Georg Schuster: Wir und die Anderen im Jahr 2023
Von webmaster • Mai 21st, 2023 • Kategorie: AllgemeinGeorg Schuster: Wir und die Anderen im Jahr 2023
Europäische Asylrechtsreform, Fachkräfteeinwanderungsgesetz, Flüchtlingsgipfel, „Chancenkarte“ – Anlass zu einer Kritik der Dauerkontroversen über Zuwanderung und Asyl.
Erster Teil.
Der Bundeskanzler beschrieb auf der Koblenzer Mai-Kundgebung des DGB in seinem Hauptsatz-Deutsch, wie man sich die zeitgemäße „Willkommenskultur“ und die Zuwanderung ins nationale Arbeits- und Sozialleben in der nahen Zukunft vorstellen soll:
„In Deutschland wird es für viele, viele Jahre nicht das Problem geben, dass wir gegen Arbeitslosigkeit kämpfen müssen. […] Das, was uns in den letzten Jahren geholfen hat, die Freizügigkeit in der Europäischen Union, reicht nicht mehr für unsere große, leistungsfähige Volkswirtschaft. Deshalb ist es richtig, dass wir ein klares Konzept haben. Wir begrenzen die irreguläre Migration. Wir wollen, dass alles nach Regeln vor sich geht. Wir schützen diejenigen, die Schutz brauchen, weil sie vor Verfolgung fliehen. Aber gleichzeitig sorgen wir dafür, dass auf reguläre Weise diejenigen, die wir als Arbeitskräfte hier in Deutschland brauchen, auch eine Chance haben. Das machen wir mit unserem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz.“
Dazu ein paar ergänzende Nebensätze.
Wen „wir“ brauchen und wer „uns“ braucht
Zustimmung und Skepsis
„Triple Win“
Solche Missklänge lösen sich aber nach mehreren Seiten hin wieder auf. Denn der Hinweis auf die europäische Mitbeteiligung führt gar nicht zu einer näheren Kritik oder gar zu Gegnerschaft, sondern reiht sich ein in die Reihe der Rechtfertigungen für die Ankunft von Migranten, wirbt um Verständnis für ihre von andern verschuldete Not. Zweitens nimmt die Anklage „uns alle“ in die moralische Mitverantwortung, weil „wir“ an „einem nie dagewesenen Luxus“ teilhätten, von dem das versammelte Prekariat Europas ein Lied singen kann. Schließlich landet die Erwähnung der Fluchtursachen bei dem für sich widersprüchlichen Appell an die Staatenwelt, von der dem kritischen Bekunden nach viele davon doch ausgehen sollen, dieselben zugleich durch eine ‚echte‘ Klima-, Entwicklungs- und Friedenspolitik zu beseitigen. So viel Zutrauen in den vermeintlichen Auftrag und die entsprechende Lernfähigkeit der „westlichen Politik“ und der eigenen Herrschaft muss offenbar sein.
https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/wir-und-die-anderen-im-jahr-2023/
Georg Schuster: Die Anderen und wir
Europäische Asylrechtsreform, Fachkräfteeinwanderungsgesetz, Flüchtlingsgipfel, „Chancenkarte“ – Anlass zu einer Kritik der Dauerkontroversen über Zuwanderung und Asyl.
Zweiter und letzter Teil.
Die zahlreichen Einwände und Ratschläge gegen Fremdenfeindlichkeit, wie sie wohlmeinende und -tätige, parteiverbundene oder gewerkschaftliche Organisationen erstellen, verteidigen und entschuldigen Flucht und Armutsmigration bevorzugt mit dem Nachweis, dieselben seien wirtschaftlich und sozial nützlich bzw. unbedenklich, beruhten auf individuellem Unverschulden oder träfen auf unkorrekte Vorwürfe und Vorurteile. Hierzu eine bezeichnende Sammlung respektiver Zitate (Quellen hier, hier oder hier), die die xenophoben „Behauptungen“ mit „Tatsachen“ zurückweisen wollen:
„Faktencheck“
Moralische Rechtfertigungen
Was den Willkommensgegnern zu sagen wäre
Identisch im „Wir“
Diese Imagination von Arbeitsplätzen, Gebäuden, Sozialleistungen etc. als Besitzstände einer wesensgleichen Volksgemeinschaft namens „Wir“ ist das Identische, das die Skeptiker, die Gegner und die Freunde der Zuwanderung bei allen Unterschieden verbindet.
Die Freunde sind in ihrem humanen Anliegen und im zwischenmenschlichen Umgang sympathischer, in ihrer politischen Haltung vielleicht zugänglicher, die Gegner in dieser Hinsicht eher abstoßend und tendenziell übergriffig. Wo Letztere ideell Deutschland den Deutschen reservieren, ihre Gegenspieler ihre Heimat gesinnungsmäßig mit anderen teilen und die Dritten in jedem Fall einen nationalen Abstand gewahrt wissen wollen, liegen aber ideologische Lesarten der praktischen Verhältnisse vor, die dieselben auf verschiedene Weise überhöhen und affirmieren. Der staatlichen Inanspruchnahme der Bevölkerung innerhalb eines Hoheitsgebiets und dem Bezug auf die menschlichen Ressourcen anderer Souveräne – beides gegründet und bezogen auf Geschäft und Gewalt und deren Mehrung – entnehmen sie auf ihre Weise das besagte „Wir“, dem sie Wirtschaft und Staat verpflichtet sehen wollen. Kein Wunder, dass die Ausländerfreunde ihre Gegner politisch nicht kritisieren können und deren Feindschaft gegen „die anderen“ lieber auf ein gestörtes Seelenleben zurückführen.
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