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Renate Dillmann: China und Taiwan – Schon wieder ein Fall von „Böse“ gegen „Gut“?

Von • Okt. 30th, 2021 • Kategorie: Allgemein

Renate Dillmann:

China und Taiwan – Schon wieder ein Fall von „Böse“ gegen „Gut“?

 

Falsche Berichte über eine angebliche Verletzung des Luftraums von Taiwan durch China. Geschichte hinter dem Konflikt weitgehend unbekannt. (Teil 1)

 

 

https://www.heise.de/tp/features/China-und-Taiwan-Wer-ist-gut-wer-boese-6232729.html?seite=all

Westliche Lesarten des China-Taiwan-Konflikts und ein Perspektivenwechsel (Teil 2)

https://www.heise.de/tp/features/Westliche-Lesarten-des-China-Taiwan-Konflikts-und-ein-Perspektivenwechsel-6234296.html

One Response »

  1. Renate Dillmann: Zankapfel Taiwan

    Die USA schüren den nächsten Konflikt mit Weltkriegspotential

    Der Besuch von Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses der USA, in Taipeh und ihr Zusammentreffen mit der taiwanesischen Präsidentin hat zu den erwarteten (und offensichtlich gewollten) Reaktionen auf chinesischer Seite geführt: Mehrtägige Militärmanöver, mit denen die Volksbefreiungsarmee demonstriert hat, wie es um ihre militärischen Fähigkeiten bezüglich einer möglichen Blockade der Insel bestellt ist.

    Die westlichen Verbündeten der USA haben sich daraufhin ziemlich einhellig empört gezeigt (ohne ihre Nicht-Anerkennungspolitik gegenüber Taiwan zu ändern). Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat sich besonders engagiert. „Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt – und das gilt natürlich auch für China“, sagte Baerbock in New York.“

    Na klar: Internationale Rechtsbrüche und völkerrechtswidrigen Angriffe akzeptiert der deutsche Staat („wir“) nur bei sich selbst und seinen Freunden und natürlich nicht bei seinen Gegnern – zu einem solchen wurde die Volksrepublik ja beim letzten Nato-Gipfel ernannt. Mit der Rede von den großen und kleinen „Nachbarn“ überspielt unsere gelernte Völkerrechtsspezialistin gekonnt den Kern eines Konflikts, der staats- bzw. völkerrechtlich ziemlich konfus ist – um das Mindeste zu sagen. (…)

    Trotzdem blieb am Ende hängen: Taiwan ist ein eigenständiges und darüber hinaus demokratisches Staatswesen, dessen Souveränität durch ein übermächtiges, autoritäres China bedroht wird. Auf diese Botschaft kommt es offenbar an – sie wird in diesem Jahr mit Pelosis Besuchs erneut durchexerziert. Denn sie enthält – neben der inzwischen bereits üblichen Feindbild-Würze – die diplomatische Neu-Definition Taiwans, die westliche Politiker für ihren Konflikt mit der Volksrepublik haben wollen.

    Ein etwas genauerer Blick auf die sogenannte „Taiwan-Frage“ ist deshalb angebracht. Was für eine Art Frage ist das eigentlich? Wer stellt sie? Und warum ist diese „Frage“ nicht mit dem Austausch von Argumenten zu beantworten, sondern ruft nach Raketen?

    Die Geburtsstunde der „Taiwan-Frage“

    Ein asiatischer „Tiger“

    „Ping-Pong-Politik“ – die USA opfern Taiwan, um „Rotchina“ auf ihre Seite zu ziehen

    Amerikanische Lesarten …

    Taiwan – eine eigene Nation?

    Der unsinkbare Flugzeugträger

    Für die Volksrepublik ist die Zeit der Angebote vorbei

    Resumee

    Taiwan ist einer der vielen notwendigen Streitfälle in der Konkurrenz der Weltmächte. Die USA halten den Aufstieg Chinas, den sie ein gutes Stück weit selbst aus politischen und ökonomischen Interessen heraus ermöglicht haben, nicht (mehr) aus. Sie haben China deshalb zum Feind Nr. 1 ihrer Weltordnung erklärt und bereiten sich auf allen erdenklichen Ebenen auf eine große Auseinandersetzung vor.

    Taiwan hat von seiner Lage und Bedeutung durchaus das Zeug dazu, zum „Hotspot“ dieser Auseinandersetzung zu avancieren. Die USA instrumentalisieren die Insel seit Gründung der Volksrepublik für ihre Interessen; umgekehrt basiert die „taiwanesische Staatsräson“ weitgehend auf der Rolle, die die Insel für die Geostrategie der Vereinigten Staaten spielt. China will den weiteren Ausbau eines US-Stützpunktes in seiner unmittelbaren Nachbarschaft nicht hinnehmen – auch seiner Führung ist die „Kuba-Krise“ bekannt! Und es beansprucht freie Durchfahrt für seine Schiffe in der Taiwanstraße.

    Eine Frage von gut und böse, von demokratisch und autoritär, von wertebasierter Regelordnung undsoweiter ist das alles nicht – sondern eine der internationalen Staatenkonkurrenz und deren Verlaufsformen bis hin in die mediale Feindbildpflege.

    Wie stets bereiten die USA die anstehenden Auseinandersetzungen sorgfältig vor; die eingangs zitierte Darstellung der Konstellation als die des „kleinen“, „demokratischen“ Taiwan, das vom autoritär-aggressiven China grundlos „angegriffen“ wird, ist Bestandteil des „framing“, das die als nötig erachtete Zustimmung für die westlichen Strategien in der internationalen Öffentlichkeit erzeugen soll (Mehr dazu in Michael Lüders, Die scheinheilige Supermacht (2021)). Dafür hat Nancy Pelosi mit dem Wirbel um ihren Besuch einen weiteren Beitrag geliefert, den sie offenbar als scheidende Sprecherin des Repräsentatenhauses ihrem Land schuldig zu sein glaubte. Und wie stets konnten sich die Politiker dabei auf ihre freie Presse verlassen, die die regierungsamtlichen Verlautbarungen getreulich ans Volk weitergibt, ganz ohne jede Zensur.

    PS: Die Bertelsmann-Stiftung hat das Handeln der „Akteure“ 2021 so zusammengefasst: „Obwohl die Großmächte … sich der Gefahren einer Eskalation durchaus bewusst sind, scheint ein kooperatives Arrangement im Sinne eines Multilateralismus- oder G2-Szenarios derzeit nicht der inneren Logik der Systeme zu entsprechen.“

    Da hat die Welt wohl ein weiteres Mal Pech gehabt – jedenfalls wenn diejenigen, die in Europa, Amerika wie China das Kanonenfutter ihrer Regierungen sind, nicht einmal daran gehen, diese globale Staatenkonkurrenz und ihre mörderischen „Eskalationen“ auszuhebeln. Gründe dafür hätten sie reichlich – nicht nur in den Fragen von Krieg und Frieden, sondern schon in den Konsequenzen, die die Konkurrenz ihrer Unternehmen wie Staaten für sie an ihren ganz alltäglichen Arbeitsplätzen hat …

    https://overton-magazin.de/krass-konkret/zankapfel-taiwan/