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Johannes Schillo: Deutschland bleibt sich treu und der neue Feind der alte: Russland!

Von • Feb. 15th, 2022 • Kategorie: Allgemein

Johannes Schillo:

Deutschland bleibt sich treu und der neue Feind der alte: Russland!

 

2021 wurde in Deutschland das Gedenken ans „Unternehmen Barbarossa“ begangen, also an Hitlers Versuch, „Lebensraum im Osten“ zu schaffen – für Bundespräsident Steinmeier im Rückblick nur noch unbegreiflich böse, denn solche Kriege hat das neue Deutschland nun wirklich nicht vor.

Von der NS-Vergangenheit distanziert sich die bundesdeutsche Politik feierlich und salbungsvoll, wenn es um die jüdischen Opfer geht. In anderen Fällen ist es oft schon nicht mehr feierlich, wie zurückgeblickt wird. Da müssen sich bestimmte Opfergruppen erst lautstark zu Wort melden, damit man sich an sie erinnert. Und auch für die Großtat, ein Holocaust-Mahnmal in der Hauptstadt zu platzieren, hat die BRD immerhin ein halbes Jahrhundert gebraucht.

Eine vorbildliche Erinnerungskultur?

Was leistet die Erinnerungskultur?

Wie auch schon zuvor 2020 bei den Auschwitz-Gedenkreden in Yad Vashem oder im Bundestag wird so „das Böse“ als eine Macht beschworen, der die Guten immer wieder fassungslos gegenüberstehen. Und mit diesem billigen Moralismus werden nicht nur die damaligen imperialistischen Kalkulationen, die der modernen Staatenwelt (die BRD inbegriffen) gar nicht fremd sind, zum Verschwinden gebracht; sondern es wird auch automatisch die eigene Güte unter Beweis gestellt. Denn:

Wer das Böse anklagt, tut dies ja als Guter. Und so fasste Steinmeier die Lehre aus dem Erinnerungswesen gegen Schluss seiner Rede auch griffig zusammen: „Wir erinnern nicht mit dem Rücken zur Zukunft, sondern wir erinnern mit dem Blick nach vorn, mit dem klaren und lauten Ruf: Nie wieder ein solcher Krieg!“

 

Nein, einen solchen Krieg, bei dem Deutschland am Ende gegen den Rest der Welt allein steht und sich durch seine Verliererposition auch noch ins Unrecht setzt, darf es im nationalen Interesse nicht wieder geben.

Der nächste, wenn er denn kommt, wird gegen ein russisches Unrecht geführt – das im Vorfeld schon glasklar feststeht, wie die tägliche Feindbildpflege dem Volk vermittelt.

 

https://krass-und-konkret.de/politik-wirtschaft/deutschland-bleibt-sich-treu-und-der-neue-feind-der-alte-russland/

 

Von Johannes Schillo erscheint am 20. Februar das Buch: „Ein nationaler Aufreger. Zur Kritik der Erinnerungskultur“ im Verlag Klemm & Oelschläger (111 Seiten, 14,80 EUR).

 

https://www.klemm-oelschlaeger.de/epages/79140548.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/79140548/Products/978-3-86281-173-1

5 Responses »

  1. Björn Hendrig: Was ist eigentlich ein ‚Aggressor‘?

    Über einen ideologischen Begriff, der gerade Konjunktur hat

    1. Was ist eigentlich ein „Aggressor“?

    Die westliche Politik und deren Begleitmedien sind sich einig: An der Grenze zur Ukraine steht ein „Aggressor“. Der heißt wahlweise „Russland“ oder „Putin“ und hat eine Streitmacht zusammengezogen, die da eigentlich nicht hingehört. Es sei denn, sie soll einmarschieren.

    Diesem möglichen Angriff, dieser „Aggression“ muss der Westen mitsamt der Nato, die bekanntlich nur ein Bündnis zur Verteidigung ist, entschieden entgegentreten. Es geht schließlich darum, die europäische „Sicherheitsordnung“ aufrechtzuerhalten.

    Der „Aggressor“ hingegen dementiert: Man wolle keine Invasion, keinen Krieg in Europa. Die Truppenbewegungen seien normal, einige Einheiten würden aus dem Süden und Westen nun abgezogen. Allerdings verlangt Russland „Sicherheitsgarantien“ des Westens. Die „aggressive“ Erweiterung der Nato Richtung Osten an die russischen Grenzen müsse ein Ende haben. (…)

    2. Die Staaten der „ersten Welt“ verteidigen ihren Erfolg mit aller Gewalt. (…)

    3. Russland besteht auf seiner Weltmacht und gilt deshalb als „Aggressor“. (…)

    4. Russland will den Westen in der Ukraine stoppen. (…)

    https://www.heise.de/tp/features/Was-ist-eigentlich-ein-Aggressor-6476715.html?seite=all

  2. Johannes Schillo: Helm auf zum Gebet!

    Wenn es um einen antirussischen Krieg geht, steht die katholische Kirchenführung in Deutschland Gewehr bei Fuß.

    Wenn Soldaten in den Krieg ziehen, um sich gegenseitig abzuschlachten, darf einer nicht fehlen: der liebe Gott, der den Soldaten Mut macht, die Witwen tröstet und dem Nachwuchs den heldenhaften Weg weist, ins Himmelreich zu gelangen. Die deutsche Amtskirche hat dies zu einer regelrechten Kriegstheologie entwickelt, die etwa 1914 und 1941 flächendeckend zum Einsatz kam.

    „Gott mit uns“

    Bischöfe für Waffenlieferungen

    Der Krieg in der Ukraine stelle zudem, wie es auf der frommen Versammlung hieß, die christliche Friedensethik auf die Probe. Die katholischen Kirchenführer signalisieren damit – von der EKD gab es übrigens ähnliche Signale –, dass sie ihre Friedensethik „überdenken“ müssten.

    Man darf gespannt sein, was da noch nachfolgt. Dass militärische Gewalt und deren Befeuerung durch Rüstungsexporte selbstverständliches Mittel der Politik sind, ist ja jetzt schon einmal klargestellt – und das mitten im Atomzeitalter, in dem nach Auffassung der früheren Päpste aus der Zeit des Kalten Kriegs Gewalt überhaupt nicht mehr angewandt werden dürfte, höchsten noch zur Abschreckung, die ja im Grunde Kriegsverhinderung sei.

    Was muss hier noch überdacht werden? Etwa die grundsätzliche Brandmarkung der Atomwaffen als Massenvernichtungsmittel, die kein christlicher Staatsmann einsetzen darf? Vielleicht fängt man damit an, den Einsatz taktischer Atomwaffen zu überdenken? Zunächst nur auf dem Gefechtsfeld, wo es ja einen Gegner trifft, der „jegliche menschliche Grenzen überschreitet“ (Baerbock)?(Johannes Schillo)

    https://www.heise.de/tp/features/Helm-auf-zum-Gebet-6547516.html

  3. Gerhard Hanloser über Wandlungen in den Reihen der deutschen Friedensbewegungen

    https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/von-serbien-bis-zur-ukraine-wohin-treibt-die-deutsche-friedensbewegung

  4. Johannes Schillo: Putin = Hitler – und Deutschland bald führend in der Anti-Hitler-Koalition 2.0

    Mit Putins Angriff auf die Ukraine tritt die deutsche Außenpolitik in ein neues Stadium und die hiesige Vergangenheitsbewältigung, die sich dem NS gewidmet hat, kommt an ein sachgerechtes Ende.

    In gewisser Hinsicht könnte man auch sagen – was bei Krass & Konkret kurz vor Kriegsbeginn schon Thema war –, dass Deutschland sich treu bleibt und der neue Feind der alte ist: Russland! Außenministerin Baerbock hat diesen Bezug, natürlich mit anderer Akzentsetzung, bei der Ankündigung einer Nationalen Sicherheitsstrategie ebenfalls hergestellt und an „die Geschichte unseres Landes“, an „unsere deutsche Verantwortung“ erinnert:

    „Ich sage es hier ganz klar: Ja: Aus unserer Geschichte, aus der deutschen Schuld für Krieg und Völkermord erwächst für uns, erwächst für mich in der Tat eine besondere Verantwortung: Und zwar die Verpflichtung, jenen zur Seite zu stehen, deren Leben, deren Freiheit und deren Rechte bedroht sind.“

    Ganz im Sinne der von Scholz angesagten „Zeitenwende“ vollzieht sich heute dieser Aufbruch zur Bekämpfung der östlichen Gefahr im Bündnis und nicht – wie 1941 – im Alleingang, wobei die deutsche Initiative natürlich nicht verschwiegen werden darf. Baerbock:

    „Die Europäische Union formuliert derzeit erstmals so ausführlich wie noch nie eine sicherheitspolitische Strategie. Die Initiative dazu hat unser Land, hat Deutschland vor einiger Zeit ergriffen. Und dieser Strategische Kompass, der jetzt auf dem Tisch liegt und natürlich nochmal angepasst wird, muss und wird den neuen Realitäten auf unserem Kontinent Rechnung tragen.“

    Deutschland blickt eben nach vorn, auf die vor ihm liegenden Aufgaben – europäische Aufrüstung, Aufstellung als führende Militärmacht, – und nicht schuldbewusst zurück. Genauer gesagt, man blickt nach Russland, entdeckt einen Präsidenten, „der zunehmend in Nazi-Jargon verfällt“ (General-Anzeiger, 21.3.22), und damit die eigene deutsche Vergangenheit. Denn: Putin ist der neue Hitler, wahlweise der größte Kriegsverbrecher aller Zeiten, und hierzulande gibt es kaum Kritik an Selenskijs Diagnose, dass die russische Führung die „Endlösung“ der Ukrainefrage betreibt (vgl. „Ein ungeheuerlicher Vergleich“). Ganz neu ist das freilich auch nicht. Schon 1999 hatte Baerbocks Vorläufer, der grüne Außenminister Fischer, beim Überfall auf Serbien vorexerziert, wie man per Krieg einen Holocaust verhindert. Aber jetzt ist der Gegner natürlich ein anderes Kaliber.

    Russischer Faschismus

    Deutscher (Un-)Geist

    Nationales Heldentum

    So ist das aktuelle Feindbild komplett: Putin ist der neue Hitler, der den aktuellen Holocaust in der Ukraine – in Fortsetzung von Stalins „Holodomor“ – zu verantworten hat, während Deutschland Teil – und bald vielleicht führende Macht – der Anti-Hitler-Koalition ist. Dafür muss es nur noch die „Last der historischen Verantwortung“ umdefinieren, als Auftrag, „aus der deutschen Schuld für Krieg und Völkermord“ (Baerbock) heraus zu einem neuen, völlig gerechtfertigten Krieg gegen Völkermord zu schreiten.

    Und die Außenministerin hat für die Ausarbeitung der nationalen Strategie – Leitidee: „Sicherheit der Freiheit unseres Lebens“ – auch schon entscheidende Fragen formuliert: „Was heißt das eigentlich, frei zu leben? Wir spüren das gerade wieder in der Ukraine: Im Mut der Männer und Frauen, die ihr Land verteidigen. In ihrer Entschlossenheit sehen wir, was diese Menschen verteidigen, im Zweifel auch mit ihrem Leben: nämlich Demokratie und ihr Recht, über ein Leben in Freiheit selbst entscheiden zu können.“

    Bevor der Mut zur Sprache kommt, könnte man auch einmal daran erinnern, dass in der Ukraine als Erstes eine Zwangsrekrutierung aller Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren stattfindet, damit sie dieses Heldentums teilhaftig werden können. Selber entscheiden tun sie an der Stelle jedenfalls nichts. Und was sie dann tun, ist nicht eine Aktion zum Schutz ihres Lebens. Sie müssen ja „im Zweifel auch mit ihrem Leben“ dafür bezahlen, dass sie in Freiheit leben, also dafür, dass sie nicht mehr da sind, aber dass etwas anderes überlebt, nämlich die nationale Macht, im Klartext: ein staatliches Gewaltmonopol, das dann über ein – wie auch immer dezimiertes – Menschenmaterial verfügt. Die Staatsmacht schützt sich eben, indem sie gnadenlos Menschenleben opfert. Das geschieht in Namen der Nation, in die dann die Toten eingehen, als Helden, die auf den Kriegerdenkmälern weiterleben.

    Das ist in allen Kriegen so. 1943, nach Stalingrad, hieß es im Dom von Fulda vor den versammelten katholischen Bischöfen und Tausenden Gläubigen in einer Kriegspredigt: „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssten!“ Und Selbstaufopferung für etwas Höheres – ob es jetzt philosophisch, religiös verbrämt oder als nationale Selbstverständlichkeit daherkommt – ist das, was Faschisten und Demokraten in der Stunde der Gefahr vereint. Und so kann es gut sein – was von westlichen Kommentaren immer wieder hervorgehoben wird –, dass auf russischer Seite auch viele Rechtsradikale und Rassisten mitkämpfen. Auf ukrainischer Seite ist dieselbe Allianz jedenfalls in Aktion, wie man gelegentlich erfährt. So konnte auch Selenskij, ohne mit der Wimper zu zucken oder Anstoß zu erregen, im Deutschen Bundestag seine Brandrede mit dem alten faschistischen Schlachtruf beenden: „Ruhm der Ukraine!“

    https://krass-und-konkret.de/politik-wirtschaft/putin-hitler-und-deutschland-bald-fuehrend-in-der-anti-hitler-koalition-2-0/

  5. Johannes Schillo: Proletarisches Einverständnis mit dem Ende der Zivilisation

    Wo allenthalben Rückblicke aufs Jahr der „Zeitenwende“ veranstaltet werden, hier ein weiterer Blick – mehr als 100 Jahre – zurück auf die Wende von 1914, als die Arbeiterbewegung den Weg ins Zeitalter der Weltkriege einschlug.

    Jüngst wurde unter dem Titel „Der Weg ins Zeitalter der Weltkriege“ an Anton Pannekoeks wieder aufgelegtes Pamphlet „Klassenkampf und Nation“ von 1912 erinnert: Die Neuausgabe der Streitschrift rufe eine historische Zeitenwende in Erinnerung, nämlich die Zäsur, als die Arbeiterbewegung ihre Kapitalismuskritik beendete und aus ihrer internationalistischen Programmatik heraus den Weg zur Bejahung der Nation fand, somit das „Zeitalter der Extreme“ (Eric Hobsbawm) möglich machte. Das sei, schrieb Frank Bernhardt, ein Denkanstoß für die heutige Zeit, wo sich ebenfalls der Weg in einen Weltkrieg – unter tatkräftiger sozialdemokratischer Mitwirkung und ohne Gegenwehr der Gewerkschaften – als finale Perspektive abzeichne, atomare Apokalypse inbegriffen.

    SPD ermöglicht „Urkatastrophe“

    Auch heute: Proletarische Einverständniserklärung

    Wer hat uns verraten…

    Dass jetzt ein sozialdemokratischer Kanzler vorangeht und den Aufwuchs des neuesten Deutschland zu einer europäischen „Führungsmacht“, zu einer weltpolitisch agierenden „Zentralmacht“ (SPD-Klingbeil), betreibt, die sich selbstverständlich in alle militärischen Händel auf dem Globus einmischt und dank nuklearer Teilhabe den Supermächten (fast) auf Augenhöhe gegenübertritt, hat so schon seine Logik. In der Tradition von Willy Brandt und Egon Bahr, die den Osten durch Wandel und Annäherung erschließen wollten, und in der Nachfolge eines Helmut Schmidt, der Moskau eine eigene Atomkriegsdrohung von deutschem Boden aus in Aussicht stellte, agiert hier ein Politiker, der die Ostpolitik von allen friedensidealistischen Hemmungen befreit und ihr eigentliches Programm mit den robustesten Mitteln, die man sich vorstellen kann (und die sich ein Friedensnobelpreisträger Brandt wohl nicht hätte träumen lassen), zur Geltung bringt.

    Dass das durchgeht, liegt nicht zuletzt daran, dass sein Parteifreund Steinmeier als Bundespräsident die letzten Zweifel an der Güte des neuen vereinigten Deutschlands ausgeräumt und noch mit seiner letztjährigen Erinnerung ans „Unternehmen Barbarossa“ festgehalten hat, dass eine derart moralisch geläuterte Nation wie die BRD alles Recht der Welt hat, gegen das Böse im Osten vorzugehen. Somit war schon vor dem 24.2. klar: Deutschland bleibt sich treu und der neue Feind der alte: Russland!

    https://overton-magazin.de/top-story/proletarisches-einverstaendnis-mit-dem-ende-der-zivilisation/