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Argumente zur Aussenhandelstheorie
 


Glorienschein eines erfolgreichen Imperialismus

Wenn man das, was in Presse, Funk und Fernsehen den Aussenhandel betreffend vermeldet wird, kurz Revue passieren lässt, ergibt sich folgendes Bild: es wird von Seiten der beteiligten Staaten gedroht, es werden Auflagen gemacht, es wird boykottiert und ,zäh gerungen': das wechselseitige welt-weite Kaufen und Verkaufen, Kreditieren und Schuldenmachen, Kapital im- und exportieren sind Angelegenheiten harter Gegensätze zwischen staatlichen Gewaltapparaten, den höchsten Gewalten also, die bekanntermaßen noch ganz anderes zu bieten haben als diplomatische Ermahnungen bei der Entscheidung der Frage, wer welches Geschäft macht, wer wie viel international gültigen Reichtum auf sich zu ziehen in der Lage ist.

Das Weltbild: Die Theorie der komparativen Kosten

Ökonomen sehen das so:

Es leuchtet unmittelbar ein, dass die Wirtschaftssubjekte zweier zunächst autarker Länder in ihrer Gesamtheit dann durch die Aufnahme internationalen Handels einen Realeinkommenszuwachs erzielen können, wenn jedes Land sich auf die Erzeugung derjenigen Güter konzentriert, die es mit absolut geringerem Einsatz an Produktionsmitteln erzeugen kann als das andere Land ... Im Regelfall werden beide Länder aus dem internationalen Handel Vorteile ziehen.“ (I,411)

Warum soll man sich eigentlich, wenn vom Aussenhandel die Rede ist, erst einmal einen Zustand vorstellen, in dem keiner betrieben wird: ,zunächst autarke Länder'? Damit, so die Antwort des Ökonomen, ,unmittelbar einleuchtet', dass die Aufnahme des Handels von Vorteil ist. Wenn es nämlich keinen gäbe, wären auch seine Resultate nicht vorhanden: die Waren aus aller Welt, die die einheimischen Märkte bevölkern. Also, so der falsche Schluss, geht es beim Außenhandel um die Bereitstellung von Gütern, und zwar von mehr als man selbst herzustellen in der Lage wäre. Ökonomen tun so, als müssten sie den Aussenhandel erfinden, und gerade dieses Denkverfahren erlaubt es ihnen, den Außenhandel sogleich mit dem Kompliment zu kennzeichnen, dass schon sein bloßes Stattfinden gleichbedeutend mit einem Vorteil wäre.

Denn was anderes als der Wille des Ökonomen, dies so sehen zu wollen, spricht eigentlich für die Behauptung, dass es beim internationalen Handel darum geht, dass ‚jedes Land sich auf die Erzeugung derjenigen Güter konzentriert, die es mit absolut geringerem Einsatz an Produktionsmitteln erzeugen kann als das andere Land’? Mit anderen Worten: dass es sich um eine weltweite Teilung der anfallenden Arbeit handelt? Nichts! Gerade dort, wo Geschäftsleute jeden Erdenwinkel samt darauf hausenden armen wie reichen Leuten als Geschäftsmittel kalkulieren und dieser Kalkulation unterwerfen; wo Staaten ihren Anspruch auf Vermehrung des Reichtums in ihrer Währung anderen Staaten als vertragliche Rechtsgarantie aufzwingen; wo die erfolgreichen Nationen darüber aneinander geraten, Bündnisse schmieden, die Gestaltung des Waren- und Kapitalverkehrs als vormilitärisches Erpressungs-mittel handhaben – ausgerechnet da sieht der Ökonom im Prinzip nur eitel Harmonie am Wirken.

Es ist nicht ungeschickt und ein erster Hinweis darauf, wie man eine solch schöne Vorstellung wasserdicht gegen das eigene Wissen über die unharmonische Realität des Weltmarkts macht, eine Formulierung wie ‚im Regelfall’ einzubauen. Es handelt sich nämlich insofern um ein Allheilmittel gegen sämtliche Argumente, denen am Außenhandel zumindest auffällt, dass sich auf der einen Seite der Staatenwelt die Reichtümer häufen und auf der anderen Seite die Schuldenberge, als man einfach darauf verweisen kann, dass der Vorteil halt die ,Regel', unschöne Seiten eben die ,Ausnahme' seien.

Die Ökonomenzunft (sinngemäße einleitende Zitate finden sich in allen einschlägigen Werken) hat sich also entschieden, den internationalen Handel als Ausfluss weltweiter Arbeitsteilung zu sehen. Von diesem, und nur von diesem, Standpunkt ergibt sich folgendes Problem:

„Nicht ganz so einfach zu beantworten ist die Frage, ob der internationale Handel auch dann Einkommensvorteile mit sich bringt, wenn die in beiden Ländern produzierten Güter substitutiv verwendbar sind oder wenn in dem einen Land alle relevanten Güter mit geringerem Faktoreinsatz erzeugt werden können als in dem anderen.“ (I, 411)

Tja, wie kommt man da wieder raus? Erst hat man behauptet, dass Außenhandel insofern ein Vorteil sei als jedes Land etwas besser herstellen kann als ein anderes, und jetzt so etwas. Eins ist klar: es muss eine Lösung geben, denn schließlich gibt es ja auch zwischen solchen Ländern Aussen-handel. Wenn man sich partout vorstellen will, dass der Verkauf europäischen Stahls gegen Dollars nur ein Ausdruck der Tatsache sei, dass die internationale Arbeit-Vernünftig-Einteilbehörde mit Sitz in Toronto (Kanada) befunden hat, es sei am günstigsten, denselben in Europa herzustellen, dafür täten sich die Amerikaner mit Weizenanbau leichter, dann, wird man schon eine Hilfsgröße finden, die den Handel ermöglicht, auch wenn sowohl Stahl als auch Weizen in den USA besser wachsen als in Europa. Ermöglicht im Hirn des Ökonomen wohlgemerkt. Und in der Tat:

„Die Aussage der Theorie der komparativen Kosten lässt sich an dem folgenden Beispiel darlegen: in den Vereinigten Staaten (US) und im Vereinigten Königreich (UK) stehen pro Periode je 100 Arbeitseinheiten (AE) zur Verfügung, mit denen alternativ die folgenden Gütereinheiten (GE) erzeugt werden können:

Gut US UK
Weizen (GE) 24 10
Leinen  (GE) 18 16

Die US haben einen absoluten Kostenvorteil in der Erzeugung beider Güter, jedoch einen vergleichsweise größeren, einen komparativen Vorteil in der Weizenproduktion, das UK einen geringeren Kostennachteil und damit einen komparativen Vorteil in der Leinenerzeugung...

Werden aus Grund der gegebenen Nachfragestruktur im Autarkie-zustand die verfügbaren Mengen wie folgt verwandt,

Gut US

UK

Gesamtproduktion

  GE AE GE AE GE
Weizen 16 66 2/3 5 50 21
Leinen 6 33 1/3 8 50 14

so ermöglicht eine Spezialisierung der Produktion in jedem der beiden Länder auf das Gut, für das ein komparativer Vorteil gegeben ist, eine Vergrößerung der Gesamterzeugung beider Güter. Entsprechend können im Regelfall in beiden Ländern die Gebrauchsmengen erhöht werden, z.B. in dieser Weise:

Gut US

UK

Gesamt

  Produktion Verbrauch Produktion Verbrauch  
Weizen    24    18   - 6 21
Leinen   -     7   16 9 14

Der ganze Trick an der Argumentation ist die Einführung einer hier wie dort beschränkten Arbeitsmenge, denn ansonsten würden die Amis je 100 Arbeitseinheiten für Weizen und Leinen einsetzen und die UKs würden dumm aus der Wäsche schauen, ganz wie der Ökonom, weil dann kein Außenhandel zustande käme, er aber doch zustande kommen muss, weil schließlich gibt es ihn doch. Man mag gar nicht an die nach Millionen zählenden Arbeitslosen in den USA und anderswo erinnern, denn der Ökonom hatte bei der Erfindung seiner Zahlen weder tatsächlich angewandte Arbeit noch sonst etwas existierendes vor seinem geistigen Auge, sondern das Ziel, nachzuweisen, dass seine Fiktion ohne weiteres, in Zahlen nämlich denkbar sei. Mit der Wahl der passenden Zahlen kann er die Antwort auf die nur zu diesem Zweck selbst-gestellte Frage geben: Jawohl, Handel ist als internationale Arbeitsteilung auch denkbar zwischen Staaten, bei denen einer alle Vorteile im Ausgangspunkt auf seiner Seite hat.

Damit ist das Weltbild der Außenhandelstheorie fertig. Zu dessen Erstellung hat es der Aussenhandelstheoretiker für günstig befunden, den stattfindenden Außenhandel und die Zwecke seiner Macher und Mitmacher ganz beiseite zu lassen. Nicht sie hat er gefragt, warum sie den Weltmarkt veranstalten, sondern sich; und sich hat er gleich nach einem denkbar guten Grund für die Veranstaltung namens Weltmarkt gefragt. Ohne dass die weltweit agierenden Kapitale und ihre nationalen Schutzmächte in seiner „Ableitung“ überhaupt vorgekommen wären, hat er ihr Geld- und Gewaltgeschäft mit einigen überaus positiven Attributen belegt. Im Vergleich zur Vorstellung nationaler Selbst-versorgung hat er das pure Stattfinden internationalen Ökonomischen Verkehrs prinzipiell zu einem ‚Gebot der Vernunft’ zur wechselseitigen Förderung ernannt. Durch seinen Vergleichsmaßstab, nämlich besagte Idee der Selbst-versorgung, hat er die weltweite Zirkulation von Geschäftsartikeln und Geld zu einer Quelle der Versorgung mit Nützlichem und Angenehmem verklärt. Und durch seine methodische Kopfgeburt des Welthandels aus der Idee eines in jedem Falle gegebenen wechselseitigen Vorteils hat er sich das Volksschul-märchen gespart, der Welthandel sei dazu da, dass Fritzchen in der Pause seine Banane futtern kann, obgleich der Inhalt seines akademischen Gedankens sich von dieser moralischen Mär kein Jota unterscheidet.

Der Fortgang der Aussenhandelstheorie der VWL ist damit schon vorge-zeichnet. Sie schreibt sich fort, indem sie alle möglichen Phänomene des wirklichen Weltmarkts zur Differenzierung und damit Bekräftigung ihres Denkge-bäudes heranzieht. Sie subsumiert die Realität unter ihr wohlmeinendes Modell - und akkomodiert damit ihren Idealismus an die Realität, die sie beim Zusammenstellen ihres Weltbilds lieber außen vor gelassen hat.

 

Vergleiche der seltsamsten Art

„Die Theorie der komparativen Kosten stellt nach wie vor die Grundlage der reinen (von jeder Kenntnis der Verhältnisse ungetrübten, Anm. d. Verf.) Theorie des internationalen Handels dar, doch sind ihre theoreti-schen Voraussetzungen den neueren Erkenntnissen der allgemeinen Wirtschaftstheorie angepasst worden. An die Stelle der relativen Arbeitsmengen als Bestimmungsgrößen der Kosten- (und Preis)-relationen der Güter setzte G. Haberler (1933) mit den opportunity costs eine moderne Kostenformel. Die opportunity costs oder Substitutionskosten werden bei einem nach Menge und Zusammen-setzung gegebenen Bestand der Produktionsfaktoren und bei gegebenem Stand der Erzeugungstechnik ausgedrückt durch diejenige Menge x eines Gutes a, auf deren Produktion ver-zichtet werden muss, damit eine Einheit (strengge-nommen eine infinitesimale Menge) des Gutes b zusätzlich erzeugt werden kann.“  (I, 413/414)

Es ist zwar noch keinem Ökonomen gelungen nachzuweisen, wie aus der schlichten Verausgabung von Arbeit zur Herstellung einer Sache Preise und Kosten folgen, aber darum ist es auch nie gegangen. War doch vielmehr die Absicht zu beteuern, dass die Preisbestimmung der Waren, also der Ausschluss der Produzenten von dem Produzierten mittels Geld, bloßer Ausdruck einer sinnvollen Aufteilung der vorhandenen Arbeitsmengen auf die jeweils günstigste Herstellung von Produkten sei. Immerhin war bei dieser Idee noch ein Anklang daran vorhanden, dass Arbeit tatsächlich das gemeinsame Dritte bei dem durch das Geld stattfindenden praktischen Vergleich der Waren ist. Die moderne Fassung, das Preisverhältnis zweier Waren zurückzuführen auf: was die Ware a kostet, ergibt sich aus der Menge der Ware b, die man nicht produzieren kann, wenn man die Ware a produziert, ist ein völliger Unsinn: was Kaugummis kosten ergibt sich daraus, wie viel Unterhosen man stattdessen nicht produzieren kann! Mal abgesehen davon, dass es kaum möglich erscheint, mit einem Webstuhl Kaugummis zu stricken, wie viel kosten denn die so hergestellten Kaugummis? 5 Unterhosen? Oder was?!

Wie dem auch sei, ankommen soll es gerade darauf, dass jetzt, ‚den neueren Erkenntnissen der allgemeinen Wirtschaftstheorie’ angepasst, rein methodisch versichert wird, dass Geldverhält-nisse, also Verhältnisse, in denen es auf die Vermehrung des Reichtums in seiner abstrakten Form ankommt, haargenau dasselbe sind wie harmlose Arbeitseinteilungsverhältnisse.
 


Vom Gedankenexperiment zum Belegmaterial

„Die Größe des möglichen Handelsgewinns lässt sich aus den getroffenen Annahmen ermitteln, wenn beide Länder ausschließlich jene Güter produzieren, bei denen sie einen komparativen Kosten-vorteil haben, Ob dieser Handelsgewinn ausgeschöpft wird, hängt vor allem von der Nachfrage ab. Die Arbeitsteilung auf der Angebotsseite kann nur so weit gehen, wie die Nachfrage die Produktion aufnimmt.“ (lI,439)

Was soll das? Es sollte doch so sein, dass alles dort produziert wird, wo es am günstigsten geht, und dann dahin kommt, wo es gebraucht wird. Jetzt wird als Bedingung für den ,Handelsgewinn' eingeführt, dass es sehr darauf ankommt, ob das Zeug auch verkauft werden kann. Das heißt, dass das ganze Gerede von der sinnvollen Arbeitsteilung Unfug war: Entweder es geht darum, den Kram zu verkaufen, also in fremder Währung Geld zu machen, oder es geht um die Frage, wer was zum Nutzen aller Beteiligten am besten herstellen kann! Ökonomen sehen das nicht so: es soll sich bei der Nachfrage ja bloß um eine Erfüllungsbedingung der schönen Vorstellung allseitiger Harmonie handeln. Wenn es also auf der einen Seite zu Gewinn und auf der anderen zu Verlust kommt, weiß der Ökonom gleich Bescheid: sein Prinzip regiert die Welt. Die Existenz von Verlierern ist modellverträglich eingebaut: die Nachfrage hat eben nicht gereicht. So ist die Vorstellung einer harmonischen Weltproduktions-gemeinschaft souverän gegen jede Erinnerung daran, dass Schuldenberge auf der einen Seite und Exportüberschüsse auf der anderen doch wohl schlecht damit vereinbar sind. Und das ist auch schon der ganze Zweck der prätendierten Realitätsnähe! Das ganze Bemühen der Theoretiker geht dahin, den Nachweis zu führen, dass alle erdenklichen Phänomene ohne weiteres der eigenen Vorstellungswelt subsumierbar sind, also so gedacht werden können. So ist man dann eitel zufrieden!

Dass sich bloß keiner davonstiehlt..

„Komparative Kostenvorteile als notwendige Bedingung des internationalen Handels entstehen durch unterschiedliche Faktor-proportionen (relative Anteile der Faktoren bei der Produktion). Ein Land wird jenes Gut exportieren (importieren), bei dessen Produktion der relativ reichlich (knapp) vorhandene Faktor entsprechend seinen relativen Anteilen auch eingesetzt wird. Verfügt ein Land über relativ viel Boden und wenig Arbeitskräfte, wie Australien, wird es Produkte mit hoher Boden- und geringer Arbeitsintensität (z. B. Weizen) exportieren, im Gegensatz zu einem Land, in dem Boden (Arbeitskräfte) relativ knapp (reichlich) vorhanden ist (sind), wie Japan, das deshalb arbeitsintensive Produkte (z.B. Transistorradios) ausführt. Gilt das Gesetz abnehmender Grenzerträge, fallen (steigen) – sofern die Annahmen des Theorems der komparativen Kosten vorliegen - durch den internationalen Handel die Preise für die relativ knapp (reichlich) vorhandenen Faktoren. Mit anderen Worten: die Faktorpreise gleichen sich international tendenziell an.“ (IlI,590)

Was ist eigentlich, wenn die Annahmen des Theorems der komparativen Kosten nicht vorliegen? Abgesehen davon, soll der Ökonom doch einmal, ohne in den „Fischer Weltalmanach“ zu schauen, ableiten, was ein Land wie Burkina Faso exportiert und importiert. Als Hilfsmittel zur Beantwortung der Frage kann man ihm die km2 Landesfläche und die Bevölkerungszahl zur Hand geben. Was da wohl rauskommt? Nichts! Aber gut, lassen wir das. Das eigentlich Lustige an diesem Fortschritt der Außenhandelstheorie ist die Behauptung, dass mit zunehmendem Außenhandel sein Grund entfällt. Denn wenn sich die Faktorpreise international angleichen, werden ja gerade die Unterschiede zwischen den verschiedenen Faktorproportionen beseitigt und damit (siehe Satz 1 des Zitats) verschwindet die notwendige Bedingung des internationalen Handels. Dieser Blödsinn unterläuft dem Denker aus folgendem Grund: Er will betonen, dass, ganz gleich über welche Mittel ein Land im Ausgangspunkt des Handels verfügt, der Handel selbst dafür sorgt, dass sich die Unterschiede ausgleichen. Kein Land darf sich also, wenn es im Welthandel den kürzeren zieht, so der Ökonom, diesem entziehen, weil Nachteile nicht bleibend sein können. Hier wird also die Frage, Einbeziehung in den Welthandel ja oder nein, die praktisch durch Gewalt entschieden ist, in eine Frage der Vernunft übersetzt und damit der Zugriff der imperialistischen Staaten auf alle Weltgegenden als unmittelbarer Ausfluss des wohlverstandenen Interesses der diesem Zugriff unterliegenden Staaten gefasst. Wohlverstanden vom westlichen Ökonomen! Er malt ein Bild einer Konkurrenz ohne Verlierer: Verlieren ist der Grund fürs Weitermachen, bis die von ihm ausgemachte Tendenz wirkt: Die Mühlen des Welthandels mögen langsam mahlen, aber dafür umso gerechter!

Zölle - absurd, aber verständlich

„Schlussfolgerungen zur Beurteilung von Zöllen:

  • Zölle ermöglichen eine Inlandsproduktion, die im Hinblick auf günstigere Produktionsmöglichkeiten bei Freihandel nicht entstehen würde. Das bedeutet ceteris paribus eine Verschwendung knapper Ressourcen. Mit dem Schutzeffekt verschwinden die Vorteile internationaler Arbeitsteilung.
  • Durch Zölle wird Arbeitslosigkeit exportiert. Dem Ansteigen der inländischen Produktion steht eine sinkende Auslands-produktion gegenüber. Ein Land mit Unterbeschäftigung kann mit Zöllen ceteris paribus - d.h. vor allem, wenn sich das Ausland nicht wehrt - im Inland Vollbeschäftigung erreichen und eine ausländische Vollbeschäftigung in eine Unterbe-schäftigung überführen.
  • Die inländischen Verbraucher zahlen höhere Preise als bei Freihandel. Ein Zoll begünstigt bestimmte Anbieter, sich monopolähnlich verhalten zu können ... Unter den mittel-baren Wirkungen ist insbesondere der Einfluss der Zölle auf den Wettbewerb gravierend."  (IlI, 593)

Plötzlich tritt ganz überraschend der maßgebliche Organisator des ganzen Außenhandels auf: der Staat. Bloß wie!? Er stört den ganzen Zirkus, den der Ökonom sich erdacht hat. Eines seiner Mittel, den Außenhandel zu organisieren, der Zoll, wird vom Theoretiker zum systemwidrigen Element der Aussenhandelstheorie erklärt.

Er ist eben Spezialist dafür, die Ökonomie in lauter wohltätigen Wirkungen derselben aufgehen zu lassen und konsequenterweise alle Wohltaten der Ökonomie zuzuschreiben. In zielstrebigem Fachidiotentum hat er den Staat erst einmal beiseite gelassen, als wäre nicht mit dem Namen Aussenhandel schon gesagt, dass hier kein ökonomischer Vorgang ohne Betreuung und Aufsicht von mindestens zwei politischen Gewalten mit verschiedenen nationalen Interessen passiert.

Aber andererseits ist diese Blindheit gegen das politische Wesen des Außenhandels kein Versehen. Ihr liegt der Entschluss zugrunde, auch und gerade in Sachen Weltmarkt die Ökonomie von der Gewalt zu trennen, die in der Praxis das Lebenselixier des Geschäfts ist, und diese als äußere, rein technische Bedingung für den Wohlfahrtmechanismus Weltmarkt zu betrachten. Insofern kommt der Staat jederzeit als Verhinderer der Wohltaten in Betracht, die die Weltwirtschaft ihrer Modellnatur nach stiftet, indem er dieser unpassende Techniken der Geschäftsabwicklung auferlegt: und das ist ein sehr systemkonformer Gedanke der Aussenhandelstheorie, „erklärt“ sich doch so jede unerwünschte Wirkung der weltweiten Konkurrenz - im angeführten Beispiel die Arbeitslosigkeit - als Wirkung uneinsichtiger Politik, die völlig überflüssigerweise die universellen Segnungen des Weltmarkts verbaselt.

Damit steht die Grundlosigkeit aller kritikablen Phänomene weltweiter Ausbeutung und imperialistischer Gewalt ein für allemal fest. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass der Welthandelstheoretiker seiner Skepsis bezüglich der Sachgemäßheit staatlicher „Eingriffe“ eine gehörige Portion von Verständnis für alle Instrumentarien der Handelspolitik beigesellt. Etwa so:

„Es gibt eine Reihe von nichtökonomischen und ökonomischen Zollbegründungen ... Unter den ökonomisch begründeten Zöllen wird danach unterschieden, ob Zölle der Einnahmebeschaffung des Staates (Finanzzölle), als Instrument der Wirtschaftspolitik (Instrumentalzölle) oder dem Schutz der Produzenten (Schutz-zölle) dienen sollen. Die nichtökonomischen Zollargumente sind meist politischer Natur: ... man solle sich nicht ,dem Ausland überantworten'. Das ist der Kern des traditionellen Autarkie-gedankens. Es ist nicht zu bestreiten, dass eine internationale Arbeitsteilung ihren ,Preis' fordert. Er besteht in einer Verstärkung der gegenseitigen wirtschaftlichen Verflechtung. Ihre vollständige Ersetzung durch die Autarkie würde jedoch den Tod für zahlreiche Menschen in der Welt bedeuten. ..“ (III, 594)

Idealisten des internationalen Handels- und Kapitalverkehrs können auch beim Modelldenken nicht vergessen, dass sie Parteigänger einer Nation sind. Da dürfen auf einmal „Finanz-“, „Instrumental-“ und „Schutzzölle“ als „ökonomisch begründete Zölle“ gelten - aus welchem Grund denn wenn nicht aus dem, dass Staaten wie die BRD, die sich das gewaltmäßig leisten können, auf die angeführten Instrumente politischer Gestaltung des Geschäfts nicht verzichten wollen? Zugleich kommen dieselben Gestaltungsmethoden als bedenkliche „nichtökonomische Zollbegründungen“ in Betracht - für den Fall, dass man die nationale Begründung derartiger Maßnahmen nicht „einsehen“ will. Zum dritten fangen Theoretiker der internationalen Arbeitsteilung, in deren Modell jeder Nachteil sich zu einem Vorteil ausgleicht, plötzlich an, vom „Preis“ derselben zu reden - also von Nachteilen, die gefälligst in Kauf zu nehmen sind. Woran sie da nur denken. Aber auch für diesen im Weltwirtschaftsharmoniemodell undenkbaren Fall stellt dieses Modell schon den Konter gegen jede Erwägung bereit, den Erfolg der „Exportnation“ BRD zu behindern. Dieser Versuch wäre ein Schritt in Richtung „Autarkie“, und dann würden, wie man an der Theorie der komparativen Kosten gesehen hat, „viele Menschen in der Welt“ verhungern.

Die Theorie des internationalen Handels vollendet sich in der Ideologie des „Tags für Afrika“. Es mögen jetzt schon viele Menschen verhungern. Warum ist egal. Fest steht nur: An der Weltwirtschaft kann es nicht liegen. Also muss ökonomisch und politisch so weitergemacht werden und der brave Untertan spendet. Wobei die VWL mit dem „Beweis“, an der politischen Ökonomie des Welthandels könnte keiner verhungern, und wenn einer verhungert, dann ihrer Wohltätigkeit zum Trotz, ihr ideologisches Scherflein schon immer beigetragen hat.

Nachweis der Zitate

I)   Raff Funck, Außenwirtschaftstheorie, in: Kompendium
     der Volkswirtschaftslehre, 3. Auflage 1972
II)  Arthur Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 4. Auflage 1975
III) ders., Allgemeine Volkswirtschaftslehre; 7. Auflage
 


contradictio - 2006