Gruppe K: Mordversuch an „Kreml-Kritiker“ Nawalny – Zehn Zweifel und ein Zwischenfazit
Von webmaster • Sep. 6th, 2020 • Kategorie: AllgemeinGruppe K: Mordversuch an „Kreml-Kritiker“ Nawalny – Zehn Zweifel und ein Zwischenfazit
Wenn die Masse der veröffentlichen Meinungen in Deutschland ein Indiz für die Richtigkeit ihrer Behauptungen wäre, dann gibt es keinen Zweifel mehr: Hinter dem angeblichen Mordversuch an Alexei Nawalny steht Putin, der Geheimdienst und überhaupt „das russische System“ samt Ärzten und Krankenhaus. Wieder einmal haben „sie“ versucht, einen „Kremlkritiker“ mit einem russischen Gift der Gruppe Nowitschok zu ermorden. Die Konsequenzen sind auch klar:
Weitere Sanktionen und Aufrüstung gegen Russland, North-Stream II muss kurz vor Fertigstellung beendet werden usw.
So kann man es sehen und man befindet sich damit – ganz ohne Zweifel – meinungsmäßig in bester Gesellschaft. Zweifel gibt es allerdings schon:
- Warum legt das Münchner Institut der Bundeswehr seine angeblichen Befunde über die Vergiftung Nawalnys nicht zur internationalen wissenschaftlichen Überprüfung offen und übermittelt sie gleichzeitig den russischen Behörden?
- Warum sollten diese Befunde einer militärischen Einrichtung der NATO glaubhafter sein als die Befunde eines zivilen Krankenhauses in Omsk?
- Wie passen die Befunde der Bundeswehr zu den anders lautenden Befunden der ebenfalls deutschen Berliner Charitée?
- Wenn tatsächlich der „Kremlkritiker Nawalny“ mit Nowitschok vergiftet sein sollte – die Beweise fehlen bisher bekanntlich – warum sollte sich der russische Staat ausgerechnet dieser Substanz bedienen? Stehen einem staatlichen Geheimdienst mittlerer Größenordnung nicht andere Methoden zur Verfügung, wenn er seine Urheberschaft verschleiern möchte? Und umgekehrt: Welches Interesse sollte der Kreml zur Zeit haben, sich eine solche internationale Verwicklung einzuhandeln?
- Wenn das besagte Gift schon im Mikrogrammbereich tödlich wirkt – warum sollte es dann dem Geheimdienst eines halbwegs potenten Staates nicht möglich sein, die letale (tödliche) Dosis zu verabreichen?
- Wenn es sich tatsächlich um das besagte Gift handelt, warum entwickeln sich die Vergiftungserscheinungen von Herrn Nawalny nicht so, wie es diesem Gift zugeschrieben wird? Zu den toxikologischen Zweifeln lesenswert ist der Beitrag von Florian Rötzer am 3.9. in Telepolis!
- Warum bringen Politik und Presse im Westen den möglichen Mordversuch in direkte Verbindung mit geopolitischen Auseinandersetzungen um den Einfluss in Syrien, Libyen, Belarus und Nord Stream II?
- Alle Zweifel einmal spielerisch beiseite geräumt – Sind politische Morde im Reich (pro)amerikanischer Potentaten ein Grund für die Infragestellung von Rohstoffimporten in die BRD und geopolitischen Bündnissen?
- Sofern Fakten, Logik und Zweifel schon nicht interessieren und die Urheberschaft für die Vergiftung Nawalnys ganz nach dem Motto „cui bono?“ (lat. wem nützt es?) gestellt wird: Darf man dann vielleicht auch mal amerikanische, polnische und baltische Quellen verdächtigen, denen der Fall aus unterschiedlichen Gründen hoch willkommen ist?…
- Worin unterscheidet sich eigentlich die pluralistische Presse deutschen Musters von „fake news“ und „Manipulation“ in Feindstaaten, wenn ganz banale Zweifel nicht mehr ausgesprochen werden?
Zwischenfazit:
- a) Politische Morde bzw. Mordversuche mit geopolitischer Bedeutung sind nicht aufklärbar, weil Ankläger und Angeklagte gleichsam Inhaber souveräner Gewaltanwendung sind und ihnen Strafverfolgungsbehörden und Justiz unterstehen, Täter und Richter also in eins fallen.
- b) Das Urteil der westlichen Presse fällt in solchen Fällen nicht weniger parteilich aus, ist nicht weniger geschlossen und nicht weniger irrational, als in jenen Ländern, die so vorwurfsvoll einer „gelenkten Öffentlichkeit“ samt „fake news“ bezichtigt werden.
- c) Es liegt hier wie dort an den Leser_innen und Zuschauer_innen „der Presse“, ob sie aus patriotischen Gründen „ihren“ Massenmedien Glauben schenken wollen, oder ob sie ihren Verstand einschalten und sich ein distanziertes Verhältnis zur politisch-medialen Hetze und zum internationalen Machtkampf erlauben.
Vielleicht ist abschließend auch die folgende ketzerische Frage nicht ganz unberechtigt: Was haben eigentlich ganz normale Leute in Russland, Deutschland und den USA vom internationalen Kampf der Eliten um Geld und Gewalt?
Aus aktuellem Anlass: Der Fall Skripal (GS 2-18)
Der Nutzen eines gemeinsamen Feindes für die Bekräftigung der problematischen Einheit des Westens
Dass die Staaten des zerrütteten Westens – immer noch oder wieder – eine gewisse Front kennen, auf deren Gegenseite Russland steht, hat vor kurzem der „Fall Skripal“ bewiesen. In diesem Sinne führt der Artikel vor, zu welchen Meisterleistungen des Schwachsinns eine öffentliche „Meinungsbildung“ aufgelegt ist, wenn von vornherein feststeht, dass alle Spuren nach Moskau führen. Und er reicht die wirklichen Gründe dafür nach, dass sich Großbritannien mit den Hauptmächten des europäischen Clubs, aus dem es neulich ausgetreten ist, und mit der US-Weltmacht auf ein bisschen eskalierte Anti-Russland-Politik einigt; warum und womit nämlich Russland allseitige Unzufriedenheit auf sich zieht.
1. Rasante Fortentwicklung beim Ausbau des Russland-Feindbilds
Die Schuldfrage ist vor jeder Ermittlung entschieden
Die Beweisfindung
2. Die politische Leistung: was aus dem Fall gemacht wird
Die „Bestrafung“
3. Warum und zu welchem Zweck das Vereinigte Königreich in aller Souveränität einen ernstlichen Konflikt mit Russland vom Zaun bricht
4. Warum die englische Regierung sich diese Art von Russland-Bestrafung schuldig ist
5. Warum die NATO und das übrige Europa sich der britischen Russland-Kampagne anschließen
Ein hochwillkommener Beweis dafür, dass die NATO überhaupt nicht obsolet ist
„Doch über alldem steht die europäische Geschlossenheit an erster Stelle“
Wenn die Feinddefinition so gut verankert ist, braucht man ja auch die Repressalien gegen Russland gar nicht mehr aus „einzelnen Ereignissen“ herauszuleiern, sondern kann gleich auf der prinzipiellen Ebene des in der Rechtfertigungslogik festgezimmerten „Musters“ loslegen.
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/fall-s