Theo Wentzke: Streit ums Kind
Von webmaster • Sep. 16th, 2023 • Kategorie: AllgemeinStreit ums Kind
Deutschland rettet seine Zukunft. Die Ampel-Koalition, die Kinderarmut und der Staatshaushalt
Von Theo Wentzke
Kinder sind unsere Zukunft. Diesem Motto der derzeit so kontroversen Familienministerin Lisa Paus widerspricht kein Politiker von ganz links bis ganz rechts. Warum auch? Politiker sind darin geübt, sich per erster Person Plural innigst mit den Bürgern zusammenzuschließen, über die sie regieren. Sie finden nichts dabei, sich auch über die größten ökonomischen und politischen Gegensätze unter ihren Bürgern hinwegzusetzen und sie alle als das große Wir-Volk rhetorisch zu vereinnahmen, als das sie sie praktisch beanspruchen.
Warum sollten sie also vor unmündigen Kindern haltmachen? Vor denen, die sie gerne als die kleinen Träger des großen Potentials »unseres« großartigen Kollektivs veranschlagen? Gerade an den Kindern wird das nationale Wir beschworen – als quasifamiliäre Verantwortungsgemeinschaft, die sich über alle sonstigen Trennungen hinweg um ihren kollektiven Fortbestand als Volk kümmert, so als wären dessen Mitglieder miteinander wirklich über so etwas wie Blutsbande verbunden. Was gibt’s also bei der Einigkeit zu streiten – sogar unter Regierungspartnern?
Ein Problem der Teilhabe
Und die Gründe?
Lindner streicht
»Hilft da wirklich mehr Geld?«
Bloß nicht bei den Falschen
Woanders sparen
Es fügt sich alles so schön zusammen: Frauen bekommen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wenn man den gerechten Zwang – Lindner würde sagen: »finanziellen Anreiz« – stiftet, der Doppelbelastung von Familie und Beruf eine Chance zu geben. Das ist auch und gerade deswegen so schön, weil die Frauen dann – weniger »dem Arbeitsmarkt« als vielmehr – den Unternehmen zur Verfügung stehen, also deren Freiheit vergrößert wird, Arbeitskräfte zu finden, die zu ihren Gewinnrechnungen passen. Das alles dient der Gleichstellung und würde dem Finanzminister noch dazu bei seinen Drangsalen helfen.
»Unsere Zukunft« braucht vor allem einen kollektiven starken Mann an der Staatsspitze. Dass er sie überdauert, ist offenbar der größte Schaden am Volkskörper. Das ist jedenfalls für verärgerte Mahnungen von allen drei Koalitionspartnern und erst recht von einer aufgebrachten Öffentlichkeit gut: Bloß nicht schon wieder und immer weiter vor den Kindern streiten! Das ist schon wieder aufklärerisch: In der Demokratie besteht das erste Recht aller Bürger, alt und jung, in einer handelseinigen Regierung, die weiß, was sie will, und sich bei dessen Durchsetzung nicht selbst im Wege steht. Zumindest das ist der Koalition – zwar für den Geschmack der Öffentlichkeit zu spät und zu unglaubwürdig, aber – dann doch »vor Meseberg« gelungen.
Mehr zu diesem und zu weiteren Themen in Heft 3/23 der Zeitschrift Gegenstandpunkt. Bestellung unter:
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[Theo Wentzke schrieb an dieser Stelle zuletzt am 14. Juli 2023 über Springers Bild: Presse für die kleinen Leute.]
Aus: junge Welt – Ausgabe vom 15.09.2023 / Seite 12 / Thema: Der Staat und seine Bürger
https://www.jungewelt.de/artikel/459098.der-staat-und-seine-brger-streit-ums-kind.html