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Björn Hendrig: Gute Zeiten für Wehrwillige

Von • März 7th, 2023 • Kategorie: Allgemein

Björn Hendrig: Gute Zeiten für Wehrwillige

Massive Aufrüstung gut und schön – aber wer soll denn die vielen Waffen abfeuern? Da kommen die Soldatenwerbung und die Wehrpflicht wieder ins Spiel. Offenbar gibt es zu wenige Freiwillige, die im staatlichen Auftrag töten wollen.

Seltsam, warum eine solche Stellenbeschreibung keine Bewerbungswelle auslöst:

„Wir sind ein Konzern mit rund 250.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Weltweit aktiv, in ganz Europa wie auch in Afrika und Asien. Wir erforschen und entwickeln in enger Zusammenarbeit mit führenden nationalen Herstellern modernste Technik. Ihre Anwendung erfordert ausgewiesene Spezialisten, die außerdem extrem stressresistent sind. Wir betreiben eine eigene Hochschule, bilden dort mit exklusiven Lehrkräften unseren akademischen Nachwuchs aus.

Unsere Sozialleistungen sind vorbildlich, und unser Zusammenhalt auch. Wollen nicht auch Sie Verantwortung übernehmen und weiterkommen? Dann bewerben Sie sich und stoßen zu einem der größten Arbeitgeber Deutschlands.“

Vielleicht liegt das daran, dass in der Beschreibung manches etwas ungenau ausgedrückt wird:

„Wir sind ein Konzern, der im Staatsauftrag Gewalt androht und anwendet. Und zwar überall dort, wo unser Auftraggeber seine Interessen bedroht sieht. Das kann auf anderen Kontinenten und Meeren sein, oder, wie in den 1990er-Jahren und gerade jetzt, auch in Europa.

Mit unseren Partnern aus der Rüstungsindustrie feilen wir an den todbringendsten Waffen der Welt. Wer sie gebraucht, muss natürlich über viele Fähigkeiten verfügen. Die Fachkraft muss wissen, wo die richtigen Knöpfe sind, kaltblütig handeln und auf Menschen schießen. Wenn sie ihren Job gut erledigt, bekommt sie einen Orden und rutscht einen Rang höher. Diskutiert wird nicht, sondern es werden Befehle befolgt.

Den nötigen ideologischen Rückhalt für eine Tat, die im normalen Leben Mord heißt, liefern unsere Führungskräfte, unterstützt von vielen Politikern, Geistesgrößen und Qualitätsmedien. Sollten Mitarbeiter bei der Arbeit selbst zu Tode kommen, was nicht ganz auszuschließen ist, sorgt der Arbeitgeber für die Hinterbliebenen und eine ehrenvolle Bestattung.“

Irgendwo zwischen diesen Beschreibungen pendelt wohl die Zielgruppe hin und her. Also junge Männer und vermehrt auch Frauen, die eine sichere und solide berufliche Perspektive suchen. Und die den Arbeitgeber Bundeswehr in dieser Hinsicht attraktiv finden könnten, jedoch nicht so die Sache mit Befehl und Gehorsam und den lebensgefährlichen Begleitumständen.

Zweifel am Auftrag dürften indes die wenigsten haben. Dass unser Deutschland eine konkurrenzfähige Streitmacht braucht, weil wir sonst wehrlos und damit erpressbar wären, ausgeliefert allen Despoten und sonstigen bösen Staaten, gilt als ausgemacht. Das hat der Nachwuchs schließlich ausgiebig in der Schule gelernt und wird ihm in den Medien tagtäglich mitgeteilt.

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Einen Bewerbungsschub für die Bundeswehr löst dies jedoch nicht aus. Die Mentalität der Deutschen ist noch nicht so weit. Einstweilen sorgt man sich sogar, in den Krieg zu sehr hineingezogen zu werden.

Doch das will ja Bundeskanzler Olaf Scholz unbedingt verhindern: Man werde nicht zur Kriegspartei, auch nicht durch die Lieferung der Leopard-Panzer. Gewiss, wenn man jemand die Waffe in die Hand drückt, damit er schießt, ist man an der Tat in keiner Weise beteiligt…

Es könnte also vielleicht noch eine Weile dauern, bis sich genügend Freiwillige melden und die Wehr- oder Dienstpflicht auf große Zustimmung stößt. Es könnte aber auch ganz schnell gehen: Wenn Deutschland ernst macht und selbst zu den Waffen greift, um Russland ein für allemal zu ruinieren.

https://www.telepolis.de/features/Gute-Zeiten-fuer-Wehrwillige-7534589.html?seite=all

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