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Norbert Wohlfahrt: Die dealorientierte Weltordnung

Von • März 16th, 2025 • Kategorie: Allgemein

Die dealorientierte Weltordnung
Kalkulierter Regelbruch. Unter Donald Trump verfolgen die USA eine libertär-konservative Agenda des schrankenlosen Kapitalismus. Zur Ideologie des »Trumpismus«
Von Norbert Wohlfahrt

Am 25. September 2015 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen unter dem Titel »Transformation für unsere Welt« eine Resolution, die als Agenda 2030 der regelbasierten Weltordnung eine konkrete Gestalt zu geben versucht.

Sie versteht sich als Aktionsplan für den Menschen, den Planeten und den Wohlstand. Ziel ist es, den universellen Frieden in größerer Freiheit zu sichern. Eine alle Staaten umfassende, völkerrechtlich fundamentierte und unter amerikanischer Führung ihren Kapitalismus vorantreibende Weltordnung, das war das Ideal des regelbasierten Globalismus, dem die Trump-Regierung nun ein Ende setzt.

Blickt man heute auf diese Weltordnung, dann kann von dem Ideal einer völkerrechtlich regulierten und gemeinsamen Prinzipien verpflichteten Staatenwelt nicht mehr die Rede sein. Die USA als dominanter Schöpfer und Treiber des globalen Kapitalismus stellen deren Regeln nicht nur in Frage, sie machen auch mit Nachdruck deutlich, dass sie darin einen Angriff auf ihre Souveränität und nationale Sicherheit sehen.

Die Zurückweisung der regelbasierten Weltordnung erfolgt dabei auf unterschiedlichen Ebenen gleichzeitig: Multilaterale Institutionen und Prozesse werden abgelehnt; völkerrechtliche Erwägungen finden bei der Vorgehensweise in außenpolitischen Entscheidungen keinerlei Berücksichtigung. Nationale Interessen sind in jeder Hinsicht vorrangig vor völkerrechtlichen Prinzipien. Die Souveränität der USA hat in allen Fragen internationaler Konfliktregelungen oberste Priorität, und »die Welt« hat hierzu die notwendigen Zuträgerdienste zu leisten.¹

Mit dem Ausscheren aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, dem INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen, dem Austritt aus UN-Organisationen, dem Rückzug aus dem UN-Menschenrechtsrat, der Zurückweisung jeglicher internationalen Gerichtsbarkeit, der Strafandrohung für eine »amerikafeindliche« Urteilsfällung und anderem mehr verdeutlichen die USA unter der Regierung Trump, dass die Regeln der Weltordnung allein den Maßstäben einer amerikanische Interessen priorisierenden Weltherrschaft dienlich sein sollen.

Deal und Dealer

Die letzte Schlacht

Freiheit und Nation

Die geopolitische Mission

Moral und Gewalt

Die MAGA-Bewegung versteht sich als eine Bewegung mit einer Mission, die den Geist eines von allen Einschränkungen befreiten Kapitalismus in Konflikt mit dem Geist regulierender Staatlichkeit sieht. Das soll durch eine andere Praxis korrigiert werden: Sie besteht in der Herbeiführung von Gesellschaften, die der kapitalistischen Vermehrung von Eigentum ihr gesamtes Dasein widmen.

Und die Bewegung spricht offen aus, dass diejenigen, deren Wille oder Ressourcen hierzu nicht ausreichen, den Wohlstand, den der Kapitalismus verheißt, nicht verdient haben. Massendeportationen, Aushungern missliebiger Staaten, Aneignung fremder Territorien und Deals auf der Basis von Erpressung sind notwendige Mittel, der Welt den amerikanischen Freiheitstraum näher zu bringen.

Die Zusammengehörigkeit von Moral und Gewalt wird am Beispiel einer Wohlstandsvermehrung durch America First geradezu lehrbuchartig vorexerziert und es nutzt wenig, Gewaltfanatikern vorzuhalten, sie seien Faschisten. Wo käme man da bei all den Hofreiters, Strack-Zimmermanns usw. hin?

Insofern könnte auch die Linke vom Trumpismus und seiner Analyse lernen.

Milliardäre sind keine »Gefahr für die Demokratie«, wie der Vorsitzende der Linkspartei Jan van Aken meint, sondern überzeugte Anhänger einer Volksherrschaft zum Zwecke der Privateigentumsvermehrung. Musk und andere bauen auch nicht ihre »unsoziale Politik« weiter aus, sondern sehen das Soziale allein durch uneingeschränkte Kapitalakkumulation gewährleistet. Und die MAGA-Bewegung will die USA auch nicht »wie einen Konzern« führen.⁷

Wer am Trumpismus nur auszusetzen hat, dass er Reiche noch reicher macht, setzt ihm nur die alternative Moral entgegen, dass die Armen doch auch Berücksichtigung finden sollten und die Abschaffung von Fürsorge das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit verletzt. Das ist gegenüber der Wucht einer MAGA-Mission, die all diese Ideale auf den Müllhaufen der Geschichte bugsiert sehen will, deutlich zu kurz gesprungen.

Norbert Wohlfahrt schrieb an dieser Stelle zuletzt am 30. Januar 2025 über die Auswirkungen der zunehmenden Militarisierung:
„Den Krieg mitgestalten“
https://www.jungewelt.de/artikel/492939.militarismus-den-krieg-mitgestalten.html?sstr=

Aus: junge Welt – Ausgabe vom 12.03.2025 / Seite 12 / Thema: USA

https://www.jungewelt.de/artikel/495813.usa-die-dealorientierte-weltordnung.html

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