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Björn Hendrig: Industriestrompreis: Wer rettet das Kapital?

Von • Apr. 6th, 2023 • Kategorie: Allgemein

Björn Hendrig: Industriestrompreis: Wer rettet das Kapital?

Die energieintensive Industrie in Deutschland klagt über enorm gestiegene Strompreise. Ganz marktwirtschaftlich liebäugelt sie mit der Produktion in billigeren Ländern. Doch es naht Hilfe von unerwarteter Seite.

Preisfrage – wer hat’s gesagt?

„Wir brauchen für die energieintensive Indus­trie einen Industriestrompreis, der es erlaubt, im globalen Wettbewerb zu bestehen.“

Wer dafür sorgen soll, ist klar:

„Die Politik muss ihrer Verantwortung für die Beschäftigten in der energieintensiven Industrie endlich gerecht werden. Es darf nicht so weit kommen, dass aufgrund hoher Stromkosten Anlagen geschlossen, Produktion ins Ausland verlagert und Deutschland so schrittweise deindustrialisiert wird.“

Noch konkreter:

„Wir wollen, dass hier bei uns künftig grüner Stahl und ebenso Aluminium klimafreundlich verarbeitet wird. Wir wollen, dass die dafür notwendigen Investitionen in Deutschland und speziell hier in Gelsenkirchen erfolgen und die Arbeitsplätze der Zukunft hierbleiben oder entstehen.“

Und, erraten? Ein kleiner Hinweis hilft möglicherweise: „Beschäftigte“ und „Arbeitsplätze“ kommen häufig vor, um die es irgendwie allgemein gehen soll. Gut, diese Begriffe nehmen viele gern in den Mund. Da unterscheiden sich Politiker, Unternehmer, Wirtschaftswissenschaftler und Gewerkschaften nicht.

Dann vielleicht noch etwas genauer lesen. Es wird der Standpunkt der Industrie eingenommen, so viel ist deutlich. Diese großen Betriebe sind offenbar einer Gefahr ausgesetzt. Sie besteht in zu hohen Strompreisen. Damit könnten sie im „globalen Wettbewerb“ nicht bestehen.

Was dann zur Folge hätte, dass sie das Weite suchen – also ihre Produktion in Länder verlagern, wo die Energiekosten nicht so hoch ausfallen. Und das darf nicht passieren, weil Deutschland die Industrie ja braucht, für „die Arbeitsplätze der Zukunft“.

Politiker, Unternehmer, Gewerkschafter in Sorge vereint

Die Preistreiber sitzen im eigenen Land

Aufs Benutztwerden angewiesen sein – so geht halt „Wirtschaft“

Den Firmen kostet ihre Belegschaft immer zu viel

Am Ende demonstrieren die Gewerkschaften gegen sich selbst

Eine neue Qualität stellt nun das gewerkschaftliche Engagement für niedrigere Industriestrompreise dar. IG Metall und Co. machen sich die Kostenprobleme der Unternehmen noch umfassender zueigen. Sie gehen auf die Straße, damit das deutsche Kapital gegenüber der ausländischen Konkurrenz – übrigens mitsamt den ausländischen Kollegen, aber das tangiert eine deutsche Gewerkschaft nicht – weiter überlegen bleibt.

Dafür soll der Staat sorgen, indem er den Preis subventioniert, also künstlich senkt. Dass er sich das Geld dafür auf dem Finanzmarkt leiht und damit die ehedem hohe Inflation, unter dem gerade die Arbeitnehmer leiden, noch mehr anschiebt, ist hier nicht von Interesse.

Man möchte sich gar nicht weiter ausmalen, für welche anderen Kostensenkungen die Gewerkschaften ihre Mitglieder demnächst noch antreten lassen. Zu teure Maschinen und Rohstoffe, zu aufwendige Transportwege und Transportmittel, zu hohe Steuern und Abgaben, zu strenge Umweltauflagen usw.

Stets ist der Hauptzweck der Wirtschaft gefährdet, Profit zu erzielen – pardon, Arbeitsplätze zu schaffen, muss es natürlich heißen. Da haben die Arbeitnehmervertreter noch eine Menge zu tun. Am Ende schicken sie ihre Mitglieder womöglich auf die Straße, um gegen sich selbst zu demonstrieren. Sie sind schließlich einfach zu teuer, oder?

https://www.telepolis.de/features/Industriestrompreis-Wer-rettet-das-Kapital-8521447.html?seite=all

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