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Sind Pflichten vernünftig?

Diese Frage wird von Ethiklehrern entrüstet abgelehnt. Sie fragen nicht, ob es vernünftige Gründe für Moral und Sittlichkeit gibt, sondern welche das sein könnten. So mancher Vertreter dieses Fachs meint sogar, Vernunft und Moral seien sowieso dasselbe. Dabei ist es andererseits kein Geheimnis, daß Pflicht – das, was man soll oder muß, – offenbar nicht dasselbe ist wie das, was man von sich aus will. Nur deshalb gibt es ja das Problem, Pflichten erst noch begründen zu müssen; genau deshalb aber klappt das immer nicht.

Pflichten gegen sich selbst

– sind die schönsten. Sie sind immerhin begründbar, weil der Nutznießer der pflichtmäßigen Handlung zugleich der Täter ist: die sogenannte Pflicht also zugleich sein Interesse.

Nur: Was hat das Wort „Pflicht“ noch für eine Bedeutung, wenn das, was einer soll, sowieso dasselbe ist, wie das, was er zweckmäßiger-weise will? Die ganze Problemstellung ist konstruiert: Ethiker wollen merkwürdige Gestalten kennen, die für einen „kurzfristigen Genuß“ ihren „langfristigen Vorteil opfern. Denen wollen sie beweisen, daß es bisweilen besser ist zu verzichten. Wer aber für einen größeren späteren einen aktuellen kleineren Vorteil aufgibt, verzichtet gar nicht. Er inverstiert gewissermaßen! Eine solche Abwägung von Vorteilen kann man getrost jedem einzelnen überlassen: Mit Pflichtenlehren hilft man da jedenfalls nicht weiter, eher schon mit Zweckmäßigkeits-Erwägungen.

Pflichten gegen die Mitmenschen

Profitiert nicht der Täter selbst vom pflichtmäßigen Handeln, so doch sicher ein anderer. Um den Mitbürger – christlich: den Nächsten – soll man sich kümmern. Der hat etwas von meinem Verzicht. Aber was, bitteschön? Einen Vorteil natürlich! Warum aber sollte sein Vorteil höherwertig sein als der meine?

Und wenn es so wäre, müßte das Gleiche nicht auch für ihn gelten? Dürfte der liebe Nächste meine Wohltat einsacken, ohne selbst den Vorwurf des Egoismus zu verdienen? Wäre es nicht seine Pflicht, mir – seinem Nächsten – gleiche Wohltaten zu erweisen? Und wenn er es täte? Dann hätte gerade so gut beim Alten bleiben und sich beide Parteien um ihren Kram kümmern können. Wer hat denn etwas davon, daß jeder gegen jeden bei den Vorteilen auf dem höflichen „Nach Ihnen!“ besteht – und auf diese Weise keiner durch die Tür kommt? Das soll ein vernünftiges Prinzip des zwischenmenschlichen Verkehrs sein?

Feindliche Interessen gibt's - kein Problem für Moralapostel

Auch die von Jesus bis Immanuel Kant gegebene einhellige Antwort hilft nicht weiter: „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie Dich selbst“, heißt die alte, „Was du nicht willst, daß man dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu!“ heißt die negativ formulierte, neue Fassung der Antwort, und beide wollen besagen, daß dir der Vorteil des anderen nicht mehr und nicht weniger wichtig als dein eigener sein sollte, sondern eben genau so wichtig.

Wenn mein Interesse, das des geschätzten Nächsten nicht bestreitet, brauche ich mich um die Koexistenz beider nicht extra zu kümmern; das andere Interesse braucht mit gar nicht wichtig zu sein. Wenn meines das andere aber bestreitet, dann kann ich mich nicht auch um dieses anderen Interesse kümmern; denn seine Niederlage ist mein Interesse. Wie sollte ich das andere Interesse auch gelten lassen, wenn doch beide nicht zugleich erfolgreich sein können? Nochmal: Können beide Interessen befriedigt werden, dann existiert das Problem nicht; können sie nicht, dann hilft der ‚kategorische Imperativ’, das Grundgebot der Moral auch nicht weiter – man kann es nicht befolgen. Einer von beiden Interessenten muß unterliegen, weil/wenn der andere sich durchsetzt.

Frieden durch zurückstecken

Das Angebot, das die Ethik den Interessensgegnern zu machen hat, ist sehr eigenartig: Wenn sie beide auf das verzichten, was sie ursprüng-lich wollten (z.B. der Vermieter die Mieterhöhung, der Mieter die alte niedrige Miete) und sich irgendwie einig werden (egal wie diese Mitte herausgefunden wird und wo sie dann liegt!), dann kriegen beide etwas: Natürlich nicht, was sie wollten, sondern Frieden miteinander, Streitvermeidung.

Dieses Angebot ist absurd: Die beiden haben doch nur deshalb gestritten, weil sie auf ihren feindlichen Interessen bestanden hatten. Sie könnten ihren Streit vermeiden, wenn sie die Interessen aufgäben; gewiß. Nur: wenn sie dieses Anliegen gehabt hätten, wäre es ja nie zum Streit gekommen. Daß beim Kompromiß beide Interessen wenig-stens teilweise zum Zuge kommen, ist eine optimistische Halbwahrheit. Mit demselben Recht könnte man das Gegenteil behaupten: der Mieter wird so um die bezahlbare Miete, der Vermieter um die Rendite seiner Vermögensanlage gebracht.

Menschlich, Allzumenschlich - der Kapitalismus

Daß die Interessen der Menschen in unserer Geldwirtschaft einander feindlich entgegengesetzt sind, auf dieses Faktum bezieht sich die ethische Fragestellung immerzu. Zugleich ist ihr eben dieses Faktum gar kein Problem: Daß einer nur reich werden kann, wenn er einen anderen (oder viele) arm macht, arm hält und ausnutzt, das erscheint den Fans der Ethik nicht als Zeichen einer unvernünftigen und für viele schädlichen Gesellschaftsordnung, sondern als Herausforderung an die in ihr handelnden Charaktere. Der Aufruf zum Kompromiß unterstellt die Gegensätze der Interessen und erklärt es zu einer Frage der persönlichen Stellung zu den eigenen, gesellschaftlich vorgegebenen Interessen, ob es zum Streit und Gegensatz kommt. Gewinne, Mieten, Schulnoten „müssen sein“; dafür sind Ökonomie, Pädagogik und andere Wissenschaften zuständig, nicht die Ethik. Sie kümmert sich nur um die Lüge, daß die feindliche Stellung der Menschen gegeneinander auf Basis dieser Gegensätze rein in die Verantwortung ihres persönlichen Anstands fällt.

Deshalb wissen die Morallehrer einen neuen, falschen Grund für die Feindseligkeiten: Von Gewinn, Mieten etc. haben sie keine Ahnung, aber Profitgier, Wuchermieten, überzogene Ansprüche geißeln sie gerne. Unerklärlich, wie all die guten Sachen, bloß weil ein Mensch sie ganz besonders arg will, ins Böse umschlagen. Aber soviel ist klar: Schuld an allem Schlechten ist der Mensch, dessen Interessen nicht nach ihrem besonderen Inhalt kritisiert, sondern ganz grundsätzlich als Egoismus verteufelt werden.

Fazit
Es ist unvernünftig, Pflichten einzusehen und ihnen zu gehorchen, denn die Ethik ist nichts als:

 eine falsche Erklärung der Feindseligkeiten in der modernen Welt;

 sie ersetzt die bestimmte Kritik der ökonomische Interessen durch den Appell zur pauschalen Selbstkritik der Interessenten;

 sie propagiert eine gute Meinung von der Konkurrenzgesellschaft durch eine schlechte Meinung vom egoistischen Menschen.

(c) Verein zur Förderung des studentischen Pressewesens


contradictio - 2006