Suitbert Cechura: Nach Afghanistan: Sicherheit Deutschlands wird fortan weltweit verteidigt
Von webmaster • Sep. 10th, 2021 • Kategorie: AllgemeinSuitbert Cechura: Nach Afghanistan: Sicherheit Deutschlands wird fortan weltweit verteidigt
Nur noch richtige Kriege mit klaren Zielen auf Basis nationaler Interessen – statt Humanitätsgedusel im Schlepptau der Supermacht.
Die letzten Menschen waren noch nicht aus Kabul ausgeflogen, da ergingen sich hierzulande schon Politiker wie Journalisten in der Frage, welche Konsequenzen aus dem Afghanistan-Krieg zu ziehen seien. Zwar wurden überwiegend Schuldfragen gewälzt und viele, die über Jahre den zivilen Charakter dieses Krieges – unsere legendäre Friedensmission in Sachen Brunnenbohren und Schulaufsicht – betont hatten, traten plötzlich als Kritiker eines „sinnlosen“, zwar „gut gemeinten“, aber auf „Fehleinschätzungen“ basierenden Krieges auf.
Telepolis hat zu dieser Legendenbildung bereits einige kritische Texte beigesteuert. Die Beschönigung der deutschen Rolle nimmt freilich kein Ende.
Selbst der letzte Kriegseinsatz zur Evakuierung verzweifelter Menschen, die durch die 20-jährige Besatzung auf die eine oder andere Weise in Not geraten sind, wird noch als humanitärer Akt gefeiert.
Bei all dem Getöse über unser militärisches „Debakel“, den „heldenhaften Einsatz deutscher Soldaten und Soldatinnen“ und so fort sollte man aber auch einmal einen Blick auf die Konsequenzen werfen, die bis dato gezogen und teilweise mit erstaunlichem Klartext vorgetragen werden.
„2015 darf sich nicht wiederholen“
Nicht mehr „von einem einzigen Partner abhängig“
Afghanistan nicht China und Russland überlassen
Im nächsten Krieg: entscheidende deutsche Rolle!
Eine Abrechnung mit den Lügen über den Krieg in Afghanistan – der über lange Jahre hinweg als Friedenseinsatz zum Brunnenbohren und Sicherung des Schulbesuchs von Mädchen verkauft wurde – will die Verteidigungsministerin damit nicht auf den Weg bringen, sie lobt den Einsatz in ihrer Aussage ungerührt als gelungene Leistung.
Mit neuer Ehrlichkeit ist wohl gemeint, dass es die einschlägigen Schönfärbereien in Zukunft nicht mehr geben muss. Birgt das Humanitätsgedusel doch die Gefahr, an Maßstäben gemessen zu werden, die einem solchen Kriegseinsatz gar nicht zu Grunde liegen.
Kriegsziele müssen eben so formuliert werden, dass der Erfolg des Einsatzes realistisch bzw. realisierbar ist und sich die deutschen Interessen klar vermitteln lassen.
Damit soll die Bevölkerung auf künftige Opfer – sowohl an Menschen wie im Materiellen – eingeschworen werden. Die Freiheit fordert eben Verzicht und Blutzoll!
Ein aktuellere Bundestagsdebatte über Afghanistan gibt einigen Aufschluss darüber,
wie sehr der dt.-europ. Imperialismus sich an den minderen Fähigkeiten eines
Global-Players zu schaffen macht, sich also aus dem Windschatten der übermächtigen
Supermacht bislang nicht herauszuwinden in der Lage sieht, die die alte kooperative Kollaboration
des Westens allerdings ad acta gelegt, welches Leiden der Europäer sogleich vorwärtstreibend
gewendet wird:
25.08.21 – Zur Bundestagsdebatte über Afghanistan
Vom Leiden des deutsch-europäischen Imperialismus an den Defiziten
durchschlagender Befähigung eines Global Players
Wenn eingangs der Debatte ein Bundestagspräsident Schäuble feststellt, dass die Mission,
Afghanistan nach „unseren Vorstellungen“ zu formen, gescheitert sei, so wird einerseits
offenherzig zugegeben, anderen Ländern vorschreiben zu wollen, wie sie sich als nützliche
Vasallen für den Westen aufzustellen haben, also ein dezidiert imperialistisches Programm
das Wort geredet wird; andererseits entspricht die Begründung für den Afghanistaneinsatz
an der Seite der USA nicht ganz der Wahrheit: der Export „guten“ Regierens firmierte eher
als tieferer Sinn hinter einer schlicht militärischen Auftragslage, einen als terroristischen
Feind Dingfestgemachten auszumerzen, aber ersteres gar nicht als eigentliches Sinnen und
Trachten des US/Germany-Einsatzes in Afghanistan.
Da gibt sich Merkel schon ehrlicher: Das Ziel sei erreicht, dass mit 20-jährigem Einsatz keine
terroristische Gefahr mehr vom Hindukusch ausgehe. Der einstige Satz von SPD-Struck
„Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt“ habe sich erfüllt. Also das Versprechen
eingelöst, dass anti-westlichen Bestrebungen gnadenlos der Garaus gemacht gehöre.
Wenn ein FDP-Lindner konstatiert, dass nie offen darüber geredet wurde, ob anderes als die Sicherheitsfrage wie Nationenbildung die Bundeswehreinsätze leite, so stellt dies darauf ab,
dass die USA die maßgeblichen Ziele militärischer Engagements bestimmen und sich
Bündnispartner wie Deutschland sich dem anbequemt haben. Aber gleichwohl verzichten
wollen die Unter-Imperialisten wie Germany nicht auf die Ausdeutung ihres Mitmachens,
Pflöcke der Freiheit mit der westlich inspirierten „Zivilisierung“ in den Gebieten Afghanistans
gesetzt zu haben, die der Westen dort in Beschlag genommen hat.
Ein CDU-Röttgen gibt sich gleich vorwärtsweisend imperialistisch: das alles an den
Fähigkeiten einer Supermacht wie USA hängen würde, weltpolitische Ansprüche zur
Geltung zu bringen, hält dieser Mann nicht aus. Dieser Vertreter eines souveränen
Möchtegern-Globalplayers schwärmt mit dem Monieren der Ohnmacht der EU davon,
unabhängig von den USA aus eigener Machtvollkommenheit selbstständig Bündnisse
für „Friedens- und Freiheitssicherung“ zu schmieden und kraftvoll militärisch abzusichern.
Im Übrigen zeugt die ganze Debatte über das Gelingen/ungenügenden Gelingen bei der
Evakuierung im Zuge der von den USA angekündigten Beendigung des Militäreinsatzes,
ob sog. Ortskräfte (also die Lakaien des Westens vor Ort) vorausschauend eher hätten
rausgeholt werden können oder auch nach dem Abzugsdatum noch evakuiert werden können,
von dem Leiden an der fehlenden Souveränität, davon, auch im Falle des Abgangs aus Afghanistan
sich hinsichtlich der interventionistischen Fähigkeiten zu blamieren, davon abhängig zu sein,
was ein eigentlich unterlegener afghanischer Gegner noch zulässt an Zugriffen in seinem Land.
Aber da stehen die Zeichen lt. Meldung v. 25.8.21 inzwischen nicht schlecht: angeblich habe
ein dt. Unterhändler in Gesprächen mit führendem Taliban erreicht, dass auch nach dem
endgültigen Abzug noch Afghanen mit „gültigen Ausweisdokumenten“ die Ausreise mit
Zivilflugzeugen gestattet werde.
Und dann noch eine Notiz zu Merkel v. 24.08.21: kaum gehen sie mit Amis raus, geben
sie ihre Ohnmacht zu Protokoll, nicht länger ihren freiheitlichen Fußabdruck in Afghanistan
hinterlassen zu können, geben sich die Deutschen gleich unverschämt anspruchsvoll, wie
eine Regierung unter den Taliban auszusehen hätten: Merkel schwadroniert jetzt schon über
eine westlich genehme Regentschaft am Hindukusch.
Quellenangabe: https://tages-politik.de/Aussenpolitik/Afghanistan_Bundestagsdebatte-2021.html