Liebe Friedensbewegung!
Ich
fange mal so an: Eine Kriegsgegnerschaft ist doch eigentlich ganz
einfach zu haben. Bei Kriegen wird von der Politik das mutwillige,
massenhafte und rücksichtslose Töten von Menschen auf die
Tagesordnung gesetzt. Das finde ich nicht gut, dagegen bin ich.
Fertig. Damit wäre es doch im Prinzip schon rum. Bereits an dieser
Stelle verstehe ich nicht, warum Ihr es Euch so kompliziert macht!
Anstatt einfach mal dogmatisch pazifistisch zu sein, anstatt von
diesen immer wieder einmal stattfindenden Schlächtereien einen
Rückschluß auf die Inhalte und Zwecke der Politik zu ziehen,
haltet Ihr das Ideal einer Politik hoch, die doch eigentlich gut
sein müßte und verteidigt sie gegen ihre angeblichen Auswüchse,
macht Euren Pazifismus von lauter Bedingungen abhängig, indem Ihr
die vorgebrachten Kriegsbegründungen erst daraufhin untersucht, ob
Ihr sie billigen könnt oder - in dem vorliegenden Fall - moralisch
ablehnen müsst, lasst Euch also tatsächlich auf die elendige
Debatte eines gerechten Krieges ein, seht Euch - ausgerechnet - von
"Argumenten" der Kriegstreiber herausgefordert und bemüht
Euch, sie zu "widerlegen", und am Ende präsentieren
einige von Euch auch noch alternative Pläne zum Weltordnen, die
irgendwie etwas harmloser klingen als Krieg.
Ich möchte im
folgenden aufzeigen, daß es überhaupt nicht egal ist, welche
Einwände man gegen den Krieg vorbringt. Ich werde versuchen zu
zeigen, wie unzureichend es ist, angesichts eines Kriegs nach
Frieden zu rufen, ja, in welch' bedenkliche geistige Nähe man sich
zu den Kriegsbefürwortern begibt, wenn man die Parolen vertritt,
die von Euch massenhaft zu hören und zu lesen sind, weil man sich
damit auf das Terrain ihrer Logik begibt. Und weil Ihr Euch da,
einerseits zum Glück, nicht auskennt, lasst Ihr Euch, andererseits,
immer wieder auf's Glatteis führen... Diejenigen, die sich nicht
hinter die von mir zitierten Stellungnahmen stellen können, sind
natürlich stets von einer Kritik ausge-nommen.
A.
"Nein zum Krieg, ja zum Frieden!", "Stoppt den Krieg,
Frieden jetzt!" usw.
Euren massenhaften Aufmärschen
ist ein gewisses Erschrecken zu entnehmen. Es ist ein Erschrecken über
eine Barbarei, die lange angekündigt wurde und nun umgsetzt wird,
und, die offensichtlich zu dieser modernen Gesellschaft dazu gehört
und Teil des Geschäfts der Politik eines Teils der westlichen
Regierungen ist. Dieses Erschrecken verrät etwas: Wer erst
angesichts eines Krieges den gewalttätigen Charakter dieser
Regierungen bemerkt, der hat offenbar die gewöhnliche Gewalttätikkeit
ihrer ganz normalen politischen Tätigkeiten nicht zur Kenntnis
genommen. Sowas wie Krieg habt Ihr ihnen deshalb eigentlich so recht
nicht zugetraut, es passt irgendwie nicht zu Eurem Bild des
„ziviliserten“ Westens. Das ist nicht schlimm, das Erschrecken
ist an sich kein Fehler. Es wäre der passende Anlass, einmal darüber
nachzudenken, warum Kriege anscheinend doch immer wieder zu unserer
Gesellschaft gehören und warum in diesem Fall die Führungen der
USA und Großbritannien diesen Krieg gegen den Irak unbedingt
wollen. Wer aber diesen Übergang nicht macht, oder nicht bereit ist
ihn zu machen, und stattdessen nach „Frieden!“ ruft, wer also
nicht nur einen simplen Irrtum eingesteht (weil Politik und Krieg
eben doch nicht zwei Paar Schuhe sind), um ihn auszuräumen, sondern
dazu aufruft, bei den gewohnten Praktiken des Friedens, der Außenpolitik
zu bleiben, der hält das Gefühl des Mißverhältnisses – das paßt
doch nicht zu unserem Laden, so wie ich ihn kenne – als Urteil über
die Verhältnisse fest. Aber Ihr werdet doch gerade darauf
hingewiesen, daß Ihr Euch offenbar täuscht mit Eurer guten
Meinung! Gerade jetzt, wo eine Gelegenheit wäre, das Nichtwissen um
die Gründe des Krieges zu beseitigen, trennt ihr absichtlich und
bewußt den Krieg von dem Geschäft, was man in den entsprechenden Ländern
als Politik kennt und billigt.
Wie wärs
denn mal andersrum: Wenn Ihr beim Übergang zum Krieg erschreckt,
wieso fragt Ihr Euch denn nicht mal rückwärts, was das für ein
beschissener Frieden gewesen ist, in dem offenbar die Gründe für
den Krieg entstanden sind. Wo kommen sie denn her, die Gründe, wenn
nicht in den Phasen, in denen gerade kein Krieg stattfindet? Im Frieden
herrschen all die Interessensgegensätze, werden all die Absichten
versucht durchzusetzen, sich andere Staaten gefügig zu machen als
diplomatische, ökonomische usw. Erpressungsmanöver statt, die
dann irgendwann in den offenen Austausch von Gewalttätigkeiten münden.
Und es ist ja nicht nur so, daß diese Kriege quasi
naturgesetzmäßig
immer wieder einfach so passieren: Wann setzen sich denn Staaten
instand einen Krieg zu führen? Mitten im Frieden natürlich!
Rüstungspolitik ist doch normaler Bestandteil der Politik,
die Kriegsvorbereitung ist dauernde Normalität im Frieden,
damit man dann, wenn es darauf ankommt, besser schiessen kann als
der Gegner.
Es
ist einfach falsch zu behaupten, Krieg und Frieden wären
Riesengegensätze, das eine würde sich nicht mit dem anderen
vertragen. Nein, ein genauerer Blick zeigt doch: Im Frieden wird der
Krieg vorbereitet und im Frieden reifen die Gründe für den nächsten
Krieg heran! Und nicht nur so herum gibt es einen Zusammenhang von
Krieg und Frieden: Jeder Krieg wird geführt, um einen besseren, nützlicheren,
vorteilhafteren Frieden herbeizuführen, als der alte gewesen ist
– natürlich für den, der ihn will und gewinnt. Aber jeder Krieg
wird um des Friendens willen geführt! Bush und Blair wollen auch
Frieden! Sie wollen eben einen neuen, ihren Frieden im Nahen und
Mittleren Osten herbeiführen. Und bei solchen Absichtsbekundungen
sollte man sich besser nicht groß mit der zynischen Wortverdrehung
aufhalten (also gemäß des Orwellschen Neusprechs, Krieg = Frieden)
sondern man sollte ein Urteil fällen: Ist es nicht tatsächlich so,
daß jeder Frieden Resultat des letzten Kriegs ist? Und ist nicht
der Frieden überhaupt nichts anderes als das Kräfteverhältnis,
das der letzte Krieg herbeigeführt hat? Und hält er nicht
gerademal so lang, wie Sieger und Besiegte bereit sind, das im
letzten Krieg ermittelte und besiegelte Kräfteverhältnis
untereinander gelten zu lassen?
Anstatt
also laut nach Frieden zu rufen, wäre festzuhalten, wie das Verhältnis
von Krieg und Frieden eigentlich beschaffen ist, was für ein
komischer Frieden das ist, der gestern noch war und an dem Ihr
anscheinend hängt: Frieden führt zum Krieg und Krieg führt zum
Frieden, und Frieden ist nichts anderes als ein Kriegsergebis,
beruht also auf Gewalt, und er gilt bloß so lange, wie die Gewalt
der Siegermacht von ihren Widersachern in anderen Staaten
respektiert wird oder der Frieden für den Sieger nicht mehr nützlich
ist.
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B.
"Krieg ist kein Mittel der Politik" bzw. "Krieg darf
kein (normales) Mittel der Politik sein!"
Es
ist schon merkwürdig. Die USA machen gerade deutlich wie sehr Krieg
Mittel der Politik ist, und zwar nicht irgendeines, sondern das
entscheidende und ultimative, und auch nicht nur in den Fällen, wo
man angegriffen wird und der Feind die Grenzen überschreitet,
sondern immer dann wenn man meint, man hat die Macht eine andere
Macht, die einen stört, zur Unterordnung zu zwingen. Das wäre ein
Anlaß, sich diesen Sachverhalt theoretisch zu erklären und einen Rückschluß
auf die Zwecke der Politik zu machen. Nein, Ihr haltet schlicht
dagegen, Krieg solle oder dürfe Eurer Meinung nach kein Mittel der
Politik sein. An dieser Stelle bemerkt man, daß Ihr Euch nicht nur
täuscht – nach dem Muster: ich dachte, die Politik sei friedlich,
aber nun muss ich merken, sie ist es nicht – sondern daß Eure Täuschung
Programm ist. Obwohl Ihr doch auch merkt, wie sehr Krieg
Mittel der Politik ist –
Ihr sagt ja gerade, er sollte es nicht sein – haltet
Ihr an Eurer Privatmeinung dazu fest, Ihr bräuchtet sowas
Gewalttätiges nicht. Was ist das für eine Kundgabe? An wen ist sie
gerichtet? Wem soll sie was sagen? Als Sachaussage („Kieg ist kein
Mittel der Politik“) ist der Satz schlicht falsch und als
Sollen-Aussage ist sie alles andere als eine Kritik.. Kritik
verlangt, daß man die zu kritisierende Sache kennt, daß man
ihre Notwendigkeiten darlegt und dann, wenn man sie mißbilligt, ihr
deshalb begründet eine Absage erteilt. Wenn es nun einmal so
ist, daß Krieg notwendig zur Politik dazu gehört, dann einfach zu
vertreten, Krieg darf kein Mittel der Politik sein, ist absurd. Das
gehört in die Rubrik Wunschdenken, und Wunschdenken ist kindisch.
Man wünscht sich das Schlechte fort, um das Gute zu behalten: Die
Sonne soll scheinen und regnen soll es nicht. Ist das eine Kritik am
Wetter? Natürlich nicht, es ist nicht mehr als ein frommer Wunsch.
Einer Politik, die nichts anderes ist als Gewalt, den Maßstab
vorzuhalten, sie solle gewaltlos sein geht geht total an der Sache
vorbei! Politik haben zu wollen, Außenpolitik dazu, die Existenz
von Staaten zu begrüßen bzw. zu billigen, und dann aber den Krieg
als nicht-dazugehörig abzulehnen – das paßt nicht zusammen. Ihr
solltet Euch stattdessen klarmachen, gegen was und wieviel Euer
frommer Wunsch – Politik könnte doch auch ohne Krieg auskommen
– steht. Politik ist ohne Krieg eben nicht zu haben. |