersachern, die einfach nicht einsichtig sein wollen, daß sich Rüsten nicht gehört? Logisch, die müssen entwaffnet werden! Ganz offen bekennen sich die USA zur simplen und bewährten militärischen Devise, nach der Angriff immer noch die beste Verteidigung ist:

    “Die Verteidigung der USA erfordert vorbeugende Maßnahmen, Selbstverteidigung und unter bestimmten Umständen auch den Erstschlag. […] Verteidigung gegen Terrorismus […] kann es durchaus erforderlich machen, daß wir den Krieg dorthin bringen, wo der Feind sich aufhält. Die beste und in gewissen Fällen die einzig mögliche Verteidigung ist eine erfolgreiche Offensive.”

Die USA sind bei ausgemachten Feinden also fest zum Präventivkrieg entschlossen, um erst gar nicht in die mißliche Lage zu kommen, re-agieren zu müssen. Das ist eine deutliche Klarstellung: Das Sicherheitsbedürfnis der USA erfordert es, das Mittel Krieg für sie zu monopolisieren.
 

III. Massenvernichtungsmittel sind anderen Staaten wegzunehmen

Das Programm, alle Staaten auf den Nutzen der amerikanischen Nation zu verpflichten, gebietet es, den anderswo beheimateten Willen zur militärischen Selbstbehauptung von den Mitteln seiner Verwirklichung fernzuhalten bzw. zu trennen. Mit ihrer Kriegserklärung gegen Massen-vernichtungsmittel in falschen, nicht-amerikanischen Händen ist also Entwaffnung angesagt – “bevor es zu spät ist”! Die Hetzvariante hört sich so an:

    “Menschen ohne Achtung vor dem Leben, darf nie erlaubt werden, die ultimativen Werkzeuge des Todes zu kontrollieren.” (Bush, 11.03.02)

Mit der von den USA offiziell proklamierten Option, zur Durchsetzung des “Non-Proliferationsgebots” von ABC-Waffen selbst vor dem Einsatz von Atombomben nicht zurückzuschrecken, ist den entsprechenden Kandidaten für den Fall der Mißachtung die Vernichtung in Aussicht gestellt. Sie müssen zumindest ihre Gewaltausstattung samt Forschung und Entwicklung der US-Kontrolle ausliefern. Sollte der einzig befugte Lizenzverteiler für Tötungsgerät zu dem Schluß kommen, daß keine Lizenz erteilt werden kann, steht die “Befreiung einer unterdrückten Bevölkerung” oder ähnliches an. So bereichern die USA die Nonproliferation durch das spezielle Moment der “counter proliferation”… Wie die konkret vor sich geht, kann man gerade am Fall des Irak studieren…

Wenn die Souveräne dieser Welt auf eine von den USA genehmigte Gewaltausstattung beschränkt sind, die sie von eigenen Ambitionen abhält, weil sie aus eigener Kraft nichts mehr auszurichten vermögen – dann würde aus Sicht der USA ein Zustand namens Weltfrieden herrschen; ein Zustand, in dem der Status der USA als alleinige Weltordnungs- und -aufsichtsmacht unbestritten gilt und durchgesetzt ist.
 

IV. Die angestrebte Weltherrschaft erfordert den Einsatz aller Mittel

In einem ergänzenden Papier – dem “Nuclear Posture Review” vom 8. Januar 2002, erstellt wiederum vom Verteidigungsministerium – wird erläutert, welche konkreten militärischen Mittel, welche Waffengattungen die USA auf den verschiedensten Sektoren aus ihrer Sicht benötigen, um die angedeuteten Ziele zu erreichen. Dazu einige Ausschnitte aus dem Review:

    “Dieser Bericht führt eine neue Triade ein, die sich wie folgt zusammensetzt:
     
    - Offensive Angriffssysteme (nukleare und nicht-nukleare);
     
    - Abwehrsysteme (aktive und passive); und
     
    -
    eine gründlich erneuerte Verteidigungs-Infrastruktur, die rechtzeitig neue Möglichkeiten bereitstellt, um auf uns zukommende Bedrohungen entgegenzutreten.”

    “Nuklearwaffen spielen eine entscheidende Rolle für die Verteidigungsfähigkeit der USA, ihrer Verbündeten und Freunde. […] Auf der Grundlage unserer aktuellen Planung ist eine einsatzbereits Streitmacht von 1700 – 2200 strategischen Sprengköpfen ausreichend […]; sie wird eine Abschreckungspolitik gewährleisten, die all das einem Risiko der Vernichtung aussetzt, worauf die Gegner Wert legen. Dazu gehören ihre Mittel der politischen Kontrolle und der militärischen Macht. Damit wird einem möglichen Gegner das Erreichen seiner Kriegsziele verwehrt. Die Zielobjekte, die wir zwecks Abschreckung einer dauerhaften Bedrohung aussetzen müssen, umfassen die politische Führung und die militärischen Fähigkeiten, insbesondere Massenvernichtungswaffen, und militärische Kommandozentralen […], die der Unterstützung von Streitkräften dienen.”

    “Es kann durchaus vorkommen, daß der Einsatz von Nuklearwaffen nicht im Interesse der USA und ihrer Verbündeten liegt. Das höchst differenzierte Feld potentieller Gegner und unerwarteter Bedrohungen, die auf die USA in den nächsten Jahrzehnten zukommen können, erfordert eine neue Mischung von nuklearen, konventionellen und defensiven Systemen.”

    “Die Streitkräfte der USA selbst, inklusive der Nuklearwaffen, erhalten jetzt die Aufgabe, Gegner von eigenen Aufrüstungsprogrammen oder Militäroperationen abzuhalten, die amerikanische Interessen oder die unserer Verbündeten und Freunde bedrohen könnten.”

    “Militärschläge mit konventionellen Waffen können sich als besonders nützlich zur Begrenzung von Kollateralschäden und Konfliktausweitung erweisen. Nuklearwaffen können gegen Ziele eingesetzt werden, die Angriffen mit konventionellen Waffen widerstehen können, zum Beispiel tiefe unterirdische Bunker oder Fabriken zur Produktion von Bio-Waffen.”

So legt das US-Verteidigungsminsterium fest, daß und inwiefern atomare Kriegsmittel eine Rolle bei der gewalttätigen Tagesordnung spielen, die auf die endgültige Durchsetzung der amerikanischen Weltkontrolle zielt. Es handelt sich nebenbei auch um eine schöne Widerlegung der Ideologie, daß man Atombomben erstens eh nur wegen der Russen und zweitens als politische Waffe, zur Aufrechterhaltung eines “Gleichgewichts des Schreckens” brauchte.

Atombomben haben allerdings auch Nachteile, disfunktionale Folgen für den Fortbestand nützlicher Ressourcen auf dem Gebiet des Feindes. Doch auch daran wird gearbeitet: spezielle Mini-Atombomben (“mini nukes”) sind bei den Rüstungsfirmen bestellt…

Die politische Zielsetzung der “neuen Triade” der strategischen Abschreckung wird freimütig mitgeteilt:

    “Die Fähigkeit der kriegstechnologischen Infratsruktur, vorhandene Waffensysteme zu modernisieren, die Waffenproduktion gewaltig zu steigern oder ganz neue Systeme für die Neue Triade zu entwickeln und zum Einsatz zu bringen – alles das wird andere Staaten entmutigen, mit den USA auf militärischem Gebiet zu konkurrieren.”

Die USA bekennen sich zu dem Standpunkt, daß sich Erfolg und Mißerfolg in der Konkurrenz zwischen den Nationen an der Gewaltpotenz, die sie gegeneinander ins Feld zu führen haben, entscheidet. Und gerade deswegen bringen sie ihre überlegene Macht in Stellung, um dem Rest der Staatenwelt das Recht zu bestreiten, dasselbe zu tun.
 

V. Die aktuelle Feindesliste

Die (schwarze) Liste der Staaten, die in den Augen der USA die amerikanische Autorität herausfordern oder untergraben ist lang; sie umfaßt momentan ca. 60 Staaten; darunter die “Achse des Bösen”, aber auch China und Rußland! Wiederum einige Zitate aus dem “Nuclear Posture Review”:

    “Nordkorea, Irak, Iran, Syrien und Libyen zählen zu den Ländern, die in die Kategorie der unmittelbaren, möglichen oder unerwarteten Eventualitäten gehören, bei denen ein Einsatz von Atomwaffen in Frage kommt. Alle pflegen eine lang anhaltende Feindseligkeit gegen die USA und ihre Sicherheitspartner; besonders Nordkorea und Irak waren chronische militärische Problemfälle. Alle sponsern oder beherbergen Terroristen und alle unterhalten aktive Programme für Massenvernichtungsmittel und Raketen.”

    “Angesichts der gefährlichen Verbindung von Chinas strategischen Zielen, die immer anspruchsvoller werden, mit der Tatsache fortlaufender Modernisierung seiner nuklearen und nicht-nuklearen Streitkräfte ist China ein Land, das zu den unmittelbaren oder möglichen Eventualitäten gehören könnte.”

    “Rußland unterhält die gewaltigsten Atomstreitkräfte, abgesehen von den USA, sowie substantielle, wenn auch weniger eindrucksvolle konventionelle Fähigkeiten. Zur Zeit gibt es jedoch keine ideologischen Quellen für einen Konflikt mit Moskau, wie es im Kalten Krieg der Fall war. […] Im Ergebnis ist ein nuklearer Schlag, Rußland betreffend, zwar plausibel, wird aber nicht erwartet.”

Was das für die “Freunde Amerikas” bedeutet, man denke etwa an die europäischen Bestrebungen einer “eigenen Sicherheitsidentität” samt autonomer Kriegsführungskompetenz, (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, GASP) kann sich ja mal jede/r selbst überlegen.
 

VI. Wofür sich die USA sonst noch einsetzen wollen

Nicht, daß jemand auf Idee kommt, die neue nationale Sicherheitsstrategie sei Ausdruck einer “militärisch verengten Sichtweise” (Joschka Fischer) – in weiteren Kapiteln des Papiers wird dargestellt, wie die USA die “Würde des Menschen” im allgemeinen durchsetzen möchten:

  • Förderung von freien Märkten
  • Kampf dem HI-Virus
  • Halbierung der Armut innerhalb des nächsten Jahrzehnts
  • Förderung der Regierungen, die sich zu westlichen Werten bekennen und sich dem globalen Krieg gegen die Feinde Amerikas anschließen
  • Eindämmung von regionalen Konflikte (z.B. Israel, Afrika)
  • Ausbau der guten Beziehungen zu Rußland
  • den Verbündeten helfen, Amerika bei diesem Programm zu unterstützen

Zusammenfassung

  1. Das alte Konzept der Abschreckungspolitik hat ausgedient. Der Wechsel von der sogenannten bedrohungsorientierten zur fähigkeitsorientierten Strategie leitet eine neue Phase des US-Imperialismus ein. Die Feinde Amerikas sollen zur Ohnmacht verdammt werden, die Freunde zu Erfüllungsgehilfen dieses US-Interesses.
     

  2. Mit einem gigantischen Rüstungsprogramm soll die Vorherrschaft auf diesem Sektor uneinholbar und für alle Zukunft ausgebaut und erhalten werden. Dies soll andere feindliche Souveräne und sonstige Organisationen entmutigen, überhaupt mit dem Rüsten anzufangen. Feindlich gesonnene Mächte, die bereits über nennenswerte Todeswerkzeuge verfügen, werden ausgemacht und mit dem bereits überlegenen vorhandenen Gewaltapparat der USA entwaffnet. Der anvisierte Schlag gegen den Irak bildet (nur) den Auftakt dieses Entwaffnungsprogramms. Die USA bekennen sich zur Notwendigkeit, im Sinne ihres Sicherheitsinteresses Präventivkriege (sie nennen sie “präemptiv”, weil die völkerrechtlich legitim sind...) zu führen, wenn nötig auch nukleare.
     

  3. Wenn die Souveräne dieser Welt auf eine von den USA genehmigte Gewaltausstattung beschränkt sind, die sie von eigenen Ambitionen abhält, weil sie aus eigener Kraft militärisch nichts auszurichten vermögen, dann würde aus Sicht der USA ein Zustand namens Weltfrieden herrschen - ein Zustand, in der der Status der USA als alleiniger Weltordnungsmacht unbestritten gilt.


contradictio - 2006