Georg Schuster: Geschichten vom „Great Reset“
Von webmaster • Apr. 27th, 2021 • Kategorie: AllgemeinGeorg Schuster: Geschichten vom „Great Reset“
Viele „Corona-Kritiker“ wollen nicht glauben, dass sich der Staat um die Volksgesundheit sorgt. Dabei kann sie ihm nicht ganz egal sein, wenn er den kapitalistischen Normalzustand will. (Teil 2 und Schluss)
Die hier thematisierte Sorte Kritik kriegt es durchaus hin, die Staaten einerseits als unsouveräne Gehilfen der „globalen Geldeliten“ zu charakterisieren, ihnen aber andererseits eine Machtentfaltung zu bescheinigen, mit der sie angeblich die ganze Gesellschaft einsperren. Die Behauptung: „Die Rolle des Staates ist geschrumpft oder gar auf dem Weg in die Obsoleszenz“ (Fritz Glunk in seinem Buch „Schattenmächte“) verträgt sich offenbar mit der Potenz, die man dem Verblassenden zugleich bescheinigt: „Bereit machen zum harten Oster-Lockdown! Der Inzidenzhype wird hochgefahren“ (Norbert Häring in seinem Blog „Geld und mehr“).
„Vermeintliche historische Endkrise“
Nach „Drehbuch“
Der Mythos vom großen Neustart
So bleibt abschließend die Frage zu klären, woraus solche Geschichten ihre Plausibilität beziehen, die verstandesmäßig ja nicht sonderlich bestechend ausfällt. Ihnen zufolge nehmen die Staatenwelt und die Geldeliten eine Virusinfektion ausgerechnet dazu her, eine systemgefährdende Krise in der Absicht auszulösen, ihren angeblich historisch festgefahrenen Kreditüberbau aus der Bredouille zu bringen und die Herrschaft der Hochfinanz zu errichten.
Das scheint viel einleuchtender zu sein als die Analyse, dass staatliche Anti-Corona-Maßnahmen auf die Volksgesundheit im Sinne der Rückkehr zum beschissenen kapitalistischen Normalzustand abzielen. Die Geschichten vom „Great Reset“ im Sinne einer „Überführung der auf Erwerbsfreiheit und Wettbewerb beruhenden Marktwirtschaft in eine neue Kommandowirtschaft“ (Hofbauer) benötigen die Überzeichnung und Skandalisierung der tatsächlichen Vorgänge und leben davon, weil sie ihre „Systemkritik“ nur als moralische kennen und vortragen.
Die Fortschritte im modernen Kapitalismus verzeichnen Kritiker dieser Art als das Ende eines Ideals, das sie sich von der Marktwirtschaft gemacht haben und mit dem sie sich dort beheimatet fühlen könnten. So erklärt sich auch die oft erstaunliche bürgerliche Angst vor einem Staat, dem man gestern noch demokratisch zugewandt war und den man heute als autoritäres Regime bezeichnet. Eine rationale und systemische Erklärung der Pandemie-Politik und ihrer kapitalistischen Grundlage kommt solchen Klageführern dann geradezu schwach und beschönigend vor.
https://www.heise.de/tp/features/Geschichten-vom-Great-Reset-6025743.html?seite=all
Georg Schuster: Leben wir in einem „Corona-Staat“?
Wenn Gegner der Corona-Maßnahmen die Absicht des Infektionsschutzgesetzes von dessen pandemischem Grund trennen, verpassen sie die Sach- und Rechtslage (Teil 1).
Der Autor dieser Zeilen machte auch bei seinen letzten beiden Texten (hier, hier bzw. hier), in denen es um die Corona-Politik ging, die Erfahrung, dass seine Befassung mit den politökonomischen Verhältnissen bzw. der vorherrschenden – rechten wie linken – Kritik daran von etlichen Usern im TP-Forum als Parteinahme für das „System“ gedeutet und bezeichnet wird.
„Robbypeer“ z.B. konstatiert einen „peinlich dummen Hetzartikel gegen Linke“ und setzt später nach:
„Der Autor (…) hat das Thema nicht ausreichend durchdrungen und versucht offensichtlich, die tatsächlich stattfindenden Angriffe der Finanzelite auf die Bevölkerung zu verharmlosen, zu vertuschen und kleinzureden“ – was gar nicht so leicht ist für einen, der die schönzufärbende Sache „offensichtlich“ nicht recht versteht.
„Bratapfelkuchen“ geht noch einen Schritt weiter und knöpft sich den Autor, der angeblich behauptet, „dass die aktuellen (Corona-) Maßnahmen tatsächlich dem Wohl der Bürger und des Staates dienen“, wie einen Regierungssprecher vor: „Dann belege doch deine Analyse, dass nächtliche Ausgangssperren (…) der ‚Volksgesundheit‘ dienen, dass Masken in der Öffentlichkeit draußen Sinn ergeben, dass Nichtdurchsetzung von Maskenpflicht im Betrieb dagegen Sinn ergibt!“
Diese Aufforderungen bemerken gar nicht, dass der Autor sich weder für die Corona-Politik noch für Alternativen zu ihr zuständig sieht und macht. Genannte Vorwürfe entspringen auch keinem – evtl. unkorrekten – Urteil über die zurückgewiesenen Ansichten, sondern ordnen diese einem vorausgesetzten Denkschema unter.
Bei manchen Usern ist sogar zu beobachten, dass sie selbstbewusst mitteilen, die Lektüre eines zu kritisierenden Artikels bereits nach der Einleitung oder ab einem bestimmten Stichwort eingestellt zu haben, weil ihnen damit schon klar gewesen sei, worauf das weitere „Geschwurbel“ hinausliefe. Solche Leser tun der Ausbildung ihres Urteilsvermögens damit keinen Gefallen. Trotzdem sind auch sie eingeladen, die folgenden Überlegungen zum Thema eines „autoritären Corona-Staats“ kritisch zu prüfen.
„Regime Change“
„Kalkuliertes Risiko“
Corona-Maßnahmen und die Gewaltenteilung
Lesen Sie morgen: „Corona-Staat“ – die Streitlage“: Überlegungen zu dem, was die Gesellschaft „polarisiert“.
https://www.heise.de/tp/features/Leben-wir-in-einem-Corona-Staat-6040562.html?seite=all
Georg Schuster: „Corona-Staat“ – die Streitlage
Überlegungen zu dem, was die Gesellschaft „polarisiert“ (Teil 2 und Schluss)
Die Kritiker des „autoritären Corona-Staats“ schätzen, um das wenigste zu sagen, in ihrem Vertrauen auf Grundgesetz und Gerichte dieselben falsch ein. Dort, wo zum Beispiel ein Demonstrationsverbot richterlich kassiert wird, mögen sie ihrer Freiheitsliebe Recht verschafft sehen, obwohl das Verbot dem Virus und nicht der Meinung galt. Durch seine gerichtliche Aufhebung wurde der Sache nach eine politische Räson gewahrt, die dem freien Meinen der Bürger eine wichtige Rolle beim Gelingen der demokratischen Herrschaft zumisst.
Mit den Worten des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (Grüne), der die umstrittene Maßnahmen-Kritik der 50 Schauspieler verteidigte, heißt das, die Aktion habe nicht gespalten, im Gegenteil: „In einer Demokratie wirkt Streit integrierend“. So sehr und bis dahin, dass das Rechtsgut Meinungsfreiheit in Demonstrationen und Versammlungen gerade so zum Infektionsgeschehen beitragen darf, wie die körperliche Nähe im Erwerbsleben.
Sanktionen
„Polarisierungen“
Theaterdonner
Eine Schlussbemerkung gilt den 50 Schauspielern. Die kritischen Themen, die sie satirisch aufspießen, sind seit Monaten Dauergegenstand in den Talkshows der Nation. Insofern erinnert die Aktion ein wenig an den Spruch, dass schon alles gesagt ist, nur nicht von jedem. Und dieses Rederecht der Künstler verteidigen sogar die FAZ und der Gesundheitsminister. Ein Beteiligter, Christian Ehrlich, beantwortet die Interview-Frage nach „Ihren konkreten Forderungen an die Politik“ so:
„Ich weiß es nicht besser. Ich habe das in diesem Fall aber auch nicht behauptet. Ich sehe die Kollegen am Staatstheater (…). Ich sehe, dass viele nicht wissen, wie es weitergeht. Die Virus-Mutanten sind da, das Problem ist noch nicht weg.“
Und irgendwer muss das Problem doch irgendwie lösen. So geht es, wenn man dem inneren Impetus oder der von außen herangetragenen Erwartung folgt, unabhängig von der Sachdurchdringung „kritisch“ sein zu müssen.(Georg Schuster)
https://www.heise.de/tp/features/Corona-Staat-die-Streitlage-6041312.html