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Theo Wentzke in der jungen Welt: Souverän isoliert

Von • Okt. 31st, 2016 • Kategorie: Allgemein

Theo Wentzke: Souverän isoliert

 

Mit dem Brexit vergrößert das Vereinigte Königreich seinen Handlungsspielraum, beraubt sich aber selbst seiner wirtschaftlichen Geschäftsgrundlage. Über die politökonomischen Hintergründe des Austritts Großbritanniens aus der EU

 

Von Theo Wentzke

 

Die Europäische Union muss sich ändern. Sie muss die Beziehungen zwischen den Ländern mit dem Euro und denen ohne ihn – wie Großbritannien – auf eine stabile, langfristige Grundlage stellen.

(…) Wir müssen dafür sorgen, dass es für uns ein Vorteil ist, in der EU, aber außerhalb der Euro-Zone zu sein, und dass diese Position ein Land nicht in einen Befehlsempfänger (Ruletaker) statt einen Regelsetzer (Rulemaker) verwandelt.« (Premierminister David Cameron, Rede in Chatham House, 10.11.15)

Europa heute, das ist vom britischen Standpunkt aus eine nicht mehr hinnehmbare Spaltung der Europäischen Union in zwei Kategorien von Mitgliedern mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten: die Staaten mit und ohne die gemeinsame Währung. Auch London erkannte an, dass die anhaltende Staatsschuldenkrise die Euro-Länder zwang, sich ökonomisch und politisch enger zusammenzuschließen. Aber nicht akzeptieren wollte die Regierung, dass die Zwänge zur Integration der Euro-Zone auf Kosten der Staaten gehen, die ihr nicht zugehören. Wenn die britische Macht nicht mehr die europäischen Regeln entscheidend mitbestimmen kann, dann ist die EU nichts mehr für sie! Der Außenseiter ist viel zu ambitioniert, um sich durch den geschlossenen Klub der Eurostaaten vom »Rulemaker« zum »Ruletaker« degradieren zu lassen – und drohte mit dem EU-Austritt, um das Staatenbündnis zu Reformen und Zugeständnissen zu zwingen. Die Manöver der Regierung Cameron wie ihrer europäischen Gegenparts, durch Neuverhandlung der Bedingungen für die britisch Mitgliedschaft die Fortschritte der Euro-Zone nicht zum Brexit eskalieren zu lassen, haben jedoch genau zu diesem Resultat geführt – und die Unhaltbarkeit des Verhältnisses zwischen Großbritannien und einer EU mit der Einheitswährung und der Euro-Zone als ihrem politischen Kern zur klar vor Augen geführt. (…)

 

Finanzgeschäfte mit dem Euro

Verschärfter Widerspruch

Bleiben oder gehen?

Vermeintlicher Befreiungsschlag

 

Theo Wentzke ist Redakteur der Zeitschrift Gegenstandpunkt. Zum Austritt Großbritanniens aus der EU ist auch ein umfangreicher Beitrag im aktuellen Heft des Periodikums erschienen. Es kann unter gegenstandpunkt@t-online.de bezogen werden.

 

Quelle: junge Welt – Ausgabe vom 31.10.2016, Seite 12 / Thema

http://www.gegenstandpunkt.com/gs/2016/3/inhalt20163.html

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