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Suitbert Cechura: Ungerecht: Das Kapital blamiert seine Co-Manager

Von • Dez. 12th, 2024 • Kategorie: Allgemein

Suitbert Cechura: Ungerecht: Das Kapital blamiert seine Co-Manager

Per Betriebsratsarbeit & Mitbestimmung agieren Gewerkschaftler als Co-Manager, die sich um den sozialen Frieden sorgen, stoßen aber auf wenig Gegenliebe bei den richtigen Managern.

VW ist nicht nur Deutschlands größter Autokonzern, sondern gilt auch als Musterexemplar in Sachen betriebliche Mitbestimmung, auf die die Gewerkschaften so großen Wert legen und deren Installierung sie als ihren Erfolg feiern. Überhaupt steht der Konzern als Beispiel für die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft, in der Beschäftigte nicht mehr ausgebeutet, sondern mit anständiger Bezahlung und solider Arbeitsplatzsicherung in den Stand einer „Arbeiteraristokratie“ (den Vorwurf gab es ja auch mal von links) versetzt werden.

Ein Traumziel – für das sich die Gewerkschaften unermüdlich einsetzen und das, könnte man die bisherigen Erfolge ausbauen, gar nicht so unrealistisch als moderner Normaltyp von Beschäftigungsverhältnissen wäre. Eben „Gute Arbeit“, wie das Programm der IG Metall seit 2005 heißt, das die früheren Bemühungen um die „Humanisierung des Arbeitslebens (HdA)“ wortreich fortsetzt.

Und jetzt das: VW geht in stinknormaler kapitalistischer Manier hin und will seine Rendite mit Werkschließungen, Entlassungen und Lohnsenkungen sichern, weil eben „Sanierungsbedarf“ ansteht. Es gibt zwar eine gewisse Aufregung in der Öffentlichkeit, auch Mitgefühl für die Betroffenen (man denke an die Belastungen für die Familien – und das auch noch in der Vorweihnachtszeit!), doch marktwirtschaftlich gesehen ist irgendwie klar: Das geht in Ordnung, der Betrieb muss wieder auf die Beine kommen, die Rendite eben saniert werden.

IG-Metall und Betriebsrat, die per Mitbestimmung seit Jahrzehnten ins Management eingeklinkt sind, zeigen sich empört. Sie lassen die Belegschaft für zwei Stunden die Arbeit unterbrechen und zum Protest mit Trillerpfeifen bei der Belegschaftsversammlung antreten, wobei in passender Weise gerade die Tarifverträge auslaufen. Doch vor allem zeigen sie sich konstruktiv um den Sanierungsbedarf bemüht. Die ganze Nation nimmt ja auch Anteil an den Überlegungen, wie der Automobilstandort Deutschland wieder auf Vordermann gebracht und mit einer neuen Erfolgsstrategie gegen die fiesen Konkurrenten aus China oder den USA versehen werden kann.

Da dürfen die Gewerkschaften nicht abseits stehen. Sie legen einen „Zukunftsplan“ vor und zeigen damit „Verantwortung für das Unternehmen“ (IGM). Ein seltsamer Kampf, der sich da ankündigt.

Sanierung = Klassenkampf von oben

Musterbetrieb gewerkschaftlicher Mitbestimmung

Was rettet der Rettungsplan?

Kongenial, aber gemein: Die Antwort von VW

Trotz aller Anbiederung an die Kalkulationen des Unternehmens lassen die Manager ihre Co-Manager blamiert im Regen stehen. Die Absage ist nicht weiter verwunderlich, hatten doch IG Metall und Gesamtbetriebsrat in ihren Rechnungen eine Tariferhöhung unterstellt, die es gar nicht gibt. Schließlich steht die Tarifrunde bei VW erst an und das Unternehmen hatte schon deutlich gemacht, dass es eine Nullrunde geben muss. Sanierung ist ja das Gebot der Stunde!

Dennoch darf die Belegschaft für den schönen Plan ihrer Co-Manager, der eine rosige unternehmerische Zukunft ins Auge fasst, zum Streik antreten und für die Finanzierung der Entlassungen kämpfen. Das beansprucht zwar die Streikkasse, schont aber die Lohnkosten des Unternehmens. Und vor allem: So können die Betroffenen mal richtig Dampf ablassen, bevor es um ihre Abwicklung geht.

https://overton-magazin.de/top-story/ungerecht-das-kapital-blamiert-seine-co-manager/

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