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Suitbert Cechura: Kampf fürs Kapital

Von • März 31st, 2025 • Kategorie: Allgemein

Kampf fürs Kapital
IG Metall und IG BCE verstehen die Wahrnehmung von Arbeiterrechten stets vor dem Hintergrund des Erfolgs der deutschen Wirtschaft. Eine Kritik
Von Suitbert Cechura

Wenn 80.000 Gewerkschafter im Rahmen eines Aktionstages auf die Straße gehen, schlägt manchem Linken das Herz höher. Obwohl bei näherem Hinsehen gleich klar war, dass »es bei den erwartbaren Appellen an Union und SPD« bleibt und die sozialen Widersprüche »im nationalen Taumel untergehen«.¹ Den Leitmedien ist ein solcher Auflauf allenfalls eine Randnotiz wert, können sie sich doch sicher sein, dass davon keine Störung der öffentlichen Ordnung oder des sozialen Friedens ausgeht.

Insofern ist das schon ein seltsamer Protest, der da halbwegs massenhaft auf die Straße getragen wurde. Schließlich wandten sich die Gewerkschafter nicht gegen ihre »Arbeitgeber«, sondern demonstrierten für den Erfolg Deutschlands als Industrienation.

Die Demonstrationen richteten sich an den Staat; der sollte dafür sorgen, dass die Reichen wieder die Sicherheit bekommen, dass sich ihre Investitionen in der Industrie auch lohnen: »Quer durchs Land stehen Arbeitsplätze auf der Kippe. Industriebetriebe ächzen unter den hohen Strompreisen und der schwachen Nachfrage. Marode Straßen, Schienen und Brücken kosten Zeit und Geld bei Transport und Montage. Die nächste Bundesregierung muss das Ruder schnell rumreißen. Sie muss Geld in die Hand nehmen, die Bedingungen für die Industrie verbessern.«²

Wegen Gewinneinbrüchen entlassen Unternehmen Arbeiter und Angestellte, um mit geringeren Kosten billiger zu produzieren. Das bedeutet, dass die verbleibende Mannschaft intensiver rangenommen werden soll. Das aber scheint den Gewerkschaftern die größte Selbstverständlichkeit zu sein: Sie klagten nicht über die Entlassungen (was sie bei Bedarf auch können), sondern über die hohen Stromkosten der Unternehmen. Die hohen Kosten belasten zwar auch die Haushalte der Gewerkschaftsmitglieder, aber ihre Gewerkschaft hat offenbar andere Sorgen, als das zum Argument für mehr Lohn zu machen. Und marode Straßen, Schienen und Brücken gestalten den Weg zur Arbeit bekanntlich zu einem Hindernislauf, die Sorge der Arbeiterpolitiker gilt aber dem Aufwand der Unternehmen.

Arbeitsplatz als Kampfargument

Mitbestimmung

Herrschaft des Kompromisses

Mitglieder als Statisten

Betriebsbedingte Kündigungen

Aktionstag für die Regierung

Der besagte Aktionstag von IG Metall und IG BCE war schon angesetzt, bevor es die Sondierungsgespräche der Parteien über die Billionen-Schulden-Programme gab. Mit ihren Forderungen an die Politik in Sachen Förderung der Wirtschaft als Arbeitsplatzsicherungsprogramm zeigen sie sich also politisch ganz auf der Höhe der Zeit. Steht doch auch die Politik auf dem Standpunkt, dass alles vom Erfolg Deutschlands und seiner Wirtschaft in der Welt abhängt und der Bürger dafür Opfer zu bringen hat – bis hin zum Einsatz seines Lebens, wie das massive Aufrüstungsprogramm unterstreicht.

Die Sicherheit Deutschlands ist eben nicht identisch mit der persönlichen Sicherheit. Je mehr die Handlungsfreiheit deutscher Politik durch Aufrüstung gesichert wird, desto unsicherer wird die persönliche Situation, da Krieg nicht ausgeschlossen ist, ja gerade mit der Gewissheit, ihn erfolgreich zu bestehen, auf den Weg gebracht wird.

Dass der Erfolg der deutschen Wirtschaft nicht mit dem Erfolg des Einzelnen zusammenfällt, haben die Gewerkschaften auch beispielhaft bei VW und Audi vorexerziert.⁵ Das dortige Arbeitsplatzsicherungsprogramm schließt Massenentlassungen mit Abfindungen, Frühverrentungen und Lohnsenkungen ein.

Fazit: Ein solcher Verein, der für Aufrüstung, Lohnsenkung und Entlassungen eintritt, leistet alles Mögliche, aber nicht die Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten.

Suitbert Cechura schrieb an dieser Stelle zuletzt am 31. Oktober 2024 über die Änderung des Medizinforschungsgesetzes im Interesse des Pharmakonzerns Eli Lilly: »Ein ganz normaler Vorgang«
https://www.jungewelt.de/artikel/486911.gesundheitspolitik-ein-ganz-normaler-vorgang.html?sstr=

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 27.03.2025 | Seite 12 / Thema: Sozialpartnerschaft

https://www.jungewelt.de/artikel/496819.sozialpartnerschaft-kampf-frs-kapital.html

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