Theo Wentzke: Enteignung für die Kriegskasse
Von webmaster • Sep. 26th, 2024 • Kategorie: AllgemeinEnteignung für die Kriegskasse
Nächste Runde im Wirtschaftskrieg: Der Westen macht die Russische Föderation mit ihrem ausländischen Staatsvermögen haftbar für die weitere militärische Ertüchtigung der Ukraine.
Von Theo Wentzke
Im April 2024 ist das amerikanische Kriegsziel der Entmachtung Russlands dann doch noch für eine einstweilige Einigung im US-internen Machtkampf zwischen Demokraten und Republikanern über die weitere militärische Unterstützung der Ukraine gut. Damit »Putin nicht durch Europa marschiert« (Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses), verabschieden Repräsentantenhaus und Senat im Rahmen eines Hilfspakets für Ukraine, Israel und Taiwan allein für die Ukraine weitere Militärhilfen im Umfang von 61 Milliarden US-Dollar.
Im Interesse dieser Kriegsfinanzierung schafft die US-Legislative zugleich ein neues Instrument: Sie ermächtigt im sogenannten REPO-Act (»Rebuilding Economic Prosperity and Opportunity for Ukrainians Act«) den Präsidenten dazu, in den USA angelegtes russisches Staatsvermögen für den Zweck des Wiederaufbaus und der Unterstützung der Ukraine zu enteignen. Diese Vollmacht bezieht sich vor allem auf die bereits blockierten amerikanischen Staatsanleihen in russischem Besitz im Wert von etwa fünf bis sechs Milliarden US-Dollar, schließt aber alle Arten von Staatsvermögen Russlands im amerikanischen Hoheitsbereich ein. Ob der Präsident von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und wie er eine mögliche Enteignung abwickelt, ob als direkte Konfiszierung der Papiere, als Flüssigmachen der Vermögenswerte oder als Verwendung der entsprechenden Vermögenstitel als Sicherheiten für Kredite für bzw. durch die Ukraine, das bleibt ihm selbst überlassen.
Mit diesem Fortschritt im Wirtschaftskrieg genehmigen sich die USA den Übergang von der Schädigung der Zahlungs- und Kreditfähigkeit Russlands durch Blockierung seines Staatsvermögens, das als Devisenreserve der Notenbank unter anderem in Staatsanleihen in den USA angelegt ist, hin zur Enteignung dieses Vermögens und seiner Aneignung durch den amerikanischen Staat zugunsten der langfristigen Unterstützung der ukrainischen Kriegspartei. Mit einem schlichten nationalen Gesetz setzen die USA im Verhältnis zu ihrem russischen Machtrivalen die internationale Unantastbarkeit fremden Staatseigentums – »Staatenimmunität« – außer Kraft.
Mit Devisenreserven garantiert die russische Zentralbank, wie jede andere, die Austauschbarkeit ihrer Währung gegen fremde und damit die internationale Verlässlichkeit russischer Schulden und Wertpapiere. Erst durch diese Garantie ist das Land im globalen Kapitalismus geschäftsfähig. Schon die Blockierung, mehr noch der endgültige Nichtrespekt vor seinem Staatseigentum, entzieht dem Land diese für den internationalen Kredit- und Geldverkehr unentbehrliche Fähigkeit.
Eigenes Recht
Kritik am REPO-Act
Neues Recht durchsetzen
EU ringt um Kontrolle
Ein trickreicher Mittelweg
Verbündete finden Lösung
Die Europäische Union und die USA mit ihren Verbündeten fassen also den gemeinsamen politischen Beschluss, der Ukraine »einen entscheidenden Betrag« in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar kurzfristig und in Gänze zur Verfügung zu stellen. Die Ukraine – darüber besteht Einigkeit – soll diese Summe nicht geschenkt, sondern ihrerseits in Form eines Kredits bekommen, für den sie erst einmal nicht geradestehen muss, was sie auch gar nicht könnte; in letzter Instanz und irgendwann vielleicht aber doch muss.
Beschafft werden sollen die ihr zugänglich gemachten Mittel auf dem internationalen Kapitalmarkt über Anleihen der G7- und EU-Staaten, also über Schulden, für deren Verzinsung und Tilgung die nach dem derzeit aktuellen Zinssatz jährlich zufließenden rund drei Milliarden Euro garantieren sollen: »Diese drei Milliarden jährlich sollen ›gehebelt‹ werden, anders gesagt: Die Staaten der G7 und der EU nehmen Kredite von zusammen 50 Milliarden Dollar auf und decken die Kosten über viele Jahre mit den Erträgen aus dem russischen Geld. Der Kredit soll Ende des Jahres bereitstehen.« (FAZ, 24.8.24) Eine perfekte Verwendung der »Erträge aus Herrn Putins Vermögen«, die so für die nötige Bonität dieser konzertierten Kreditaufnahme des Westens für die Ukraine auf dem internationalen Kapitalmarkt sorgen.
Im Kern beruht die Solidität dieses gefeierten neuartigen internationalen Kriegskredits – sowohl von seiten des Finanzgewerbes wie von seiten der führenden westlichen Imperialisten – auf der Spekulation auf einen eindeutigen Sieg über Russland; alternativ auf der endlosen Dauer des Krieges, also auf der langfristigen Unerschütterlichkeit des Willens der engagierten Westmächte zu ihm.
Theo Wentzke schrieb an dieser Stelle zuletzt in den Ausgaben vom 24. und 25. Juli über die Lage in Niger vor und nach dem Militärputsch: Staat ohne Macht und Problemfall der Weltherrschaft.
Mehr zum Thema Ukraine-Krieg im jüngst erschienenen Heft 3-24 der Zeitschrift Gegenstandpunkt und auf der Webseite gegenstandpunkt.com:
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/fuenfte-halbjahr-ukraine-krieges
Aus: junge Welt – Ausgabe vom 24.09.2024 / Seite 12 / Thema: Wirtschaftskrieg
https://www.jungewelt.de/artikel/484368.wirtschaftskrieg-enteignung-f%C3%BCr-die-kriegskasse.html