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Was taugen die Einwände und Parolen
der Friedensbewegung?

(update: 01.04.2003)

Gliederung:

  1. "Nein zum Krieg, ja zum Frieden!"

  2. "Krieg darf kein (normales) Mittel der Politik sein!"

  3.  

  4.  

  5.  

  6.  

Liebe Friedensbewegung!

Ich fange mal so an: Eine Kriegsgegnerschaft ist doch eigentlich ganz einfach zu haben. Bei Kriegen wird von der Politik das mutwillige, massenhafte und rücksichtslose Töten von Menschen auf die Tagesordnung gesetzt. Das finde ich nicht gut, dagegen bin ich. Fertig. Damit wäre es doch im Prinzip schon rum. Bereits an dieser Stelle verstehe ich nicht, warum Ihr es Euch so kompliziert macht! Anstatt einfach mal dogmatisch pazifistisch zu sein, anstatt von diesen immer wieder einmal stattfindenden Schlächtereien einen Rückschluß auf die Inhalte und Zwecke der Politik zu ziehen, haltet Ihr das Ideal einer Politik hoch, die doch eigentlich gut sein müßte und verteidigt sie gegen ihre angeblichen Auswüchse, macht Euren Pazifismus von lauter Bedingungen abhängig, indem Ihr die vorgebrachten Kriegsbegründungen erst daraufhin untersucht, ob Ihr sie billigen könnt oder - in dem vorliegenden Fall - moralisch ablehnen müsst, lasst Euch also tatsächlich auf die elendige Debatte eines gerechten Krieges ein, seht Euch - ausgerechnet - von "Argumenten" der Kriegstreiber herausgefordert und bemüht Euch, sie zu "widerlegen", und am Ende präsentieren einige von Euch auch noch alternative Pläne zum Weltordnen, die irgendwie etwas harmloser klingen als Krieg.

Ich möchte im folgenden aufzeigen, daß es überhaupt nicht egal ist, welche Einwände man gegen den Krieg vorbringt. Ich werde versuchen zu zeigen, wie unzureichend es ist, angesichts eines Kriegs nach Frieden zu rufen, ja, in welch' bedenkliche geistige Nähe man sich zu den Kriegsbefürwortern begibt, wenn man die Parolen vertritt, die von Euch massenhaft zu hören und zu lesen sind, weil man sich damit auf das Terrain ihrer Logik begibt. Und weil Ihr Euch da, einerseits zum Glück, nicht auskennt, lasst Ihr Euch, andererseits, immer wieder auf's Glatteis führen... Diejenigen, die sich nicht hinter die von mir zitierten Stellungnahmen stellen können, sind natürlich stets von einer Kritik ausge-nommen.

A.   "Nein zum Krieg, ja zum Frieden!", "Stoppt den Krieg, Frieden jetzt!" usw.

Euren massenhaften Aufmärschen ist ein gewisses Erschrecken zu entnehmen. Es ist ein Erschrecken über eine Barbarei, die lange angekündigt wurde und nun umgsetzt wird, und, die offensichtlich zu dieser modernen Gesellschaft dazu gehört und Teil des Geschäfts der Politik eines Teils der westlichen Regierungen ist. Dieses Erschrecken verrät etwas: Wer erst angesichts eines Krieges den gewalttätigen Charakter dieser Regierungen bemerkt, der hat offenbar die gewöhnliche Gewalttätikkeit ihrer ganz normalen politischen Tätigkeiten nicht zur Kenntnis genommen. Sowas wie Krieg habt Ihr ihnen deshalb eigentlich so recht nicht zugetraut, es passt irgendwie nicht zu Eurem Bild des „ziviliserten“ Westens. Das ist nicht schlimm, das Erschrecken ist an sich kein Fehler. Es wäre der passende Anlass, einmal darüber nachzudenken, warum Kriege anscheinend doch immer wieder zu unserer Gesellschaft gehören und warum in diesem Fall die Führungen der USA und Großbritannien diesen Krieg gegen den Irak unbedingt wollen. Wer aber diesen Übergang nicht macht, oder nicht bereit ist ihn zu machen, und stattdessen nach „Frieden!“ ruft, wer also nicht nur einen simplen Irrtum eingesteht (weil Politik und Krieg eben doch nicht zwei Paar Schuhe sind), um ihn auszuräumen, sondern dazu aufruft, bei den gewohnten Praktiken des Friedens, der Außenpolitik zu bleiben, der hält das Gefühl des Mißverhältnisses – das paßt doch nicht zu unserem Laden, so wie ich ihn kenne – als Urteil über die Verhältnisse fest. Aber Ihr werdet doch gerade darauf hingewiesen, daß Ihr Euch offenbar täuscht mit Eurer guten Meinung! Gerade jetzt, wo eine Gelegenheit wäre, das Nichtwissen um die Gründe des Krieges zu beseitigen, trennt ihr absichtlich und bewußt den Krieg von dem Geschäft, was man in den entsprechenden Ländern als Politik kennt und billigt.

Wie wärs denn mal andersrum: Wenn Ihr beim Übergang zum Krieg erschreckt, wieso fragt Ihr Euch denn nicht mal rückwärts, was das für ein beschissener Frieden gewesen ist, in dem offenbar die Gründe für den Krieg entstanden sind. Wo kommen sie denn her, die Gründe, wenn nicht in den Phasen, in denen gerade kein Krieg stattfindet? Im Frieden herrschen all die Interessensgegensätze, werden all die Absichten versucht durchzusetzen, sich andere Staaten gefügig zu machen als diplomatische, ökonomische usw. Erpressungsmanöver statt, die dann irgendwann in den offenen Aus­tausch von Gewalttätigkeiten münden. Und es ist ja nicht nur so, daß diese Kriege quasi naturgesetzmäßig immer wieder einfach so passieren: Wann setzen sich denn Staaten instand einen Krieg zu führen? Mitten im Frieden natürlich! Rüstungspolitik ist doch normaler Bestandteil der Politik, die Kriegsvorbereitung ist dauernde Normalität im Frieden, damit man dann, wenn es darauf ankommt, besser schiessen kann als der Gegner.

Es ist einfach falsch zu behaupten, Krieg und Frieden wären Riesengegensätze, das eine würde sich nicht mit dem anderen vertragen. Nein, ein genauerer Blick zeigt doch: Im Frieden wird der Krieg vorbereitet und im Frieden reifen die Gründe für den nächsten Krieg heran! Und nicht nur so herum gibt es einen Zusammenhang von Krieg und Frieden: Jeder Krieg wird geführt, um einen besseren, nützlicheren, vorteilhafteren Frieden herbeizuführen, als der alte gewesen ist – natürlich für den, der ihn will und gewinnt. Aber jeder Krieg wird um des Friendens willen geführt! Bush und Blair wollen auch Frieden! Sie wollen eben einen neuen, ihren Frieden im Nahen und Mittleren Osten herbeiführen. Und bei solchen Absichtsbekundungen sollte man sich besser nicht groß mit der zynischen Wortverdrehung aufhalten (also gemäß des Orwellschen Neusprechs, Krieg = Frieden) sondern man sollte ein Urteil fällen: Ist es nicht tatsächlich so, daß jeder Frieden Resultat des letzten Kriegs ist? Und ist nicht der Frieden überhaupt nichts anderes als das Kräfteverhältnis, das der letzte Krieg herbeigeführt hat? Und hält er nicht gerademal so lang, wie Sieger und Besiegte bereit sind, das im letzten Krieg ermittelte und besiegelte Kräfteverhältnis untereinander gelten zu lassen?

Anstatt also laut nach Frieden zu rufen, wäre festzuhalten, wie das Verhältnis von Krieg und Frieden eigentlich beschaffen ist, was für ein komischer Frieden das ist, der gestern noch war und an dem Ihr anscheinend hängt: Frieden führt zum Krieg und Krieg führt zum Frieden, und Frieden ist nichts anderes als ein Kriegsergebis, beruht also auf Gewalt, und er gilt bloß so lange, wie die Gewalt der Siegermacht von ihren Widersachern in anderen Staaten respektiert wird oder der Frieden für den Sieger nicht mehr nützlich ist.
 

B.   "Krieg ist kein Mittel der Politik" bzw. "Krieg darf kein (normales) Mittel der Politik sein!"

Es ist schon merkwürdig. Die USA machen gerade deutlich wie sehr Krieg Mittel der Politik ist, und zwar nicht irgendeines, sondern das entscheidende und ultimative, und auch nicht nur in den Fällen, wo man angegriffen wird und der Feind die Grenzen überschreitet, sondern immer dann wenn man meint, man hat die Macht eine andere Macht, die einen stört, zur Unterordnung zu zwingen. Das wäre ein Anlaß, sich diesen Sachverhalt theoretisch zu erklären und einen Rückschluß auf die Zwecke der Politik zu machen. Nein, Ihr haltet schlicht dagegen, Krieg solle oder dürfe Eurer Meinung nach kein Mittel der Politik sein. An dieser Stelle bemerkt man, daß Ihr Euch nicht nur täuscht – nach dem Muster: ich dachte, die Politik sei friedlich, aber nun muss ich merken, sie ist es nicht – sondern daß Eure Täuschung Programm ist. Obwohl Ihr doch auch merkt, wie sehr Krieg Mittel der Politik ist –  Ihr sagt ja gerade, er sollte es nicht sein – haltet Ihr an Eurer Privatmeinung dazu fest, Ihr bräuchtet sowas Gewalttätiges nicht. Was ist das für eine Kundgabe? An wen ist sie gerichtet? Wem soll sie was sagen? Als Sachaussage („Kieg ist kein Mittel der Politik“) ist der Satz schlicht falsch und als Sollen-Aussage ist sie alles andere als eine Kritik.. Kritik verlangt, daß man die zu kritisierende Sache kennt, daß man ihre Notwendigkeiten darlegt und dann, wenn man sie mißbilligt, ihr deshalb begründet eine Absage erteilt. Wenn es nun einmal so ist, daß Krieg notwendig zur Politik dazu gehört, dann einfach zu vertreten, Krieg darf kein Mittel der Politik sein, ist absurd. Das gehört in die Rubrik Wunschdenken, und Wunschdenken ist kindisch. Man wünscht sich das Schlechte fort, um das Gute zu behalten: Die Sonne soll scheinen und regnen soll es nicht. Ist das eine Kritik am Wetter? Natürlich nicht, es ist nicht mehr als ein frommer Wunsch. Einer Politik, die nichts anderes ist als Gewalt, den Maßstab vorzuhalten, sie solle gewaltlos sein geht geht total an der Sache vorbei! Politik haben zu wollen, Außenpolitik dazu, die Existenz von Staaten zu begrüßen bzw. zu billigen, und dann aber den Krieg als nicht-dazugehörig abzulehnen – das paßt nicht zusammen. Ihr solltet Euch stattdessen klarmachen, gegen was und wieviel Euer frommer Wunsch – Politik könnte doch auch ohne Krieg auskommen – steht. Politik ist ohne Krieg eben nicht zu haben.

C.


contradictio - 2006