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Theo Wentzke: Zur Wohnungsfrage im Kapitalismus (Teil 1 und 2)

Von • Jan. 15th, 2021 • Kategorie: Allgemein

Der Besitz an Grund und Boden und der Mietmarkt sind Besonderheiten in der herrschenden Wirtschaftsweise.

Zur Wohnungsfrage im Kapitalismus (Teil 1)

Von Theo Wentzke

Es herrscht akute Wohnungsnot. Wie immer mangelt es nicht an guten Vorschlägen, wie diesem Problem zu begegnen wäre. Aktivisten wettern gegen Auswüchse der Spekulation und Preistreiberei, die man politisch allemal verbieten oder bremsen könnte; progressive Parteien fordern einen Mietendeckel und sogar Enteignungen – dann wären die Mieten vielleicht wieder bezahlbar. Eigentümergesellschaften und ihre freidemokratischen Interessenvertreter können vor so etwas nur

warnen: Wenn man den Eigentümern Vorschriften macht und Fesseln beim Mietpreis anlegt, dann lohnen sich Investitionen in neue Wohnungen nicht mehr und unterbleiben deswegen. Dann ist der Wohnraum knapp, und die Mieten – da kennen sie sich aus – steigen nur noch weiter. Das Gegenteil – Abräumen der Schranken für ihr Geschäft – würde helfen, dann klappt’s vielleicht auch wieder mit dem Wohnen.

Man kann gar nicht sagen, in diesem Disput hätte eine Seite recht und die andere nicht. Recht haben sie beide in dem Sinne, dass genau so die politische Betreuung der Wohnungsfrage im Kapitalismus geht: Ermächtigung und Beschränkung als Hebel der Politik. Unrecht haben sie insofern, als das ausgerufene Problem sowohl so als auch anders garantiert nicht »gelöst« wird. Denn wo Grund und Boden durch die Macht des Staates zu privatem Eigentum gemacht ist und als stattliche Einkommensquelle lizenziert wird, sind die Ansprüche des Grundeigentums so unhintergehbar wie unvereinbar mit den Wohnansprüchen eines in der Erwerbsarbeit eingehausten Volkes und den Erträgen aus dieser seiner Einkommensquelle.

 

Das Produkt Wohnung

Sonderfall Grund und Boden

Grundeigentum – unkapitalistisch

Grundeigentum – antikapitalistisch

Das Un- und Antikapitalistische des Grundeigentums gibt den politökonomischen Grund, die Notwendigkeit dafür ab, dass Fragen solcher Art immer wieder aufkommen. Der Staat denkt zwar nicht einmal daran, seine Lizenzierung des Grundeigentums grundsätzlich zu widerrufen, aber immerhin gibt ihm der Gegensatz des Grundeigentums zu den kapitalistischen Einkommensquellen dauerhaft zu tun. Die politische Streitkultur bringt es sogar bis zu solchen Forderungen wie der nach »Enteignung«. Die Frage, wie das Grundeigentum mit seinen Ansprüchen einzupassen ist in das bürgerliche Gemeinwesen, ist für dessen politische Hoheit jedenfalls dauerhaft präsent.

 

Weiterführendes zur Wohnungsfrage im Kapitalismus erklärt der Artikel »Wohnungsnot und Mietpreisexplosion. Das Grundeigentum und der Wohnungsmarkt«, der in Gegenstandpunkt 2/2014 erschien. Das Heft ist im Buchhandel und beim Verlag unter https://de.gegenstandpunkt.com zu beziehen.

 

Theo Wentzke schrieb an dieser Stelle zuletzt in der Ausgabe vom 16. Dezember 2020 über die Rolle Alexej Nawalnys in der russischen Politik.

 

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 12.01.2021/ Seite 12 / Thema:

Kapitalismus und Wohnungsmarkt

https://www.jungewelt.de/artikel/394108.kapitalismus-und-wohnungsmarkt-ganz-normale-anomalie.html

 

vgl:

Wohnungsnot und Mietpreisexplosion – Das Grundeigentum und der Wohnungsmarkt (GS 2-14)

In deutschen Großstädten ist eine neue Wohnungsnot ausgebrochen.

Dass die elementare Lebensbedingung für die arbeitende Bevölkerungsmehrheit ein Luxus ist, den sie sich kaum leisten kann, wird hochoffiziell als „soziales Problem“ anerkannt. Politiker versprechen unentwegt, sich dafür einzusetzen, dass „das Wohnen bezahlbar bleibt“ – was schon alles sagt: Nach 150 Jahren kapitalistischen Wachstums ist es das für viele eben nicht.

Die Betroffenen bekommen auf diese Weise zu spüren, dass die Wohnung, von der manche fordern, sie dürfe keine Ware sein, tatsächlich keine gewöhnliche Ware ist. Der Artikel behandelt die kapitalistische Reichtumsquelle Grundeigentum, die Konkurrenz mit und um die Nutzung von Grund und Boden, die unausweichlichen ‚sozialen Folgen‘ für den Wohnbedarf der Bevölkerung, den Umgang des Staates mit der Wohnungsfrage und die Proteste gegen ‚Mietwucher‘ und ‚Gentrifizierung‘.

 

I. Vermieten und Verpachten – Womit Grundeigentümer Einkommen erzielen

II. Der Bodenpreis – der spekulative Wert des Grundeigentums

III. Pacht und Miete haben die Bodenpreise zu rechtfertigen: Die Subsumtion des kapitalistischen Gebrauchs unter die Qualität des Bodens als fiktives Kapital

IV. Der Staat anerkennt, organisiert und beschränkt das Grundeigentum: Raumordnung und Flächennutzungsplan

V. Das Geschäft mit dem Wohnen: eine soziale Konfrontation

VI. Der Staat bewirtschaftet den Wohnungsmarkt: Die Armut und das Geschäft, das sie beansprucht, müssen koexistieren können

VII. Mieterprotest

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/grundeigentum-wohnungsmarkt

 

 

Seiner Besonderheiten zum Trotz ist das Grundeigentum doch voll in die Wirtschaftsform integriert. Zur Wohnungsfrage im Kapitalismus (Teil 2 und Schluss)

Von Theo Wentzke

 

Auf Basis des bisher Erläuterten entwickelt das Grundeigentum doch noch eine ungemein systemkonforme und auf seine Art sogar kapitalistisch produktive Wucht: So stellen Grund und Boden in der Marktwirtschaft einen eigenen Sektor handelbarer Güter dar, figurieren auf einem eigens für sie geschaffenen Markt als Werte, die glatt ihren Teil zum kapitalistischen Reichtum und seiner Vermehrung beitragen. Geldvermehrung statt bloßen Abgreifens von Geld – wie geht das bei dieser an und für sich unproduktiven Erwerbsquelle?

Von der Erwerbsquelle zum Wertobjekt

Vom Wertobjekt zur Kapitalanlage

Der Mieter …

… und seine politischen Fürsprecher

Die Forderung nach Enteignung

Es ist der klassische Widerspruch linker Politik, mit viel Verbesserungswillen Systemfragen aufzuwerfen, ohne sie überhaupt ernsthaft anpacken zu wollen. Hier wird die Hoffnung beschworen, die ungeliebten Konsequenzen der kapitalistischen Ordnung, der die Staatsgewalt sich verpflichtet weiß und deren Prinzipien sie schützt, ließen sich von dieser Ordnung und ihren Prinzipien abtrennen; mit Verbesserungen könne dem System sein schlechter Charakter abgekauft werden. Demgegenüber haben die reaktionären Schreihälse viel mehr recht, als einem lieb sein kann: Wie immer, wenn sie gute Verbesserungsvorschläge zurückweisen, bestehen sie in offensivem Zynismus darauf, wie unrealistisch und aufrührerisch das alles ist, bestehen also – sehr lehrreich – auf der Unverbesserlichkeit des Kapitalismus: Das Schädliche am Eigentum lässt sich nicht unterbinden, ohne dem Eigentum zu schaden. Wo sie recht haben, haben sie recht.

 

Weiterführendes zur Wohnungsfrage im Kapitalismus erklärt der Artikel »Wohnungsnot und Mietpreisexplosion. Das Grundeigentum und der Wohnungsmarkt«, der in Gegenstandpunkt 2/2014 erschien. Das Heft ist im Buchhandel und beim Verlag unter https://de.gegenstandpunkt.com zu beziehen

 

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 13.01.2021 / Seite 12 / Thema:

Kapitalismus und Wohnungsmarkt

 

https://www.jungewelt.de/artikel/394109.kapitalismus-und-wohnungsmarkt-irre-systemkonform.html

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