Renate Dillmann: Arbeitsunfälle in Deutschland
Von webmaster • Nov. 11th, 2022 • Kategorie: AllgemeinRenate Dillmann: Arbeitsunfälle in Deutschland:
Mehr als ein Toter pro Tag
Am 17.10. dieses Jahres starb der bulgarische Arbeiter Refat S. unter bisher ungeklärten Umständen im Duisburger Stahlwerk von Thyssenkrupp. Er war 26 Jahre alt, es war sein zweiter Arbeitstag.
Refat S. wurde im Schlackebecken gefunden, die Polizei ermittelt noch.
In jeder Woche sterben durchschnittlich 10 Arbeiter auf Baustellen, in Stahlwerken, Chemiefabriken, Schlachthöfen. In der Regel sind es Männer. Oft Migranten, die unter besonders hohem Arbeitsdruck in besonders wenig gesicherten Bereichen arbeiten. Öffentlich interessiert das tägliche Sterben in der BRD nicht groß – jedenfalls deutlich weniger als der natürliche Tod einer uralten Monarchin.
Von Renate Dillmann.
In Duisburg hat es einige durchaus beachtliche Demonstrationen gegeben, in denen Aufklärung und besserer Arbeitsschutz gefordert wurden – davon war in den Blättern der „Funke-Mediengruppe“, die das Ruhrgebiet geistig betreuen, nicht sonderlich viel zu lesen.
In die überregionalen Nachrichten der Tagesschau oder des Heute-Journals bringt es ein solcher Protest natürlich erst recht nicht – kein Wunder, er greift ja nicht missliebige Potentaten in Russland, Iran oder China an…
Im Normalfall sind jedenfalls mehr als ein paar Zeilen in der Lokalpresse nicht zu erwarten: „Mann stirbt bei Arbeitsunfall in 30 Meter tiefem Versorgungstunnel“ (22.7.22 Berlin); „Tödlicher
Baustellen-Unfall: Arbeiter (47) von Betonbalken erschlagen (21.9.22 München) und so weiter. (…)
Unfallursache Kapitalismus
Staat muss Arbeitsschutz erzwingen
Das Dilemma der Beschäftigten
Fazit
Mit seiner Gesetzgebung zum Arbeitsschutz legt der moderne Sozialstaat die Bedingungen dafür fest, wie Benutzung und Verschleiß der Arbeitskräfte so vonstatten gehen, dass das Ganze gewissermaßen „nachhaltig“ passieren kann. Das schließt offenbar – siehe die Statistik der Gesetzlichen Unfallversicherung – nach wie vor eine erkleckliche Zahl an Arbeitsunfällen mit gesundheitlichen Folgen ein und auch ein paar hundert Tote pro Jahr.
Das ist auch kein Wunder, denn am Zweck der Arbeitsplätze in seiner Wirtschaft ändert ein solches Gesetz ja erklärtermaßen nichts: Mit der Arbeit der Leute soll Gewinn erwirtschaftet werden – und das bedeutet unter den Bedingungen der globalen Standortkonkurrenz nichts Gutes für die Beschäftigten. Die wiederum müssen sich angesichts des brutalen Unterbietungswettbewerbs, in dem sie „normal“ und erst recht als migrantische Wanderarbeiter stehen, auf alle Bedingungen einlassen und schauen, wie sie damit klarkommen. Für Refat S. ist das nicht aufgegangen.
Es ist schon ein ziemlich robustes Verhältnis zur fremden wie eigenen Gesundheit, wozu die marktwirtschaftliche Konkurrenz ihre Subjekte nötigt…
Lesetipp:
Dillmann,Renate/Schiffer-Nasserie, Arian: Der soziale Staat.
Über nützliche Armut und ihre Verwaltung. Ökonomische Grundlagen/Politische Maßnahmen/Historische Etappen. VSA-Verlag, Hamburg 2018 https://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/der-soziale-staat/