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Johannes Schillo: Linker Protest von rechts?

Von • Okt. 25th, 2022 • Kategorie: Allgemein

Johannes Schillo: Linker Protest von rechts?

 

„Unser Land zuerst!“ Mit solchen Parolen gelang es der AfD angeblich, die soziale Frage zu „kapern“ und sich als antimilitaristische Kraft zu profilieren. Dabei ist nicht der Krieg ihr Problem, sondern sein geringer Ertrag. Ein Kommentar.

Seit Anfang des Jahres kursiert wieder eine „Erkenntnis“, mit der

Extremismus- und Totalitarismustheoretiker seit ewigen Zeiten aufwarten – dass sich nämlich die Extreme links und rechts berührten. Ja, dass sie nicht nur übereinstimmten, sondern auch übereinkämen, ihr radikales Untergraben von „liberaler Demokratie“

und „offener Gesellschaft“ als Gemeinschaftswerk zu betreiben.

 

So konstruieren aufmerksame Zeitgenossen unter Anleitung von Innenministerium und Verfassungsschutz eine Linie vom letzten coronaren Querdenkertum hin zu einer neuen Querfront gegen Krieg und Kriegskosten. Und die Vision einer antikapitalistischen „Revolution von rechts“ wird wieder ausgegraben – ein politische Schimäre, wie bereits der Sozialwissenschaftler Norbert Wohlfahrt im Telepolis-Interview darlegte.

 

Erstaunlich auch: Die soziale Frage, die jahrzehntelang im „rheinischen Kapitalismus“ und in der bundesdeutschen Errungenschaft einer „sozialen Marktwirtschaft“ verschwunden war, ist wieder da, wieder hier. Doch sie klingelt nicht an Deiner Tür, liebe Linkspartei, sondern bei den rechten Gegenspielern, wobei die ja sowieso mit Putin im Bunde sein sollen, auf dessen Konto auch nach weit verbreiteter Auffassung die soziale Spaltung und Verarmung im Lande gehen.

 

Ein Novum: Parteien nutzen Unzufriedenheit!

„Deutsche Arbeit und preußischer Staat“

Nationale Sittlichkeit

 

Veiglhuber fasst zusammen: „Moral, Sittlichkeit und Bescheidenheit statt eines guten Lebens für alle. Höcke legt ein völkisch-nationalistisches Wertetableau vor, in dem die Lohnabhängigen unter Hintanstellung der eigenen materiellen Interessen als Dienstkräfte von Volk und Vaterland fungieren sollen, eine nahezu klassische faschistische Perspektive.“

In diesem Resümee darf man allerdings das Wörtchen „nahezu“ nicht überlesen. Natürlich ist in Höckes Äußerungen allenthalben eine gewisse Nähe zur Nazivergangenheit zu erkennen – zur Deutschen Arbeitsfront, zur Idee einer organischen Marktwirtschaft, zum Winterhilfswerk, zur Verteufelung der „globalen Geldeliten“ (Höcke) und zur Anklage vielfältiger Dekadenzerscheinungen.

Aber damit ist die Sache nicht erledigt. Eine Nähe besteht genauso zur Verteidigung unserer – über alle Kritik erhabenen – Idee einer sozialen Marktwirtschaft, wie sie in den demokratischen Parteien anzutreffen ist; und wo nur noch der Einwand zugelassen ist, dass sich die wirtschaftliche Praxis nicht ganz auf der Höhe dieser hehren Idee bewegt, was auch bei Demokraten durchaus mit der Schuldzuweisung an auswärtige Kräfte verbunden werden kann, die den Anstrengungen deutscher Politiker zuwiderlaufen.

Veiglhuber kommt immer wieder auf solche Übereinstimmungen zu sprechen und thematisiert auch den strukturellen Zusammenhang. So hält er bei Gelegenheit fest, dass die Äußerungen des Scharfmachers Höcke gar nicht apart rechts sind, sondern schlichtweg deutsche „Staatsideologie“.

Bedient haben sich die rechten Alternativdeutschen also wohl eher bei den regierenden „Altparteien“, die sie sonst verteufeln! Populismus eben, wie er im Buche steht.

 

https://www.heise.de/tp/features/Linker-Protest-von-rechts-7318135.html?seite=all

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