Renate Dillmann: Unser Lieblings-Russe ist tot
Von webmaster • Sep. 7th, 2022 • Kategorie: AllgemeinRenate Dillmann: Unser Lieblings-Russe ist tot
Friedensengel, Visionär, Ausnahmepolitiker, Wegbereiter der deutschen Einheit und des freien Europa, guter Mensch, Friedensnobelpreis, guter Staatsmann, Mut, Integrität … die Gorbatschow-Nachrufe der hiesigen Presse überschlagen sich geradezu – im Unterschied zu denen im Heimatland des Toten.
Zwar sind Russen im Allgemeinen gerade wieder so verhasst, dass das freie Europa sie nicht mehr reinlassen will. Aber auf „Gorbi“, unseren Ausnahme- und Lieblings-Russen, lassen wir offenbar nichts kommen.
Denn dieser Mann hat es geschafft, den Eisernen Vorhang beiseite zu schieben und die Mauer („the wall“) einzureißen. Er hat den bis dahin in der Sowjetunion geknechteten Nationen die Freiheit gegeben. Er hat die ineffiziente kommunistische Mangelwirtschaft in blühende Landschaften verwandelt. Und Frieden und Harmonie zwischen Ost und West gestiftet.
Oder nicht?
Keine Friedensdividende für die Auflösung der Sowjetunion
Am Todestag von Gorbatschow schießen sowjetische Panzer auf sowjetische Panzer
Im Innern Russlands haben die Einordnung der Wirtschaft in und die Unterordnung ihrer Bevölkerung unter die Gesetze der Marktwirtschaft die Produktivkräfte des Landes weitgehend wortwörtlich ruiniert, d.h. vorwiegend Ruinen hinterlassen und ihre Erbauer zu unnützen Kostgängern gemacht, die für die Geldvermehrung nicht mehr gebraucht werden und die der Staat nicht mehr versorgen kann und will. Die Aneignung des vorherigen Staatseigentums und der Verkauf der Rohstoffe des Landes hat einige wenige zu superreichen Oligarchen gemacht, viele andere um ihre Existenz gebracht, sie in die Arme des Alkohols, des Verbrechens und Verrats getrieben und nicht wenigen das Leben gekostet. Die Intelligenz des Sowjetreichs wurde zum Schnäppchenpreis von den USA und ihren Verbündeten abgeworben. Westliche Staaten bekamen einen unerschöpflichen Zufluss an qualifizierten und disziplinierten Arbeitsmigranten, Wanderarbeitern, Tagelöhnern und Prostituierten…
Könnten das vielleicht Gründe dafür sein, dass Gorbatschow eher im Westen beliebt ist als in seinem eigenen Land?
PS: Dass der Friedensnobelpreisträger Gorbatschow das westliche Vorgehen in der Ukraine seit dem „Euromaidan“ und erst recht im laufenden Krieg kritisiert hat, wollen die journalistischen Lobeshymnen auf ihn übrigens nicht sonderlich breittreten.
https://overton-magazin.de/krass-konkret/unser-lieblings-russe-ist-tot/