Björn Hendrig: Völkerrecht: Sittenregel für Gewalthaber
Von webmaster • Apr. 11th, 2024 • Kategorie: AllgemeinBjörn Hendrig: Völkerrecht: Sittenregel für Gewalthaber
Jeder Staat achtet das Völkerrecht. Er beruft sich sogar bei Kriegen darauf, weil er sich natürlich immer nur selbst verteidigt. Das ist schließlich erlaubt. Über ein sehr seltsames „Recht“.
Israel achtet selbstverständlich das Völkerrecht – sagt Israel. Seine Streitmacht überzieht den Gaza-Streifen zwar mit einem verheerenden Krieg. Männer, Frauen, Kinder, Patienten in Krankenhäusern und viele weitere Zivilisten werden getötet, Überlebende vertrieben, ihre Häuser zerstört.
Aber dies geschehe im Einklang mit dem Völkerrecht. Denn dies sieht das Recht eines jeden Staates auf Selbstverteidigung vor. Und das reklamiert Israel seit dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 für sich.
Dabei verstoße allerdings Israel gegen das Verbot des Völkermords im Rahmen des Völkerrechts – sagt Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen (UN) für die palästinensischen Gebiete:
„Die überwältigende Art und das Ausmaß des israelischen Angriffs auf Gaza und die zerstörerischen Lebensbedingungen, die er verursacht hat, offenbaren eine Absicht, die Palästinenser als Gruppe physisch zu vernichten.“
Waffenlieferungen und Völkerrecht: kein Widerspruch
Israel, USA, Russland, Deutschland: Alle sind im „Völker“-Recht
Gewaltverbot für Staaten? Alle unterschreiben es, aber keiner hält sich dran
Wer den „Weltfrieden“ stört, darf angegriffen werden
Kein Widerspruch: Staaten ächten und investieren in Gewalt
Ein kriegsträchtiger Zustand namens Weltfrieden
Wo Recht auf Recht trifft, entscheidet die Gewalt
Das Völkerrecht ist auf der Seite der „Guten“
Freibrief zum Zuschlagen: das „Recht auf Selbstverteidigung“
Börse der Diplomatie UNO: Wer ist für uns, wer ist gegen uns?
Es könnte so schön sein: Kriegsziel ohne Krieg erreichen
Das letzte Mittel bleibt die Gewalt
Als Sittenregel für das Benehmen von Staaten formuliert das Völkerrecht ein Ideal: Konflikte sind ohne Krieg zu klären, auch wenn sie noch so kriegsträchtig sein mögen. Und das ist kein Witz, sondern ernst gemeint.
Schließlich bedeutet Krieg für jeden Staat ein enormes Risiko. Selbst bei einem Sieg hat der Gewinner Schaden erlitten, sich verschuldet, Geld unproduktiv ausgegeben, und Teile seines Volks haben ihr Leben gelassen, fallen für weitere staatsdienliche Benutzung aus. Bei einer Niederlage fällt diese Bilanz entsprechend schlechter aus.
Da ist es doch umso erstrebenswerter, sich diese Kosten zu sparen – und ganz friedlich Widerstände unbotmäßiger Nationen gegen natürlich immer gerechtfertigte eigene staatliche Interessen zu überwinden. Die Legitimation liefert das Völkerrecht. Das letzte Mittel aber bleibt die Gewalt.
https://www.telepolis.de/features/Voelkerrecht-Sittenregel-fuer-Gewalthaber-9679706.html?seite=all
Ein Beispiel:
„Militärische und politische Unterstützung Israels ist für Bundesregierung „Einsatz für Völkerrecht““
https://www.nachdenkseiten.de/?p=113690
Der Artikel hat bislang zwei Kommentare, die ihm „recht geschehen“.
„AFreak“ schrieb:
“ Applaus, Applaus … und nun? Öhm … gibs Kuchen?“
und
„Sauseente“ (SE) schrieb:
„Ein guter Artikel sich dem Thema zu näheren. „Das Völkerrecht ignorieren – und es in Anschlag bringen, wenn es passt“. Treffender lässt es sich nicht ausdrücken. Gerade in Bezug zum Gaza Konflikt kann man sehen, wie das Völkerrecht auf vielfache Weise instrumentalisiert wird.“
Ich beginne mit SE.
SE begreift folgende Aussage Hendrigs nicht:
„Als Sittenregel für das Benehmen von Staaten formuliert das Völkerrecht ein Ideal“
Kein Wunder, die Aussage ist an und für sich unbegreiflich. Etwas ist entweder Sittenregel oder Ideal, unmöglich beides zugleich.
SE entscheidet sich darob für „Sitte“, abstrakt gesagt für „Thing“ gegenüber einem ideellen „NoThing“ und hält deren „Instrumentalisierung“ für das Beklagte, obgleich Hendrig an anderer Stelle deutlich genug umschreibt, er begreife „Völkerrecht“ „als“ Instrument.
Aber Hendrig sagt halt nicht wofür.
Umschreiben tut er das schon, der Leser begreift es gehe bei „Völkerrecht“ irgendwie um Staatenkonkurrenz, in der es gleichsam „nachgeordnete“ Instanz einer übergeordneten Instanz sein soll, nämlich Staatsinteressen, und dieses „Staatsinteresse“ sei wesentlich identisch mit „Interesse der USA“, nämlich „dank“ und kraft deren „überragender Macht“(Hendrig). Unausgesprochen reduziert SE den ganzen Inhalt der Hendrig’schen Aussagen auf folgenden Satz:
„Es kann schließlich nicht sein, dass die überragende Macht dieser Welt sich in ihrer Gewalt von einem ihr übergeordneten Gremium behindern lässt, lautet der Standpunkt Washingtons.“
Und der ist ein grauslicher antiamerikanischer SCHMARRN.
Warum?
Banal: es ist eine lupenreine Negativaussage über „Gewalt“ – ihr wird jeder Inhalt abgesprochen.
Es hilft nix, daß es einen Haufen handelnder Modelle in den politischen Klassen, der USA voran gibt, die genau so denken und entsprechend handeln – es ist eben drum ein Schmarrn, bestenfalls erklärt er rein gar nichts.
Wenn mein Leser nun weder Hendrigs Artikel noch meine Kritik für „rein ideologisch motiviert“ halten mag, liegt er richtig, aber die Erklärung der Sache, obwohl eigentlich simpel, sprengt den Rahmen dieses Kommentars. Deshalb nur die Simplizität:
Hendrig, gleich allen bürgerlichen Kommentatoren, weist „Völkerrecht“ eine Referenz zu, die es nicht hat, nicht haben kann: „Staatsmacht“.
Und das tut er, obgleich er „irgendwie“ vom GSP gelernt hat, daß sei falsch, weil „Völkerrecht“ eine übergeordnete Gewaltinstanz beruft, die es nicht gibt – jedenfalls nicht „realiter“ gibt: „Weltherrschaft“.
So folgt er der Verführung, ebenfalls gemäß GSP, für die „Weltherrschaft“, die es nicht geben kann (siehe weiter unten), das Ideal amerikanischer Hegemonie einzusetzen – genau so, wie es die Staatsagenten tun, nur eben „kritisch“.
Kommunisten hingegen, welche die „Kritik der politischen Ökonomie“ kennen, wissen, daß es jene übergeordnete Instanz gegenüber den Staatsmächten sehr wohl gibt, daß sie kein Ideal, sondern real ist: Es ist der Weltmarkt.
Aber „der Weltmarkt“ hat die Nicklichkeit, zugleich territorial und nicht-territorial zu sein, er ist territorial hinsichtlich der Produktionsfaktoren der Kapitale, aber a-territorial hinsichtlich des Produkts DES Kapitals: Weltgeld.
Und Weltgeld ist halt schon seit rund 50 Jahren nicht mehr identisch mit „Dollar“, sondern, abstrakt gegenüber der Denomination, dasselbe wie Staatskredit.
„Völkerrecht“ ist also ein (oder auch „das“) Ideal politischer Herrschaft DES Kapitals, aka „Weltmarkt“, doch was das historisch heißt, ist halt nur historisch aufzuklären, und war es immer.
Ein Einstieg dazu wäre die Atlantik-Charta, aus der sehr klar hervorgeht, daß die Deklaration des Völkerrechts ein Kriegsakt gewesen ist, nämlich eine Fortschreibung der Allianz gegen die Achsenmächte in alle Zukunft. Diese Form hat es bis heute behalten, siehe die „Anti-Putin-Koalition“, formell dasselbe, was die „Anti-Hitler-Koalition“ gewesen ist.
Und Gaza?
Nun, das ist ein separates Thema, zu dem ich hier nur hinwerfen will:
Im Gaza wird demonstriert, daß ein staatenloser Mensch ein Ungeziefer auf dem Weltmarkt ist!
Jedenfalls so lange, wie es keinen von der Staatenwelt unterhaltenen Zoo für ihn gibt, und folglich erst recht, wenn ein Zooinsasse aus demselben auszubrechen wagt.