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Theo Wentzke: Terror als Methode

Von • März 14th, 2024 • Kategorie: Allgemein

Terror als Methode
Im Krieg gegen Israel. Was die Hamas mit der »Al-Aqsa-Flut« bezweckt

Von Theo Wentzke

Am 7. Oktober 2023 unternehmen mehrere hundert bis über eintausend Bewaffnete der Hamas, von dem militärisch durch Israel land- und seeseitig bewachten Gazastreifen aus, einen Ausfall, und greifen im israelischen Umland des Streifens fast über die gesamte Länge der Grenze Siedlungen sowie Militär- und Polizeistellungen an – zu Land, über das Meer und mit Gleitschirmen auch aus der Luft. Sie töten Soldaten und Zivilisten – insgesamt fast anderthalbtausend; vereinzelt dauern die Gefechte auf israelischem Gebiet über 72 Stunden an.

Im Zuge des Angriffs bringen sie etwa 250 Israelis, ebenfalls Soldaten und Zivilisten, lebend in ihre Gewalt und dann in den Gazastreifen zurück. Gleichzeitig beginnt die Hamas aus dem Innern des Gazastreifens, Israel mit Raketen zu beschießen. Von denen wird zwar die größte Zahl abgefangen, sie richten jedoch trotzdem Schäden an und veranlassen die israelische Regierung zur Evakuierung der von palästinensischem Raketenbeschuss am meisten bedrohten Gebiete.

Auf einen militärischen Sieg gegen Israel ist der Überfall nicht berechnet – mit ein paar Hundertschaften Bewaffneter und ein paar tausend Raketen ist ein Krieg gegen Israel, die stärkste Militärmacht der Region, nicht zu gewinnen; ein regulärer Krieg ist von einer Truppe wie der Hamas noch nicht einmal zu führen. Das und erst recht die Tatsache, mit welcher zielgerichteten Grausamkeit die Hamas-Leute über die Zivilisten herfielen, derer sie habhaft wurden, bestätigt allen, die es sowieso schon wissen, dass es sich bei dieser Truppe um Terroristen handelt.

Um Terror handelt es sich bei der Gewalt der Hamas auch ohne jede Frage. Aus Interesse falsch ist es aber, dieses Urteil damit zu verknüpfen, die Gewalt ihres politischen Gehalts zu entkleiden. Die gewollte Fassungs- und Begriffslosigkeit, die mit schlichtem menschlichem Entsetzen nicht zu verwechseln ist, lässt keinen Platz dafür, den Zusammenhang zwischen dieser Gewaltaktion und dem Inhalt und Stand des politischen Programms zu ermitteln.

Autonomer Staatsanspruch

Botschaft an Israel

Zum Widerstand ermuntern

Lohnende Opfer

Diese feinen Subjekte und ihre ehrenwerten außenpolitischen Vielflieger, die in allem amtsgemäßen Zynismus mit dem Elend eines Staatsvolkes ohne Staat, zu dem die Palästinenser durch die ansässigen Staatsgewalten und deren auswärtige Unterstützer verdammt sind, in letzter Zeit sehr gut leben konnten, sollen nun auf die einzige Weise, durch die einzige Sprache, die sie verstehen, beeindruckt und dahin gebracht werden, von ihrem Standpunkt aus, von dem aus der ganze Globus Sphäre, Gegenstand und Mittel ihrer Interessenverfolgung und Machtprojektion ist, jetzt auch wieder an Palästina nicht vorbeisehen zu können.

Dazu trägt die Hamas das ihre bei – soweit eben ihre Waffen, ihre darauf beruhende Kriegführung und ihre mutige Entschlossenheit zum Hinmetzeln und Hinmetzelnlassen reichen. Den anderen, viel größeren Part dafür, dass diese Berechnung aufgeht, soll auch in den Kalkulationen der Hamas Israel selbst übernehmen: Dessen Antwort, die schiere Dimension eines wirklichen von der regionalen Supermacht geführten Krieges braucht es schon, damit nicht nur irgendwie »die Weltöffentlichkeit«, sondern die Gemeinde der Weltmächte es spannend bis unumgänglich findet, sich der Sache anzunehmen.

Theo Wentzke schrieb an dieser Stelle am 18. Oktober 2023 über das israelische Besatzungsregime in der Westbank.

Mehr zu Thema Krieg in Nahost auf der Website der Zeitschrift Gegenstandpunkt:
https://de.gegenstandpunkt.com/dossier/israel-gaza-krieg

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 13.03.2024 / Seite 12 / Thema: Nahost

https://www.jungewelt.de/artikel/471314.nahost-terror-als-methode.html

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