Johannes Schillo: Putin = Hitler – und Deutschland bald führend in der Anti-Hitler-Koalition 2.0
Von webmaster • März 27th, 2022 • Kategorie: AllgemeinJohannes Schillo:
Putin = Hitler – und Deutschland bald führend in der Anti-Hitler-Koalition 2.0
Mit Putins Angriff auf die Ukraine tritt die deutsche Außenpolitik in ein neues Stadium und die hiesige Vergangenheitsbewältigung, die sich dem NS gewidmet hat, kommt an ein sachgerechtes Ende.
In gewisser Hinsicht könnte man auch sagen – was bei Krass & Konkret kurz vor Kriegsbeginn schon Thema war –, dass Deutschland sich treu bleibt und der neue Feind der alte ist: Russland!
Außenministerin Baerbock hat diesen Bezug, natürlich mit anderer Akzentsetzung, bei der Ankündigung einer Nationalen Sicherheitsstrategie ebenfalls hergestellt und an „die Geschichte unseres Landes“, an „unsere deutsche Verantwortung“ erinnert:
„Ich sage es hier ganz klar: Ja: Aus unserer Geschichte, aus der deutschen Schuld für Krieg und Völkermord erwächst für uns, erwächst für mich in der Tat eine besondere Verantwortung: Und zwar die Verpflichtung, jenen zur Seite zu stehen, deren Leben, deren Freiheit und deren Rechte bedroht sind.“
Ganz im Sinne der von Scholz angesagten „Zeitenwende“ vollzieht sich heute dieser Aufbruch zur Bekämpfung der östlichen Gefahr im Bündnis und nicht – wie 1941 – im Alleingang, wobei die deutsche Initiative natürlich nicht verschwiegen werden darf. Baerbock:
„Die Europäische Union formuliert derzeit erstmals so ausführlich wie noch nie eine sicherheitspolitische Strategie. Die Initiative dazu hat unser Land, hat Deutschland vor einiger Zeit ergriffen. Und dieser Strategische Kompass, der jetzt auf dem Tisch liegt und natürlich nochmal angepasst wird, muss und wird den neuen Realitäten auf unserem Kontinent Rechnung tragen.“
Deutschland blickt eben nach vorn, auf die vor ihm liegenden Aufgaben – europäische Aufrüstung, Aufstellung als führende Militärmacht, – und nicht schuldbewusst zurück. Genauer gesagt, man blickt nach Russland, entdeckt einen Präsidenten, „der zunehmend in Nazi-Jargon verfällt“ (General-Anzeiger, 21.3.22), und damit die eigene deutsche Vergangenheit. Denn: Putin ist der neue Hitler, wahlweise der größte Kriegsverbrecher aller Zeiten, und hierzulande gibt es kaum Kritik an Selenskijs Diagnose, dass die russische Führung die „Endlösung“ der Ukrainefrage betreibt (vgl. „Ein ungeheuerlicher Vergleich“). Ganz neu ist das freilich auch nicht.
Schon 1999 hatte Baerbocks Vorläufer, der grüne Außenminister Fischer, beim Überfall auf Serbien vorexerziert, wie man per Krieg einen Holocaust verhindert. Aber jetzt ist der Gegner natürlich ein anderes Kaliber.
Russischer Faschismus
Deutscher (Un-)Geist
Nationales Heldentum
So ist das aktuelle Feindbild komplett: Putin ist der neue Hitler, der den aktuellen Holocaust in der Ukraine – in Fortsetzung von Stalins „Holodomor“ – zu verantworten hat, während Deutschland Teil – und bald vielleicht führende Macht – der Anti-Hitler-Koalition ist.
Dafür muss es nur noch die „Last der historischen Verantwortung“ umdefinieren, als Auftrag, „aus der deutschen Schuld für Krieg und Völkermord“ (Baerbock) heraus zu einem neuen, völlig gerechtfertigten Krieg gegen Völkermord zu schreiten.
Und die Außenministerin hat für die Ausarbeitung der nationalen Strategie – Leitidee: „Sicherheit der Freiheit unseres Lebens“ – auch schon entscheidende Fragen formuliert: „Was heißt das eigentlich, frei zu leben? Wir spüren das gerade wieder in der
Ukraine: Im Mut der Männer und Frauen, die ihr Land verteidigen. In ihrer Entschlossenheit sehen wir, was diese Menschen verteidigen, im Zweifel auch mit ihrem Leben: nämlich Demokratie und ihr Recht, über ein Leben in Freiheit selbst entscheiden zu können.“
Bevor der Mut zur Sprache kommt, könnte man auch einmal daran erinnern, dass in der Ukraine als Erstes eine Zwangsrekrutierung aller Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren stattfindet, damit sie dieses Heldentums teilhaftig werden können. Selber entscheiden tun sie an der Stelle jedenfalls nichts. Und was sie dann tun, ist nicht eine Aktion zum Schutz ihres Lebens. Sie müssen ja „im Zweifel auch mit ihrem Leben“ dafür bezahlen, dass sie in Freiheit leben, also dafür, dass sie nicht mehr da sind, aber dass etwas anderes überlebt, nämlich die nationale Macht, im Klartext: ein staatliches Gewaltmonopol, das dann über ein – wie auch immer dezimiertes – Menschenmaterial verfügt. Die Staatsmacht schützt sich eben, indem sie gnadenlos Menschenleben opfert. Das geschieht in Namen der Nation, in die dann die Toten eingehen, als Helden, die auf den Kriegerdenkmälern weiterleben.
Das ist in allen Kriegen so. 1943, nach Stalingrad, hieß es im Dom von Fulda vor den versammelten katholischen Bischöfen und Tausenden Gläubigen in einer Kriegspredigt: „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssten!“ Und Selbstaufopferung für etwas Höheres – ob es jetzt philosophisch, religiös verbrämt oder als nationale Selbstverständlichkeit daherkommt – ist das, was Faschisten und Demokraten in der Stunde der Gefahr vereint. Und so kann es gut sein – was von westlichen Kommentaren immer wieder hervorgehoben wird –, dass auf russischer Seite auch viele Rechtsradikale und Rassisten mitkämpfen. Auf ukrainischer Seite ist dieselbe Allianz jedenfalls in Aktion, wie man gelegentlich erfährt.
So konnte auch Selenskij, ohne mit der Wimper zu zucken oder Anstoß zu erregen, im Deutschen Bundestag seine Brandrede mit dem alten faschistischen Schlachtruf beenden: „Ruhm der Ukraine!“
Johannes Schillo: Der Ukrainekrieg und seine Vorgeschichte
Im Krieg stirbt als erstes die Wahrheit, heißt es mit Blick auf die Medien. Aber wie sieht‘s bei der Fachliteratur aus? Dazu hier ein paar sachdienliche Hinweise.
Das Buch „Der Aufmarsch“ des Journalisten und Außenpolitik-Experten Jörg Kronauer (Redakteur von german foreign policy) erschien im Frühjahr 2022. Es wurde redaktionell vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine abgeschlossen. Der Verlag veröffentlichte es dennoch unverändert, ergänzt um eine kurze Einleitung mit einer Einordnung des Kriegs, der „nicht unangekündigt, doch für viele unerwartet“ kam (Kronauer 7). Das ist eine mutige verlegerische Entscheidung. Mittlerweile kennt ja jeder das Resultat der hier ausgebreiteten „Vorgeschichte“, und so muss sich der Text einer ganz neuen Prüfung stellen, nämlich im Blick darauf, inwiefern das Dargelegte die Triebkräfte herausarbeitet, die zum jetzt eingetretenen militärischen Ernstfall geführt haben.
Den Test besteht das Buch. Andere Publikationen, die Anfang 2022 erschienen sind und sich mit Russland oder dem Ost-West-Verhältnis befassen, haben damit schon eher Probleme. So z.B. Stefan Creuzbergers große Studie über das „deutsch-russische Jahrhundert,“ die zeitgleich mit Kriegsbeginn vorgelegt und redaktionell ebenfalls Ende 2021 abgeschlossen wurde. Sie geht zwar im Schlussteil auf die letzte Phase des west-östlichen Eskalationsprozesses bis zur Gipfel-Diplomatie im Sommer 2021 ein, als auf Druck der USA „die Länder des Westens im Rahmen von Europäischer Union und NATO mit einer Stimme gegenüber Russland aufzutreten“ (Creuzberger 558) begannen. Aber der Autor, Hochschullehrer und ehemaliger Redakteur der Fachzeitschrift „Osteuropa“, setzt doch noch große Hoffnungen auf das binationale Verhältnis und auf eine eigenständige Rolle Deutschlands.
Realismus der Kriegsvorbereitung…
… und Idealismus der Verständigung
Es zeigt sich deutlich die amerikanische Handschrift, wenn es um die politischen Weichenstellungen geht.
Und das Ganze war auch in diesem Sinne von Anfang an zielstrebig angelegt, wie es Brzezińskis Studie aus der Jelzin-Ära deutlich macht. Amerika müsse „als unbedingt erforderliche Linie seiner Strategie gegenüber Russland“ die Neuorientierung der osteuropäischen Staatenwelt nach Westen unterstützen, „um damit allen imperialen Bestrebungen den Boden zu entziehen“ – so weit sie von Russland ausgehen und die US-Suprematie auf dem Globus (wieder) in Frage stellen. „Das sollte keineswegs von einem guten Verhältnis zu Russland abhängig gemacht werden“, ergänzte Brzeziński, um dann das Fazit der strategischen Zuspitzung zu ziehen: „Die Konsolidierung einer souveränen Ukraine, die sich inzwischen als mitteleuropäischer Staat versteht und sich an einer engeren Integration mit Mitteleuropa beteiligt, ist eine ganz wesentliche Komponente einer solchen Politik“. (Brzeziński 289)
Nachweise
Zbigniew Brzeziński: Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Weinheim und Berlin (Beltz Quadriga) 1997.
Stefan Creuzberger: Das deutsch-russische Jahrhundert – Geschichte einer besonderen Beziehung. Hamburg (Rowohlt) 2022.
Jörg Kronauer: Der Aufmarsch – Vorgeschichte zum Krieg. Russland, China und der Westen. Köln (PapyRossa) 2022.
James Stavridis/Elliot Ackerman: 2034 – A novel of the next world war. New York (Penguin) 2021.
https://krass-und-konkret.de/politik-wirtschaft/der-ukrainekrieg-und-seine-vorgeschichte/