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Norbert Wohlfahrt: Krieg gehört einfach dazu

Von • Apr. 4th, 2024 • Kategorie: Allgemein

Krieg gehört einfach dazu
Der Papst fordert Frieden für die Ukraine: Da muss der Unfehlbare kriegstheoretisch widerlegt werden

Von Norbert Wohlfahrt

Anfang März fordert der Papst Frieden für die Ukraine und stößt damit nicht nur bei den Obermoralisten der Nation, die mit dem Krieg in der Ukraine ihre politische Karriere befördern wollen, auf Widerspruch¹, die Forderung hält auch einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand.

Dieser Schluss drängt sich jedenfalls auf, wenn man sich Beiträge zum modernen Kriegsbegriff vergegenwärtigt und dabei mit dem unumstößlichen Dogma konfrontiert wird, dass der Krieg zum modernen Menschsein einfach dazugehört. Hat man sich inzwischen schon daran gewöhnt, dass das, was sich Wissenschaft nennt, in der Verbreitung moralischer Botschaften seinen Dienst an der Nation zu erfüllen versucht, so nehmen angesichts einer Zeitenwende die Versuche, die eigene geistige Verrohung zum Maßstab wissenschaftlichen Räsonierens zu erheben, signifikant zu.

Hierzu gehören an vorderster Front die kriegstheoretischen Einlassungen zur Unmöglichkeit des Friedens und zur Unabdingbarkeit des Krieges. Den will man nicht einfach postulieren, sondern mit Blick auf die verschiedenen Dimensionen seiner Entstehung begründen. Was dabei herauskommt, soll im Folgenden etwas genauer betrachtet werden.

Mängelwesen Mensch

Staaten kämpfen um Macht

Kampf um Ressourcen

Friedenswunsch gefährdet Sicherheit

Für Russland gelten einfach andere (kriegstheoretische) Maßstäbe. Russlands Krieg dient nicht der Aufrechterhaltung nationaler Souveränität, er sichert nicht die Freiheit russischer Bürgerinnen und Bürger, er dient nicht der Sicherheit der russischen staatlichen Identität und er ist auch nicht die Fortsetzung der russischen Politik mit anderen Mitteln. Da Russland als autokratischer Staat die Zugehörigkeit zur demokratischen Welt abgeht, ist die Sicherung der Freiheit keine Kategorie, an der seine Staatlichkeit gemessen werden kann.

US-amerikanische Hinterhöfe und Kriege sichern die Freiheit, Russlands Hinterhöfe und territoriale Ansprüche sichern die Unterwerfung. Und mit der Alternative Freiheit oder Totalitarismus wird schon ein (vorausschauender) Blick auf die Frage geworfen, wie denn mit einem Staat zu verfahren ist, der durch sein bloßes Dasein einen Gegensatz zu der Weltordnung darstellt, die universell zu gelten hat. Jens Stoltenberg, der NATO-Generalsekretär, wird da schon mal deutlich: »Wenn totalitäre Systeme sehen, dass sie erfolgreich sein können, werden wir alle noch einen weit höheren Preis zahlen« (FAZ, 2. 12. 2022).

Die Kriegstheorie liefert die Argumente, warum dieser Preis mit dem eigenen Leben noch gut bezahlt ist.

Der Papst und ihm freundlich gesinnte Menschen sollten sich also nichts vormachen: Ein Frieden mit Putin ist schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht realistisch, und ein Frieden nach Putin wird mit der derzeitigen russischen Staatlichkeit nicht zu machen sein. Die Kriegstheorie blickt schon über den Ukraine-Krieg hinaus.


Norbert Wohlfahrt schrieb an dieser Stelle zuletzt am 27. Februar über Resilienz und Kriegstüchtigkeit in der »wehrhaften Demokratie«:
https://www.jungewelt.de/artikel/470233.ertchtigungsliteratur-opfer-fr-das-vaterland.html?sstr=

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 03.04.2024 / Seite 12 / Thema: BELLIZISMUS

https://www.jungewelt.de/artikel/472598.bellizismus-krieg-gehrt-einfach-dazu.html

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