Björn Hendrig: Tarifabschluss Metall und Elektro: Was Arbeiter die „Zukunft“ kostet
Von webmaster • Apr. 14th, 2021 • Kategorie: AllgemeinBjörn Hendrig: Tarifabschluss Metall und Elektro: Was Arbeiter die „Zukunft“ kostet
Neue Vereinbarung setzt Linie der „Zukunftstarifverträge“ fort. Was das Kapital für seinen Erfolg braucht, soll es kriegen. Keine angenehme Nachricht für Beschäftigte
Das weiß doch jeder: Wenn die Unternehmen weniger produzieren, werden Beschäftigte entweder entlassen oder arbeiten kürzer, verdienen entsprechend schlechter. Die noch Arbeit haben, dürfen froh sein. Denn ohne den Job fehlt das lebensnotwendige Monatseinkommen, das Arbeitslosengeld fällt deutlich geringer aus und Hartz IV droht. Besser also überhaupt eine Arbeit, wenn auch mit weniger Lohn, als gar keine, oder?
Daher ist es doch eine gute Nachricht, wenn es Tarifverträge gibt, die auf diese Notlage reagieren. Nicht missverstehen: Die Notlage der Unternehmen ist gemeint. Wenn zum Beispiel viele Metall- und Elektrobetriebe, die für die Autoproduktion liefern, wegen Problemen beim Absatz und in Zukunft bei der Umstellung auf Elektroantriebe – „Transformation“ genannt – Auftragsschwankungen unterworfen sind.
Außerdem müssen sie viel Geld in die Hand nehmen, um ihren Betrieb auf die neuen Techniken umzurüsten. Diese Situation trifft auf viel Verständnis – bei der IG Metall. Und sie sorgt sich: „Knapp die Hälfte der Betriebe haben keine oder keine ausreichende Strategie zur Bewältigung der Transformation. Betriebe und Beschäftigte müssen sich auf neue Qualifikationen und zum Teil auch neue Geschäftsmodelle einstellen. Die dazu notwendige Fähigkeit zur Veränderung ist allerdings erst in Ansätzen bemerkbar. Wenn sich die Unternehmen weiterhin so defensiv verhalten, spielen sie Roulette mit der Zukunft der Beschäftigten“, mahnte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann bereits vor rund zwei Jahren.
Das Geschäft läuft nicht? Einfach die Gewerkschaft fragen!
Ohne Profit keine Beschäftigung? Also den Profit sichern!
Die Manager sehen die Krise nicht? Wir wecken sie rechtzeitig!
Mehr Geld jetzt, äh nein, nächstes Jahr, irgendwie und transformiert
Gestiegene Lebenshaltungskosten? Erst „Beschäftigung sichern“!
Bezahlen, um beschäftigt zu werden
Ein „Kompromiss“ ganz nach dem Geschmack der Unternehmen – die wichtigsten Ziele durchgesetzt! So sieht die „Zukunft“ für die Arbeiter aus: auf Gedeih und Verderb abhängig vom Wohl und Wehe der Firma. Das war zwar schon immer so im Kapitalismus. Neu jedoch:
Inzwischen müssen sie dafür bezahlen, beschäftigt zu werden.
Björn Hendrig: Bundesnotbremse? Der Zug rollt weiter!
Wieder werden die Plätze auf den Intensivstationen knapp. Es erkranken und sterben nun auch Jüngere. Und deshalb darf man nicht mehr nach 22 Uhr raus? Wie Ausgangssperre, Volksgesundheit und Wirtschaft zusammenhängen.
Jetzt ist sie also endlich da, die bundeseinheitliche Regelung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Ach nein, so ganz stimmt das ja auch wieder nicht: Die gilt nur ab einer gewissen Durchschnittszahl von Infektionen je 100.000 Einwohner eines Stadt-, Kreis- oder sonstwie definierten Gebiets, binnen sieben Tagen. Die Zahlen 100, 165 und 200 muss man sich nun merken. Ein paar Ausnahmen und Spielräume gibt es weiterhin. Und natürlich der Aufreger überhaupt: Ausgangssperre ab 22 Uhr, es sei denn, man muss mal ganz dringend raus, also Joggen oder mit dem Hund.
Zwischen verständnislosem Kopfschütteln, Verärgerung über mangelnde Konsequenz und heftiger Kritik an der Ausgangssperre, weil Eingriff in ein Grundrecht, fällt das Feedback für die „Bundesnotbremse“ mehrheitlich negativ aus. Wieder kann die neue Entscheidung der Regierenden kaum jemanden zufriedenstellen. Klagen gegen das Infektionsschutzgesetz häufen sich beim Bundesverfassungsgericht.
Allerdings hat es nun Eilanträge gegen die nächtliche Ausgangsbeschränkung abgelehnt. Eine Vorentscheidung ist damit aber nicht gefallen. Und rund 50 prominente Schauspieler echauffierten sich in Videoclips über eine Situation zum Verzweifeln, lassen allerdings auch Zweifel darüber zu, wie denn ihre künstlerisch wertvollen Vorschläge zur richtigen Pandemie-Bekämpfung aussehen. Aber man wird ja wohl noch mal was Kritisches sagen dürfen, oder?
Darf man, natürlich. Besser wäre es sogar, man würde sich Klarheit verschaffen, was es mit diesem seit mittlerweile über einem Jahr andauernden Hü und Hott in der Pandemie-Bekämpfung auf sich hat. Regelmäßige Telepolis-Leser sind da im Vorteil: In einigen Beiträgen gab es dazu bereits hinlängliche Erläuterungen (unter anderem: „Zwischen Pest und Cholera“). Zur Erinnerung und Aktualisierung für das Stammpublikum und für etwaige Neulinge daher an dieser Stelle noch einmal einige Ausführungen zum Zusammenhang zwischen unbedingt zu erhaltender Profitproduktion.
Ausgangssperre – Prinzip Versuch und Irrtum
Alles wissen es besser, je nach Perspektive
Schnell raus aus der Pandemie – Extra-Profit winkt!
Zwei Sorten Geschäft: Die eine muss laufen, die andere darf nicht
Infektionsherd Unternehmen: Ach, das gibt es auch?
Neue Bedingungen für die Integration von „Corona“ im Betrieb
Drohender Personalmangel alarmiert den Staat
Das Leiden und Sterben wird weitergehen – aber bitte in Maßen
Auch nach dem Impfen ist diese Gesellschaft nicht immun
Genau dafür taugte der Bericht: Den Ernst der Lage unterstreichen und damit die Notwendigkeit der neuen Vorschriften. Von der Verantwortung des Politikers für die Situation war natürlich keine Rede. Und wenn endlich genügend Menschen geimpft sind, kann es wieder ganz normal weitergehen mit dem ordentlichen Regieren. Danach sehnen sich die Politiker. Nur Vorsicht: Die „Normalität“ dieses Wirtschafts- und Gesundheitssystems hat für die verheerenden Wirkungen der Pandemie gesorgt. Auch nach dem Impfen ist diese Gesellschaft nicht immun.(Björn Hendrig)
https://www.heise.de/tp/features/Bundesnotbremse-Der-Zug-rollt-weiter-6041430.html