Georg Schuster: Was steht wirklich hinter der Pandemiepolitik?
Von webmaster • Apr. 23rd, 2021 • Kategorie: AllgemeinGeorg Schuster: Was steht wirklich hinter der Pandemiepolitik?
Viele Corona-Kritiker wollen nicht glauben, dass sich der Staat um die Volksgesundheit sorgt. Was leuchtet ihnen aber dann ein? (Teil 1)
Dass ein Virus die Systemfrage stelle, war am Anfang der Pandemie vor einem Jahr oft zu hören. Linke Hoffnungen diesbezüglich haben sich inzwischen weitgehend in die allgemeine Sehnsucht nach einer Rückkehr zur Normalität eingereiht. Und das, obwohl diese Normalität die ganze Grundlage dafür abgibt, dass aus einer Infektionskrankheit eine Jahrhundertkrise hervorgehen konnte.
Die staatlichen Pandemiemaßnahmen unterbrechen eben nicht nur zwischenmenschliche Kontakte, sondern auch etliche Wertschöpfungsketten, auf denen die Reproduktion einer kapitalistischen Gesellschaft wesentlich beruht.
Wo nur produziert und gearbeitet wird, weil daran zu verdienen ist, kommt bei Wegfall oder Einschränkung dieser Bedingung vieles ins Stocken – und wird bei der Bevölkerungshälfte prekär, deren Einkommen im Normalfall bis zum Monatsende reicht.
Sie soll sich dann noch glücklich schätzen, dass sie mit ihrer geschäftsdienlichen Benutzung zur finanziellen Macht ihres Staates beigetragen hat, der damit kompensatorisch in die Krise eingreifen kann. Solche Systemfragen gehen ein Virus nichts an.
Im Pandemieverlauf hat sich eine weitere ökonomische Sicht der Dinge eingestellt, die auf ihre Weise einen Krankheitserreger als ursächlich für die gesellschaftliche Misere ausschließen will – indem sie ihm den Status eines Anlasses oder Vorwands zuweist. Wie das geht, soll an ein paar Fallbeispielen aufgezeigt werden.
Mittelstand
Draghis Leitfaden
Kreative Zerstörung
Für den Wirtschaftsjournalisten kürzt sich dies offenbar so zusammen: „Gebt die Milliarden den steuerflüchtigen Konzernen und all jenen, die ihr Kapital durch die Ausschüttung hoher Dividenden oder durch Aktienrückkäufe dezimiert haben. Das sollte keine Rolle spielen. Niemand soll gezwungen werden, diese Gelder aus der Karibik nach Hause zu holen und sich zu verpflichten, in Zukunft Steuern zu zahlen.“
Das publiziert er ungefähr zeitgleich zu den G-20-Initiativen des US-amerikanischen oder des deutschen Finanzministeriums für eine weltweite Mindestbesteuerung von Unternehmen, die von der lizensierten Freizügigkeit des Kapitals betriebswirtschaftlichen Gebrauch gemacht haben und jetzt, so SPD und Scholz, „zum Gemeinwohl beitragen sollen wie der Bäcker um die Ecke“.
Georg Schuster: Geschichten vom „Great Reset“
Viele „Corona-Kritiker“ wollen nicht glauben, dass sich der Staat um die Volksgesundheit sorgt. Dabei kann sie ihm nicht ganz egal sein, wenn er den kapitalistischen Normalzustand will. (Teil 2 und Schluss)
Die hier thematisierte Sorte Kritik kriegt es durchaus hin, die Staaten einerseits als unsouveräne Gehilfen der „globalen Geldeliten“ zu charakterisieren, ihnen aber andererseits eine Machtentfaltung zu bescheinigen, mit der sie angeblich die ganze Gesellschaft einsperren. Die Behauptung: „Die Rolle des Staates ist geschrumpft oder gar auf dem Weg in die Obsoleszenz“ (Fritz Glunk in seinem Buch „Schattenmächte“) verträgt sich offenbar mit der Potenz, die man dem Verblassenden zugleich bescheinigt: „Bereit machen zum harten Oster-Lockdown! Der Inzidenzhype wird hochgefahren“ (Norbert Häring in seinem Blog „Geld und mehr“).
„Vermeintliche historische Endkrise“
Nach „Drehbuch“
Der Mythos vom großen Neustart
So bleibt abschließend die Frage zu klären, woraus solche Geschichten ihre Plausibilität beziehen, die verstandesmäßig ja nicht sonderlich bestechend ausfällt. Ihnen zufolge nehmen die Staatenwelt und die Geldeliten eine Virusinfektion ausgerechnet dazu her, eine systemgefährdende Krise in der Absicht auszulösen, ihren angeblich historisch festgefahrenen Kreditüberbau aus der Bredouille zu bringen und die Herrschaft der Hochfinanz zu errichten.
Das scheint viel einleuchtender zu sein als die Analyse, dass staatliche Anti-Corona-Maßnahmen auf die Volksgesundheit im Sinne der Rückkehr zum beschissenen kapitalistischen Normalzustand abzielen. Die Geschichten vom „Great Reset“ im Sinne einer „Überführung der auf Erwerbsfreiheit und Wettbewerb beruhenden Marktwirtschaft in eine neue Kommandowirtschaft“ (Hofbauer) benötigen die Überzeichnung und Skandalisierung der tatsächlichen Vorgänge und leben davon, weil sie ihre „Systemkritik“ nur als moralische kennen und vortragen.
Die Fortschritte im modernen Kapitalismus verzeichnen Kritiker dieser Art als das Ende eines Ideals, das sie sich von der Marktwirtschaft gemacht haben und mit dem sie sich dort beheimatet fühlen könnten. So erklärt sich auch die oft erstaunliche bürgerliche Angst vor einem Staat, dem man gestern noch demokratisch zugewandt war und den man heute als autoritäres Regime bezeichnet. Eine rationale und systemische Erklärung der Pandemie-Politik und ihrer kapitalistischen Grundlage kommt solchen Klageführern dann geradezu schwach und beschönigend vor.
https://www.heise.de/tp/features/Geschichten-vom-Great-Reset-6025743.html?seite=all
Ein etwas längerer kritischer Artikel von Sabine Nuss über die Schauspieler-Aktion
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/warum-ging-diese-aktion-nach-hinten-los
mindestens diese zwei Einwände habe ich aber:
a) die Selbstdarstellung der Politik, es ginge ihr ums Individum ganz generell, würde ich so nicht formulieren. Das ist erst einmal die Selbstdarstellung der Politik. Wie Otto Notmalmensch dann dort als Teil des Gesundheitssystems vorkommt, ist nicht identisch mit der Ideologie darüber
b) Relativieren tut Sabine Nuß den hiesigen Lockdown und seine Härten mit dem Hinweis, dass es andernorts noch viel viel schlimmer zugeje, z.B. in der 3. Welt. Das ist mir als Argument zu billig.