Theo Wentzke: Offene Beziehung
Von webmaster • Juni 30th, 2021 • Kategorie: AllgemeinOffene Beziehung
Lange stand Brasiliens Militär geschlossen hinter Jair Bolsonaro, doch ihr Verhältnis zeigt erste Risse
Von Theo Wentzke
Seit bald drei Jahren regiert der Populist Jair Bolsonaro in Brasilien. Die Generäle der Streitkräfte haben den ehemaligen Armeehauptmann, jahrelangen Hinterbänkler und radikalen Rechten ausgesucht und ihm bei den letzten Wahlen zur Macht verholfen. Durch erfolgreichen Druck auf Justiz und Politik haben sie erst den Sturz der sozialdemokratischen Regierung von Dilma Rousseff, dann die Ausschaltung seines aussichtsreichsten sozialdemokratischen Konkurrenten, Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva, tatkräftig unterstützt und für den Fall, dass ihr Kandidat nicht gewählt werden sollte, mit Putsch gedroht. Bolsonaro sollte der Mann sein, der das Land aus der Wirtschaftskrise führen, die Politik von vaterlandslosen Elementen jeder Couleur säubern und das durch Krise und Korruptionsskandale aufgeregte Volk hinter seinem fanatisch antilinken Kurs einigen sollte.
Seuchenbedingter Niedergang
Stand der Dinge
Vorrangiges Interessengebiet
Grenzen der Macht
Ambivalenter Erfolg
Die Eskalation des politischen Machtkampfs konterkariert jedenfalls den Wunsch des Militärs nach Geschlossenheit und Einheit zwischen Volk und Führung und nährt die Unzufriedenheit mit den Leistungen des Präsidenten; der aber besteht darauf, dass der nationale Zusammenhalt gegen seine Feinde durchgesetzt sein will, mit harter Politik und Staatsgewalt – und wenn es sein muss, eben auch mit der Gewalt der bewaffneten Garantiemacht der Nation. Diese Indienstnahme nach den Kriterien ihres Präsidenten will sich, ausweislich der eingangs erwähnten Streitigkeiten, die Militärführung lieber zweimal überlegen und vor allem selbst entscheiden, ob sie es der brasilianischen Demokratie und dem Präsidenten noch zutraut, das Land für die kommenden imperialistischen Herausforderungen und Chancen, die die Chefs der Streitkräfte ausgemacht haben wollen, nach den Ansprüchen und Bedürfnissen einer verschärften Staatenkonkurrenz herzurichten. Andere Militärs teilen dagegen anscheinend die präsidiale Lesart des Staatsnotstands und halten an Bolsonaro fest.
So sorgt der Präsident für Zerwürfnisse auch noch in den Reihen des Militärs, das bislang so sehr auf die Einheit der Staatsgewalt bedacht war.
Mehr zum Thema und Ergänzendes zu Staat, Volk und politischer Linke Brasiliens findet sich im Heft 2/2021 der Zeitschrift Gegenstandpunkt.
Im Buchhandel und beim Verlag unter gegenstandpunkt.com zu beziehen.
Theo Wentzke schrieb an dieser Stelle zuletzt in der Ausgabe vom 10.
Mai dieses Jahres über das Streben des deutschen Imperialismus nach klimaneutraler Energieautonomie
Aus: junge Welt – Ausgabe vom 25.06.2021 / Seite 12 / Thema:
Brasilien
https://www.jungewelt.de/artikel/405058.brasilien-offene-beziehung.html