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Suitbert Cechura: Ein ganz normaler Vorgang

Von • Nov. 2nd, 2024 • Kategorie: Allgemein

Ein ganz normaler Vorgang

Die Änderung des Medizinforschungsgesetzes im Interesse des Pharmakonzerns Eli Lilly dient dem Standort Deutschland

Von Suitbert Cechura

Eine Änderung des Gesetzentwurfs zum Medizinforschungsgesetz hat ein Rauschen in der Medienlandschaft ausgelöst. »Recherchen von WDR, NDR, Süddeutscher Zeitung (SZ) und dem Rechercheteam ›Investigate Europe‹ zeigen nun, was der Kanzler damit gemeint haben könnte. Interne Unterlagen aus dem Gesundheitsministerium erhärten den Verdacht, dass der Pharmariese die Ansiedlung in Rheinland-Pfalz an eine Gesetzesänderung geknüpft haben könnte.«¹

Der »Pharmariese« ist der US-Konzern Eli Lilly, der in Rheinland-Pfalz ein Werk mit 1.000 Arbeitsplätzen bauen will. Der Verdacht bezieht sich auf die Äußerung des Kanzlers beim Spatenstich für dieses »Leuchtturmprojekt«, dass der Bund alles tun werde, »um den Pharmastandort Deutschland noch weiter zu stärken«. Die Meldung legt nahe, dass der Staat von einer Pharmafirma erpresst worden ist und dieser Erpressung nachgegeben hat. Entsprechend lautet die Meldung auf tagesschau.de: »Geheimpreise bei Medikamenten« und wirft die Frage auf, ob eine Gesetzesänderung zugunsten des Pharmakonzerns Eli Lilly erfolgt sei, damit dieser das Werk in Rheinland-Pfalz baut. Dem schlossen sich gleich einige Medien an. Die SZ äußerte den Verdacht, dass die Regierung sich den Forderungen des Pharmaunternehmens gefügt habe, das seine Investition in Rheinland-Pfalz von der Gesetzesänderung abhängig gemacht habe (SZ, 12.10.2024).

Aber was ist an der Geschichte eigentlich skandalös?

Reichtum vermehren

Förderung des Pharmastandorts

Der Interessenausgleich

Die Reform

Es stellt sich da die Frage, ob es sich bei den neueren Enthüllungen nicht eher um erfindungsreichen statt um investigativen Journalismus handelt. Denn die offensichtlichen Absichten der Politik wollen diese Journalisten erst gar nicht zum Thema machen. Auch im Bereich der Medikamentenversorgung will Deutschland eben »kriegstüchtig« werden, d. h. hier oder in Europa sollen so umfänglich Arzneimittel und Medizinprodukte hergestellt werden, dass Deutschland und die EU nicht erpresst oder geschädigt werden, sondern sich gegen Konkurrenten in Stellung bringen können.

Dass China eventuell Medikamente als Druckmittel benutzen könnte, ist ja nicht von der Hand zu weisen; schließlich kreuzen Deutschlands Kriegsschiffe bereits vor der Küste Chinas, und dem Land ist die »Systemrivalität« offiziell angesagt.

Aber das ist für den deutschen Qualitätsjournalismus alles andere als ein Skandal.

https://www.jungewelt.de/artikel/486911.gesundheitspolitik-ein-ganz-normaler-vorgang.html

Suitbert Cechura schrieb an dieser Stelle zuletzt am 16. August 2024 über Karl Lauterbachs »Gesundes-Herz-Gesetz«:
https://www.jungewelt.de/artikel/481731.gesundheitspolitik-herumdoktern-am-system.html?sstr=


Aus: junge Welt – Ausgabe vom 31.10.2024 / Seite 12 / Thema: Gesundheitspolitik

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