Manfred Henle: Homo sovieticus – eine demokratische Meistererzählung
Von webmaster • Apr. 18th, 2022 • Kategorie: AllgemeinManfred Henle: Homo sovieticus – eine demokratische Meistererzählung
Angesichts des Krieges in der Ukraine können sich die Deutschen wieder aus tiefster Überzeugung für die militärische Eskalation begeistern. Dahinter steht eine Meta-Erzählung (Teil 4 und Schluss)
„Ja, es ist tugendhaft, keine Feindbilder zu haben, aber man darf doch nicht so blöd sein zu denken, die Feindschaft gibt es nicht mehr“
Ex-Bundespräsident Gauck im Gespräch bei Sandra Maischberger, 9.3.2022
Getrieben von der „Liebe zu den Unterdrückten“ – in der Ukraine; und „wenn man Verantwortung hat für Menschen und ganze Völker“; dann gilt heutzutage: „Man muss den Homo sovieticus lesen können“. Für sich kann der Ex-Bundespräsident sagen: „Es ist möglich, diesen Typus zu lesen.“
Liest der Ex-Bundespräsident schon mal stellvertretend für uns alle diesen „Typus“ und blickt dieser Priester der Erinnerung dabei zugleich zurück, dann hat man, entsprechend der typisch russischen Volksmentalität und Volks-Seele, „eine Geschichte des Panzersozialismus vor Augen“.
Das sieht „der übersättigte Westen“ offenbar nicht so ohne Weiteres, weshalb er daran erinnert werden muss. In ihrem tiefen Blick für ethnische Charaktermerkmale ist die demokratische Völkerpsychologie und Volkskunde hier beinahe schon am Ende ihrer Studien über den östlichen und den westlichen Volkscharakter angelangt. Aber noch nicht ganz.
Ausblick: schon weit über den Ukrainekrieg hinaus
Maßstab für das gigantische Aufrüstungsprogramm der USA und der Nato ist nicht der Krieg in der Ukraine und die mit ihm verkündete „100 Milliarden-Zeitenwende“, sondern das Recht der „westlichen Lebensform“ (Harry S. Truman) auf erfolgreiche Selbstbehauptung im „Kräftemessen des 21. Jahrhunderts.“
EU-Global Strategy 2016, EU-Bedrohungsanalyse, Strategischer Kompass und Dialog, Anspruch der grundsätzlichen (Neu-) Gestaltung einer regelbasierten Weltordnung, Nato 2030, nicht zuletzt die deutsche Nationale Sicherheitsstrategie (NSS), waren längst vor und über den Ukrainekrieg hinaus projektiert.
Neu an der ausgerufenen Zeitenwende ist eher dies: Die Systemfeindschaft gegenüber Russland zu ihrem erfolgreichen Ende zu bringen, wozu der Krieg in der Ukraine eine gute Gelegenheit bietet und in diesem Zug, die in den USA und Nato-Ländern inkorporierten Völkerschaften auf das Vorkriegs- und Kriegsprogramm dahingehend einzustimmen, dass die neue Sittlichkeit lautet: Ausnahmslose Parteilichkeit fürs nationale, europäische und, das immer noch, transatlantische Wir oder Wertegemeinschaft; weiter: Verzicht- und Opfergesinnung als neues sittliches Selbstbewusstsein.
Darüber hinaus: Pflege des (imaginären) Bild des russischen Hauptfeindes. Gelingt all dies zufriedenstellend, dann ist die Liebe zur gerechten Gewaltanwendung gegen ungerechte Gewaltanwendung so frei sagen zu können:
„Man muss immer im konkreten Fall prüfen, ob ein Einsatz zu mehr oder zu weniger Leid führen wird und ob er auf dem Boden des Völkerrechts steht.“
Annalena Baerbock, 26. April 2021
Ist das gewissenhaft geprüft, dann steht auch einer notfalls nuklearen Auseinandersetzung mit dem Aggressiven und Bösen nichts mehr im Wege.
Quellen