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Suitbert Cechura: Heißer Herbst oder nationale Einheitsfront?

Von • Okt. 23rd, 2022 • Kategorie: Allgemein

Suitbert Cechura: Heißer Herbst oder nationale Einheitsfront?

 

Deutschland überrascht mit einer neuen Protestkultur: „Wir“ stehen gemeinsam füreinander ein, „die da oben“ sollen auch ihren Beitrag leisten.

Unisono wird den Bürgern von allen Seiten erklärt, wie sehr ihnen die Preissteigerungen in Zukunft das Leben schwer machen. Ganz so, als ob sie das nicht bereits jeden Tag an den Kassen der Supermärkte und Tankstellen oder in den Mitteilungen der Vermieter wie Energieanbieter präsentiert bekommen würden.

Medien und Politiker ergehen sich in Warnungen vor einem heißen Herbst, während die verschiedensten Organisationen zu Aktionen und Demonstrationen aufrufen und zum Protest mobilisieren.

Fragt sich nur, gegen wen die Aktionen sich eigentlich richten sollen und wovor da gewarnt wird.

 

„Unser Land zuerst!“

„Solidarisch durch die Krise“

Der Staat lässt sich (nicht) bitten

Also ein kurzes, trostloses Fazit: Die meisten Forderungen derer, die zu Aktionen aufrufen, sind bereits erfüllt, bevor die Akteure überhaupt antreten. Und die Adressaten können sich dafür bedanken, dass ihnen ihre eigenen Forderungen als Echo aus dem Volksgemurmel wieder entgegenschallen.

Zudem geht es der Mehrheit der Aktiven, die sich auf Plätzen, Straßen oder Unterschriftenlisten einfinden, ganz besonders um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der muss gewährleistet sein – die Heimatfront braucht Geschlossenheit, 1914 firmierte das als Bekenntnis zum „Burgfrieden“ –, Zwist und Hader dürfen die Nation nicht spalten.

Der Protest läuft also darauf hinaus, dass alles so bleibt, wie es ist, und sich von Hinz und Kunz aushalten lässt:

„Ob es im Winter gelingt, unsere Gesellschaft vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren und gleichzeitig die klimapolitischen Weichen zu stellen – das hängt entscheidend davon ab, wie viel Solidarität die Ampel einzufordern bereit ist.

Aufruf „Solidarischer Herbst

 

Bei so viel Einigkeit in der Sache ist ein heißer Herbst und damit eine Spaltung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die vielfach befürchtet wird, kaum zu erwarten.

 

https://www.heise.de/tp/features/Heisser-Herbst-oder-nationale-Einheitsfront-7317017.html?seite=all

One Response »

  1. Suitbert Cechura: Tarifabschluss der IG BCE: Dauerhafte Lohnsenkung vereinbart!

    In Deutschland stehen alle solidarisch zusammen. Aber Arbeitskämpfe dürfen nicht sein – wo kämen wir sonst hin mit unserer freiheitlichen Wirtschaft?

    „Mission erfüllt“ titelt die IG BCE zum Ergebnis der aktuellen Tarifverhandlungen und rechnet auch gleich ihr Ergebnis mit Blick auf die unteren Lohngruppen schön: bis zu 15,6 Prozent gibt es mehr! Groß nachrechnen will in dieser Situation offenbar niemand, die Medien übernehmen unkritisch diese Meldungen, die FAZ z.B. bringt die zweistellige Zahl gleich in der Überschrift ihres Berichts.

    Passend dazu ihr Kommentar, der voll des Lobes ist: „Sozialpartner, die es richtig machen“ (FAZ, 19.10.22). Erinnert wird daran, dass die Tarifparteien der Chemieindustrie sowieso nicht „durch Krawall und Arbeitskämpfe“ auffallen, aber der neue Abschluss liefere jetzt geradezu „Lehrmaterial darüber, wie gute Sozialpartnerschaft funktioniert“.

    Schauen wir also mal genauer hin, welche Lehren man diesem Abschluss entnehmen kann.

    Die Tarifrunde – die Gewerkschaft kämpft

    Das Ergebnis – die Gewerkschaft gibt Frieden

    Weil auch Sonderzahlungen für Unternehmen Kosten sind, so die Logik der Gewerkschaft, kann sie selbst natürlich keinen weiteren Forderungen stellen und einen Ausgleich für die ständig steigenden Preisen verlangen. Entsprechend mickrig fallen daher die dauerhaften Lohnfestlegungen aus. Sind schon in diesem Jahr die Löhne nicht „tabellenwirksam“, wie die Gewerkschaft es nennt, erhöht worden, obgleich die Preise um ca. 10% gestiegen sind, so erhalten die Beschäftigten auch im nächsten Jahr bloß 3,25% mehr, obgleich eine Inflationsrate von 7-8% vorhergesagt wird.

    Und selbst wenn die Inflationsrate sinkt, sinken nicht die Preise, sondern sie steigen etwas weniger. Und das wird auch allen Prognosen zufolge 2024 der Fall sein, für dieses Jahr ist also ebenfalls eine weitere Lohnsenkung fest vereinbart. So ist es kein Geheimnis, dass sich bei aller gewerkschaftlichen Rechnerei die Schere zwischen Löhnen und Preisen weiter öffnen wird, somit die Verarmung der Beschäftigten der Chemie- und Pharmaindustrie ein Posten ist, mit dem Wirtschaftsführer fest kalkulieren können.

    Kein Wunder, dass dieser Abschluss in einer Öffentlichkeit, die den Dienstkräften der Nation solidarische Verzichtsbereitschaft in (Vor-)Kriegszeiten predigt, als vorbildlich für andere Branchen gefeiert wird! Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatten die Gewerkschaften ihren „Burgfrieden“ mit der Nation geschlossen und zur Kriegsbereitschaft beigetragen, sie wissen eben, was ihre patriotische Pflicht ist, die regelmäßig auf Kosten ihrer Mitglieder geht.

    https://overton-magazin.de/top-story/tarifabschluss-der-ig-bce-dauerhafte-lohnsenkung-vereinbart/