Theo Wentzke: Nippon first
Von webmaster • Juni 28th, 2018 • Kategorie: Allgemein
Japan unter Shinzo Abe (Teil I): Nippon first
Der ostasiatische Industriestaat kommt seit Jahren nicht aus der Krise heraus. Für das ehrgeizige Ziel, unabhängige imperialistische Macht zu werden, soll die gesamte Bevölkerung mobilisiert werden.
Von Theo Wentzke
Japans Ministerpräsident Shinzo Abe regiert seit 2012 einen der weltweit größten und modernsten kapitalistischen Staaten: Riesige Kapitale sind dort beheimatet, die in Fabriken auf technologisch höchstem Niveau rund um die Uhr produzieren und das Land mit ihrer fortwährend betriebenen Forschung und Entwicklung zu einer der führenden Nationen im Bereich von Erfindungen und Patenten machen. Japan ist komplett erschlossen mit modernster Infrastruktur von Glasfaserkabeln über Hochgeschwindigkeitszüge bis hin zu einem auch atomar betriebenen Energienetzwerk. Über den eigentlichen Schmierstoff einer kapitalistisch produzierenden Nation verfügt das Land selbstredend auch: einen entwickelten Finanzmarkt mit gewaltigen institutionellen Akteuren im Banken- und Versicherungswesen. Dabei stehen ihm Massen lohnabhängiger Arbeitskräfte für alle Dienste zur Verfügung, nach denen die Wirtschaft verlangt.
In deutlichem Kontrast dazu steht, woran laut Abe das Schicksal der Nation hängt: der moralische Zustand des Volkes – seine Arbeitsamkeit, seine Opferbereitschaft, sein kollektives Selbstvertrauen. Um den ist es aber seiner festen Überzeugung nach überhaupt nicht gut bestellt, womit er die nun schon seit Jahrzehnten nicht überwundene wirtschaftliche Krise des Landes erklärt: »Die größte Krise, der sich unser Land derzeit gegenübersieht, besteht darin, dass die Menschen in Japan das Vertrauen in sich selbst verloren haben (…). Wenn man das Vertrauen verloren hat, ›durch eigene Anstrengungen wachsen zu wollen‹, dann können sowohl der einzelne als auch das Land als Ganzes für sich keine leuchtende Zukunft erschließen.«¹
Sein Kampfprogramm gegen die Krise stellt er folgerichtig als eines der moralischen Erneuerung vor, das die der japanischen Volksseele seit jeher innewohnenden Tugenden reaktivieren und so die japanische Nation zu dem Glück und der Größe führen soll, die sie verdiene.
Es geht Abe um »nicht weniger als das Vorhaben, ›neue Japaner‹ hervorzubringen, die die Verantwortung für die kommenden Jahre schultern werden. Wer sind nun diese ›neuen Japaner‹? Es sind Japaner, die keine der guten Qualitäten der Japaner vergangener Tage abgelegt haben; Japaner, die Armut verabscheuen und fest daran glauben, dass in der Freude an harter Arbeit universelle Werte gefunden werden können; Japaner, die sich seit den Tagen, als Asien noch ein Synonym für ›arm‹ war, unermüdlich für den Aufbau der asiatischen Volkswirtschaften eingesetzt haben, in der Überzeugung, dass es keinen Grund gibt, warum nicht auch die anderen asiatischen Länder in der Lage sein sollten, das zu erreichen, was den Japanern selbst gelungen ist. Wie ihre Väter und Großväter erfreuen sich die ›neuen Japaner‹ an jedem einzelnen ihrer selbstlosen Beiträge.
Wenn sich etwas verändert hat, dann, dass nun zunehmend auch Frauen sowohl Empfänger als auch Verantwortliche für Japans Hilfe und Zusammenarbeit sind (…).«²
Aufgeschobene Krise
Unrentables Volk
Emanzipation vom Dollar
Theo Wentzke ist Redakteur der Zeitschrift Gegenstandpunkt. Zuletzt erschien von ihm auf diesen Seiten am 18. Mai dieses Jahres der Beitrag »Unordnung im Hinterhof« über die EU-Politik auf dem westlichen Balkan.
Aus: junge Welt – Ausgabe vom 28.06.2018 / Seite 12 / Thema
https://www.jungewelt.de/artikel/334999.nippon-first.html
vgl:
„Japan unter Abe – „Weltmacht oder gar nicht sein“ auf ostasiatisch“ (GS 2-18)
Der Artikel stellt klar, warum entgegen allen Beteuerungen, Trump sei ein aus der Art gefallener Psychopath, sein ‚Politikstil‘ heute so in Mode und die aufgeklärt-demokratische Staatenwelt inzwischen bevölkert ist mit Sonnenkönigen vom Schlage eines Abe: Weil es eben nicht um einen Stil von Politik geht, sondern um ihren imperialistischen Kern: In der Konkurrenz gegeneinander bestreiten sich die Macher- und Nutznießernationen des globalisierten Kapitalismus wechselseitig die nationalen Erträge, um die es ihnen geht, und stellen sich deshalb reihum die Frage, was sie als nationale Mächte überhaupt noch vermögen und sind. Darum verlangen rund um den Globus Staatsführer ihren Völkern nationale Aufbrüche ab, von denen alle wissen, dass sie mit materiellen „Besitzständen“ der Massen und oft auch mit gewissen demokratischen Umständlichkeiten der staatlichen Herrschaft nicht verträglich sind.
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