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Der Klimawandel

Ein Vortrag von Dr. Rolf Röhrig (Redakteur GegenStandpunkt)


0. Einleitung

Die Mehrheit der Wissenschaft ist mittlerweile zu dem Urteil gekommen ist, daß der Klimawandel Realität ist, daß sich die Erde tatsächlich erwärmt und diese Erwärmung katastrophale Auswirkungen haben könnte. Es gibt auch einige wenige Gegenstimmen, die die Auffassung vertreten, daß der Klimawandel im wesentlichen ein Klimaschwindel ist, daß die Wissenschaft und der Wetterbericht ja schon daran scheitert, das Wetter von morgen genau vorherzusagen und man deshalb unmöglich prognostizieren könnte, wie das Klima im Jahr 2050 beschaffen ist.

Die Frage, ob die Erwärmung der Erde möglich, wahrscheinlich oder so gut wie sicher ist, ob mit einer Wahrscheinlichkeit von 20, 60 oder 80 Prozent, und ob die Erwärmung 2, 3 oder 6 Grad betragen wird – diese Frage kann man als Laie nicht entscheiden, dafür ist die Klimaforschung dann doch ein wenig zu kompliziert. Man muß diese Frage aber auch gar nicht entscheiden: Die Politik, die für den Klimaschutz Maßnahmen ergreift und Verantwortung übernehmen will, die hat sich diesem wissenschaftlichen Befund gestellt und geht davon aus, daß der Klimawandel sichere Sache ist, daß katastrophale Änderungen zu erwarten sind, so daß man einfach einmal unabhängig von jeder Wahrscheinlichkeitsrechnung prüfen kann, welche Maßnahmen die jeweiligen Staaten in Sachen Klimaschutz für angezeigt halten und ergreifen, welche sie unterlassen und welche Interessen dabei jeweils zum Zuge kommen und nach welchen Maßstäben gehandelt wird.

Zunächst jedoch zu der Sache selbst, dem Klimawandel und seinen Ursachen.

1. Der Klimawandel und seine Ursachengleich

Die Wissenschaft ist zu dem Ergebnis gekommen, daß sich die Durchschnittstemperatur der Erde in den letzten 100 Jahren um 0,74 Grad Celsius erhöht hat, wobei jeweils 0,15 °C allein auf die letzten drei Dekaden entfallen. Auf dieser Grundlage existieren auch Hochrechnungen, die mithilfe von Modellen angestellt werden. Die besagen, daß der Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 1,5 bis 6,4 °C betragen wird. Die Schwankungsbreite rührt u.a. daher, daß der erwartete Temperaturanstieg von der zukünftigen Entwicklung des CO2-Ausstoßes abhängt. (Zum Vergleich: 6 Grad Differenz entspricht in etwa dem Temperaturunterschied zwischen der Jetzt-Zeit und der letzten Eiszeit.)

Die möglichen Folgen, die eine solche Erwärmung hat, sind ebenfalls bekannt und werden beinahe tagtäglich in den Medien ausgebreitet:

  • etlichen Landstrichen droht eine weitere Versteppung, Verwüstung, es wird vermehrt zu Dürren kommen;
  • aufgrund der stärkeren Verdunstung wird es in anderen Regionen hingegen zu gewaltigen Niederschlägen und Überschwemmungen kommen;
  • ein beschleunigtes Abschmelzen von Gletschern und Polkappen, vor allem aber die thermische Ausdehnung der Wassermassen wird den Meeresspiegel gravierend ansteigen lassen infolgedessen z.B. ganzen Insel-Ketten, insbesondere im Pazifik, aber auch Regionen rund um die großen Flußdeltas in Asien (Bangladesch, China etc.) drohen, überflutet zu werden;
  • und es wird als Konsequenz dieses veränderten Klimas das vermehrte Auftreten von Hungersnöten sowie ein Millionenheer von Klimaflüchtlingen erwartet.

1.1. Natürlicher und anthropogener Treibhauseffekt

Als Ursache für die Erderwärmung hat die Wissenschaft den sogenannten anthropogenen Treibhauseffekt (anthropos, gr. = der Mensch) ausgemacht, also den von Menschen verursachten Effekt, der zusätzlich zu dem natürlichen Treibhauseffekt seine Wirkung entfaltet. Es gibt an diesem Befund eine rationelle und eine ideologische Seite. Als Scheidung zu dem natürlich wirkenden Treibhauseffekt, der durch die auch ohne jegliches menschliche Zutun vorkommenden klimarelevanten Gase (v.a. Wasserdampf und CO2) der Atmosphäre zustande kommt und die mittlere Erdtemperatur von -18 auf +15 Grad Celsius ansteigen läßt, ist der Terminus richtig. Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt wäre Leben auf der Erde gar nicht möglich. Der anthropogene Treibhauseffekt, der vom Menschen zusätzlich hinzugefügte Treibhauseffekt, der besteht nun darin, daß durch die Bearbeitung der Natur, und zwar im wesentlichen durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas, in großem Umfang CO2 freigesetzt wird, zusätzlich zu dem, was sich ohnehin schon in der Atmosphäre befindet. Man kann den Tageszeitungen entnehmen oder im Internet nachlesen, daß man durch Messungen an Eisbohrkernen den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre zu verschiedenen Epochen messen kann und daß sich dieser von dem ursprünglich vorindustriellen Niveau von ca. 280 ppm (parts per million) auf nunmehr 380 ppm erhöht hat. Das also ist das Rationelle am dem Begriff des anthropogenen Treibhauseffekts: Es wird eine Erwärmung gemessen, die nicht auf vom Menschen unabhängige Natureffekte zurückgeht, sondern auf die Bearbeitung der Natur, die Verbrennung von fossilen Brennstoffen, durch den Menschen.

Damit aber beginnt auch schon die nicht mehr vernünftige, die irrationelle Lesart desselben Begriffs der ‚anthropogenen Ursache’. Ist es wirklich der Mensch, der dafür verantwortlich ist? Das muß schon eine komische Gattung sein, dieser Mensch, wenn er sich ständig selbst bedroht und seine Lebensgrundlagen ruiniert. Wenn es so wäre, daß der Mensch der Täter und der Mensch das Opfer ist, dann würde man doch entweder die Tat unterlassen, oder aber, wenn es so wäre, daß es wirklich der Spezies Mensch zueigen ist, es eine der menschlichen Natur anhaftende Eigenart ist, im Unterschied zur Ameise und Giraffe, die ja auch durchaus die Natur bearbeiten und einem Stoffwechsel haben, Technik hervorzubringen, die eine Naturänderung bewirkt, die ihrem Umfang nach alles übersteigt, was andere Gattungswesen zustandebringe und sich dabei notwendig selbst die eigene Lebensgrundlage entzieht, dann könnte man sich auch zurücklehnen und dem geweihten Untergang gelassen ins Auge blicken, weil es keinen Ausweg gäbe. Wäre ‚anthropogene Ursache’ im wörtlichen Sinne zu nehmen, also eine dem Menschen eigentümliche Art der Verursachung, die wie ein Stück Natur in der Welt steht und wirkt, dann könnte man sich die gesamte Debatte über das Umsteuern und das Vermeiden von CO2 sparen. Denn wenn der ‚Anthropos’ durch seine Natur die Quelle des CO2 ist, dann wäre eine Änderung eben nicht möglich – Natur ist Natur.

So ist es selbstredend nicht. Wie so oft, wird auch hier der Begriff der Menschheit als verkehrte Totalabstraktion verwendet. Der Mensch an sich muß gar nicht Kohle verfeuern, um Strom zu produzieren, man kann dies auch mit Windrädern oder Solarzellen tun, dann vermeidet man einen CO2-Ausstoß. Man kann z.B. auch, wenn man sich schon auf fossile Brennstoffe als Energiequelle stürzt, entstehendes CO2 abscheiden, unterirdisch einlagern (sog. Sequestrierung) und damit unschädlich machen. Wenn also auch solche Techniken zur Energieerzeugung existieren, die (a) CO2 gar nicht erst entstehen lassen oder (b) entstandenes unschädlich machen, dann kann auch nicht mehr ein irgendwie abstrakter Prozeß namens Zivilisierung oder Industrialisierung der Grund dafür sein, daß die Gattung Mensch soviel CO2 in die Atmosphäre bläst.

Die Wahrheit über den Sachverhalt ist eigentlich kein großes Geheimnis. In so ziemlich allen Bereichen des Lebens sind die Menschen gar nicht so gleich, wie der Gattungsbegriff vorstellig machen will, vielmehr findet eine Sortierung der unterschiedlichen Gattungsmitglieder statt, z.B. in solche, die tatsächlich darüber entscheiden, ob auf einen Fabrik¬ oder Kraftwerksschornstein ein Filter gesetzt wird, der das CO2 adsorbiert oder nicht. Dies ist die Entscheidung des Eigentümers. Den Gattungs-mitgliedern, die als ‚abhängig Beschäftigte’ ihr Dasein fristen, fällt hingegen die Rolle zu, als Arbeiter im Kraftwerk die Kohle zu verfeuern oder als Anwohner die Abgase und Feinstäube zu inhalieren… Liebend gerne wird in der öffentlichen Debatte auch auf den Konsumenten gedeutet, der angeblich durch eine bewußte Kaufentscheidung so manches zu verändern mag. Aber auch von dieser Sphäre muß man sagen: Der Mensch, der da beispielsweise als Käufer eines Autos auftritt, ist mit seinem Kauf und Gebrauch dieses Produkts vollständig die abhängige Variable einer Betriebskalkulation, die über den Inhalt des Produkts und auch seiner Abgaseigenschaften entscheidet. Ob das Auto einen Vier- oder Sechszylinder beherbergt, ob es da einen Katalysator gibt oder nicht, ob es einen Diesel-Ruß-Filter gibt, der Partikel zurückhält oder nicht – alles das sind Kalkulationen eines Unternehmens, die davon leben, ob man mit oder ohne den Einbau solcher Aggregate die Märkte gewinnbringend abräumen kann oder nicht.

Wenn also von ‚dem Menschen’ gesprochen wird, weiß eigentlich jeder, daß ‚die Wirtschaft’ gemeint ist. Die braucht gewaltige Mengen Energie, um ihre Produkte anzufertigen und stellt Waren her, die ihrerseits, z.B. in Form von Autos, einen kräftigen Anteil an der weltweiten CO2-Emission haben. Aber es ist auch nicht einfach ‚die Wirtschaft’, es ist schon eine bestimmte Art der Wirtschaftsweise. Es ist die Art des gültigen Rechnungswesens der Marktwirtschaft, die historisch dazu geführt hat, daß bis vor kurzem noch fast ausschließlich fossile Brennstoffe, und darunter insbesondere das Erdöl, als Energiequelle genutzt wurden: Kohle und Erdöl haben ihren großen Siegeszug über den Globus dadurch angetreten, daß sie über Jahrzehnte hinweg eine unschlagbar billige Energiequelle gewesen sind, daß sie Energiequellen darstell(t)en, die relativ zu allen anderen Weisen Energie zu erzeugen, so gut wie nichts gekostet haben. An der im Kapitalismus gültigen Geldrechnung gemessen, ist der Einsatz von Kohle und Öl sehr rational, weil möglichst geringe Energiepreise für die Rendite von Unternehmen förderlich ist. Es ist die im Kapitalismus alles entscheidende Geldrechnung, die dafür sorgt, daß Fragen der Art, ob Strom eher über Windräder und Solarzellen oder durch Kohlekraftwerke produziert wird, ob dem Kohlekraftwerk noch eine teure Anlage zur Abscheidung von CO2 hinzugefügt wird oder eher nicht, in sehr eindeutiger Weise beantwortet werden. Es ist ja eben nicht so, daß es – auf einem bestimmten technischen Niveau – keine alternativen Methoden zur Erzeugung von Energie geben würde; die gibt es schon eine halbe Ewigkeit, aber die galten sehr lange als unrentabel. (entsprechend spärlich fielen z.B. die Förderungsmaßnahmen zur Fortentwicklung auf dem Sektor alternativer Energien oder von CO2-Abscheidungsanlagen aus.)

Zwischenfazit: Das, was in der deutschen Landschaft an CO2 entsteht, das ist Produkt der Energieproduktion und des Verkaufs von Automobilen und anderen Gerätschaften, die CO2 produzieren, wobei die CO2-Produktion nicht das Ergebnis einer Technik und erst recht nicht die notwendige Eigenschaft einer Gattung, sondern ganz die Folge der kapitalistischen Geldrechnung ist.

1.2. Umweltschutz = Schutz des Kapitals

Die kapitalistische Wirtschaft hat im übrigen schon immer den Standpunkt eingenommen, daß es betriebswirtschaftlich das Nützlichste ist, alle möglichen Produktionsrückstände möglichst kostenlos einfach in die Umwelt abzugeben. Das Kohlendioxid ist nur das jüngste Beispiel dafür. Was hat es da nicht alles gegeben: die Flüsse wurden zur kostenlosen Abwasserentsorgung verwendet, regelmäßige Fischsterben inklusive, Dünnsäure wurde in der Nordsee verklappt, giftige Rauchgase (Schweldioxid und Stickoxide) von Kraftwerken wurden ungefiltert in die Atmosphäre geblasen usw. usf. Die Vergiftung der Umwelt durch die kapitalistische Wirtschaftsweise hatte irgendwann Ausmaße angenommen, die ihre eigenen Existenzbedingungen ernsthaft zu gefährden drohte. Daß permanentes Wirtschaftswachstum mit einer zunehmenden Verdreckung der Umwelt einhergeht ist der Politik nicht verborgen geblieben. Sie hat deswegen darauf reagiert, und auf einigen Feldern hat sich inzwischen einiges getan. Der Staat hat Maßnahmen ergriffen und Vorschriften erlassen, die den Ausstoß von Dreck – und inzwischen auch von CO2 – bremsen bzw. so dosieren, daß die Grundlagen, die natürlichen wie Humanressourcen, für den weiteren Verbrauch durch das Geschäftstreiben erhalten bleiben. Umweltschutz ist dem Begriff nach nicht Schutz der Umwelt, sondern Schutz des Kapitals, und der Schutz der Umwelt ist dafür bloß das kalkulierte Mittel.

Dafür gibt es unzählige Belege, ein illustratives Beispiel aus der Vergangenheit ist die sogenannte „Politik der hohen Schornsteine“ der 50er und 60er Jahre in Deutschland aber z.B. auch in England (s.a. hier). Da hatten sich die Politiker auf den Standpunkt gestellt, daß die Kraft- und Stahlwerke in NRW, durch den Ausstoß immenser Mengen an Rauchgas, Wälder und Regionen sowie menschliche Lungen in unmittelbarer Umgebung in einem Maße ruinieren, daß sie (sowohl die Natur als kostenlose Müllkippe, als auch die Menschen in Form ihrer Arbeitskraft) für die weitere Verwendung nicht mehr lange zur Verfügung stehen, wenn es so weitergehen würde. Willy Brandt macht 1961 die Umwelt zum Wahlkampfthema und fordert, „der Himmel über der Ruhr muß wieder blau werden“. Die Politik beschloß erste ‚Schutzmaßnahmen’ – allerdings durften diese das Geschäft nicht schädigen bzw. nur sehr maßvoll belasten. Es wurden Ingenieursbüros beauftragt, Wind- und Abgasfahnen penibel vermessen und schließlich Schornsteine konzipiert, die bis zu 300 Meter hoch waren. Die Billigkeit liegt einfach darin, daß die Ziegelsteine, die man für den Bau dieser Schornsteine benötigt, nicht viel kosten. Und das Prinzip der Maßnahme ist gar nicht die Verringerung oder gar Vermeidung des Drecks sondern dessen Verdünnung unter Zuhilfenahme des Klimas. Justament in dem Jahr, als im Ruhrpott die große Parole beim neuerlichen SPD-Wahlkampf lautete, „der Himmel im Ruhrpott ist wieder blau“, (s.a. hier), hat in Schweden die erste Zeitung getitelt, „der saure Regen ruiniert die Wälder Schwedens“. Das eine kommt vom anderen: Das war der bezweckte Effekt der Verdünnung bzw. Verlagerung ins Ausland. Man kippt seinen eigenen Scheiß einfach dem Nachbarn aufs Territorium. Es sieht aber nicht so aus, weil man es mithilfe des regionalen Klimas bzw. Wetters bewerkstelligt.

Ein etwas jüngeres Beispiel ist die Einführung des Katalysators in Europa. Langatmige Debatten wurden geführt, ob er zur Pflicht gemacht werden sollte oder nicht. Obwohl er technisch bereits vorhanden war,[1] wurde er solange nicht zur allgemeinen Pflicht gemacht, wie es der deutschen Autoindustrie nicht möglich war, diese Technik in einem Umfang und zu Preisen in die Autos zu integrieren, daß sie sie noch konkurrenzfähig und gewinnbringend auf dem europäischen Markt hätten losschlagen können. Als die deutsche Autoindustrie es schließlich doch bewerkstelligt hatte, aus der Reduktion von Abgas im europäischen Markt einen Konkurrenzvorteil herauszuwirtschaften, bemühte man sich das zum allgemeinen Maßstab zu machen, in der Spekulation darauf, daß z.B. Peugeot in Frankreich oder andere Autofirmen über dasselbe Know-how noch nicht in der ausreichenden Form verfügen.[2]

Diese Praxis ist die Praxis jeden Standorts, das ist allseitige staatliche Praxis. Nationale Abgasquellen wirken international, grenzüberschreitend, ohne lokale Beschränkung. Und wenn bei diesen Spielchen – entweder den Dreck nur zum Schein zu reduzieren, indem man ihn durch seine globale Verteilung bloß verdünnt, oder nur in dem Maße mindert, wie der nationalen Wirtschaft keine Nachteile entstehen – drei, vier, fünf Jahrzehnte dahingehen, dann hat man schließlich einen Punkt erreicht, vor dem wir im Falle des CO2 heute stehen. Das Klima ist im wörtlichen Sinn global berührt, verändert, hat wahrscheinlich katastrophale Auswirkungen. Da sind denn selbst Staaten und Regionen betroffen von dieser globalen Veränderung, die mangels Kapitalmasse und Fabrikschornsteinen gar keine Gelegenheit hatten ihr Paket Dreck abzuliefern. Auch in Bangladesch oder Somalia ist der Klimawandel spürbar, obwohl dort kein Schornstein raucht, der einen Anteil abgeliefert hat. Die Wirkungen aller anderen Anteile spüren sie sehrwohl.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Appell der Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, vom Februar dieses Jahres. Künast zeigte sich empört über die deutsche Autoindustrie, weil Toyota Autos produziert, die man im Vergleich mit deutschen Autos als CO2-Killer bezeichnen muß. Sie sagte, „Solange die deutsche Industrie nicht umsteuere, könne sie nur raten ‚Leute, kauft Hybrid-Autos von Toyota!’“ (FTD, 12.02.2007). Interessant an dieser Stelle sind die heftigen Reaktionen, die Künast auf diese Äußerung erntete: Wäre die diesem Appell beiwohnende Gemeinde der Auffassung gewesen, daß die CO2-Reduktion das Gebot der Stunde sei, dann hätten sie sagen müssen, stimmt, diese Autos produzieren weniger als die unsrigen, also kauft diese Toyotas! Gesagt haben sie stattdessen: Man kauft nicht undeutsch, das ist ein Anschlag auf die deutsche Autoindustrie! Damit ist die Hierarchie der Ziele schlagartig klargestellt. Diejenigen, die gebrüllt haben, „Umwelt hat Vorfahrt!“, die schalten sofort um, wenn sie merken, daß diese Maxime beim Autokauf für einen Moment lang ernst genommen und damit lauter ‚Fremdprodukte’ gekauft werden könnten. Das wäre dann plötzlich ein der deutschen Industrie gegenüber schädliches Kaufverhalten! Also stehen sie dann nicht auf dem Standpunkt, die Umwelt hat Vorfahrt, sondern selbstverständlich hat die deutsche Automobilindustrie Vorfahrt.[3]

Zwischenfazit: Es ist in dieser Klimadiskussion ein Zungenschlag präsent – auch angestoßen durch die deutsche Führungsrolle beim EU-Gipfel –, der ungefähr folgendes sagt: Wie modern und ökologisch, wie vernünftig und zukunftszugewandt Politik heutzutage ist, das sieht man am Engagement für den Klimaschutz. Die Wahrheit von dieser Auffassung ist eine ganz andere. Daß Klimaschutz zum vordringlichen Ziel der Politik wird – gleich dazu mehr – ist ein Beweis dafür, wie sehr der alte Marx recht hatte mit seiner Aussage, „Die kapitalistische Produktion untergräbt die Springquellen allen Reichtums, Mensch und Natur.“ Warum hat er recht? Dazu kann man z.B. mal schauen, was die meisten von uns in der Schule über den Zivilisationsprozeß lernen sollten. Da sollte man lernen, daß der Prozeß der Zivilisation so etwas wie die Progression des Guten war und ist. Früher haben die Menschen noch in kühlen und feuchten Höhlen gehaust, im Mittelalter gab es dann schon Häuser, aber die Menschen haben noch in die Straßen uriniert. Dann kam der Kapitalismus und mit ihm Abwässerkanäle und beheizter Wohnraum…usw. Das stimmt zwar alles, aber was ist der bisherige Endpunkt dieses Zivilisationsprozesses?! Z.B. daß Abermillionen von Menschen auf der Erde keinen Zugang zu ausreichenden Mengen genießbaren Trinkwassers haben. Und nun auch noch, daß die Menschen einem Klimawandel beiwohnen, der manch einem die Hütte wegschwemmt, manch einem sein Feld und viele das Leben kostet. Daß die Erde großflächig ungenießbar und am Ende vielleicht auch unbewohnbar wird. Das ist die Frucht der kapitalistischen Bewirtschaftung der Erde. Und die, die sich jetzt dem Klimaschutz als ihre großartige ökologische Einsicht ans Revers heften, die antworten damit auf einen Zustand, den sie mit ihrer Standortpolitik über die Jahrzehnte herbeigeführt haben.

2. Die Staaten - Bilanzierung nationaler Betroffenheit und internationaler Streit 

Die Politik zeigt sich von den Ergebnissen, die die Wissenschaftler vortragen, inzwischen nicht mehr völlig unbeeindruckt. Die Tatsache, daß die grundsätzlichen Voraussetzungen jeglichen Geschäftetreibens – eine benutzbare und bewohnbare Natur – abhanden kommen könnten, fordert die Staaten in gewisser Hinsicht heraus. Im folgenden soll es darum gehen, wie sie für sich den Klimawandel bilanzieren, worin sie eigentlich ihre Betroffenheit ansiedeln und wie sie international um den Klimaschutz und die dafür notwendigen Maßnahmen streiten.

2.1.   Der Stern-Bericht

Die eingangs erwähnten Prognosen über die Erderwärmung und ihre Folgen sind im Prinzip ein alter Hut. Die ersten Klimaschutzberichte ähnlichen Zuschnitts liegen über 10 Jahre zurück. Aber erst jetzt zeigt sich die Staatenwelt beeindruckt. Wie kommt das? Ein wesentlicher Grund dafür ist der Bericht des früheren Chefökonomen und Vizepräsidenten der Weltbank, Sir Nicholas Stern, der letztes Jahr von der britischen Regierung beauftragt wurde, die bis dato umfassendste Studie über die Kosten des Klimawandels zu leiten. Die hiesige Presse, die zu der Überzeugung gekommen ist, daß das Thema Klimawandel nun vollends durchgeschlagen und die Politik wachgerüttelt hat, nimmt den Bericht („Stern Review on the Economics of Climate Change“) geradezu begeistert auf und schwärmt:

„Kein Ökoromantiker und kein Maschinenstürmer, sondern Sir Nicholas Stern, der frühere Vizepräsident der Weltbank, der Wirtschaftsberater der britischen Regierung, Verfasser einer Studie, die auf Erkenntnissen der besten Klimaforscher beruht, die je an Universitäten ausgebildet wurden“ (FAZ 25.11.06)“ „hat komplexe physikalische Prozesse in eine Einheit umgerechnet, mit der die Menschen täglich umgehen: Geld. Stern hat dem Schrecken des Klimawandels ein Preisschild aufgeklebt. […] 5,5 Billionen Euro könnte es kosten, wenn die Menschheit weiterhin so gewaltige Mengen von Klimagasen in die Atmosphäre pumpt.“ (Spiegel, 45/2006)

Jetzt endlich also wissen wir über den Klimawandel und seine Folgen erst so richtig bescheid! Nicht durch die Aussagen von Ökoromantikern, die hier und da und immer wieder mal auf bereits eingetretene oder zu erwartende Schäden an Natur und Mensch verwiesen haben, sondern der Grund, warum man den Klimawandel ernstnehmen muß, liegt in einer unbestechlichen Geldrechnung! Gebeutelte Menschen, ruinierte Natur – das alles zählt wenig bis nichts, wenn nicht auch ein gehöriger Batzen Geld vernichtet würde.

Nun könnte jemand einwenden, ob das nicht etwas kleinkariert oder interessiert interpretiert ist: Wird mit dem Geldbetrag denn nicht lediglich eine griffige Maßzahl präsentiert, die alle Schäden, die menschlichen wie natürlichen, anschaulich zusammenfaßt und beziffert? Nein, denn an dieser Rechnung ist alles falsch! Wenn Afrikaner wegen einer Dürre den Hungertod sterben und in Bangladesh die Menschen aufgrund einer Überschwemmung obdachlos werden, dann sind das zwei völlig verschiedene Arten von Schäden, die sich für manches Individuum als (ultimative) Katastrophe auswachsen und die für sich zu gar keinem Vergleich fähig sind, so daß man sie addieren könnte! Was soll denn das für eine Rechnung sein: x Tote Afrikaner + y weggeschwemmte Häuser = z $ oder € ?? Diese Schäden haben doch gar keinen Ausdruck in Geld, und sie sind deswegen auch nicht in Geld addierbar. Es ist also gar nicht wahr, daß das Geld sozusagen die Klammer um alle menschlichen und natürlichen Schäden ist und dafür eine Maßzahl bietet. In Wirklichkeit vermißt das Geld ein ganz anderes Objekt des Schadens, nämlich das nationale Geschäft, das durch den Klimawandel beeinträchtigt wird,

Während der Stern-Bericht den befürchteten wirtschaftlichen Schaden des gesamten Globus bilanziert, gibt es auch entsprechende Rechnungen, die sich allein auf Deutschland beschränken: Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) rechnete aus, daß der Klimawandel jährlich ca. 0,5 % des Wirtschaftswachstum kosten wird, insgesamt 330 Mrd. Euro bis zum Jahr 2050, wovon ein Drittel Versicherungsschäden ausmachen. Diese Rechnung ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert und aufschlußreich:

a) Ein Haus, das in den Fluten im Oderbruch versinkt – das ist ein substantieller Schaden für seinen Bewohner; für die Versicherung aber nur dann auch ein finanzieller, wenn es versichert war. Man merkt: Da ist ein anderes Objekt das geschädigte, das Geld. Der Schaden des Menschen wiegt nicht bzw. nur insofern es sich auf den zweiten Schaden, die Geldrechnung, auswirkt.

b) Bilanziert wird die Beschädigung des Geldes und seiner Vermehrung im nationalen Rahmen. Es wird ermittelt, inwiefern das deutsche bzw. europäische Geld, der deutsche Standort, das deutsche Geschäft und der deutsche Haushalt geschädigt werden. Anders gesagt: Andere bleiben außen vor. Die verhungernden Menschen in Afrika, die absaufenden Asiaten in ihren großen Deltagebieten, die zählen in dieser Rechnung nicht, obwohl sie heftig geschädigt sind, vielleicht heftiger als die Wirtschaft hier. Die zählen nicht, jedenfalls solange nicht, wie sie nicht als irgendeine Art von Beitrag zum nationalen Wachstum verbucht sind, vielleicht als Absatzmarkt in Asien, der unseren Weizen kauft oder sonstwie.

2.2. Klimaflüchtlinge und failed states - ein Ordnungsproblem!

Das hat sogar seine abgebrühte Seite. Dazu kann man sich mal die Berichte über einen Südsee-Staat namens Tuvalu zu Gemüte führen. Tuvalu wird nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach in 25 Jahren unbewohnbar und in 50 Jahren komplett verschwunden sein, s.a. tagesschau vom 20.01.2007. Vorsorglich hat die Regierung von Tuvalu im vergangenen Jahr Asyl für alle seine 11.000 Menschen in Australien und Neuseeland beantragt. Das wurde von Australien ebenso vorsorglich abgelehnt, Neuseeland hat hingegen inzwischen zugestimmt pro Jahr 75(!) Emigranten aufzunehmen, s.a.Beiträge bei  Wikipedia, im SZ-Magazin "jetzt" und in der SZ Diese – nennen wir es mal – Hartherzigkeit scheint in einem gewissen Kontrast zu stehen dazu, daß die Klimaschutzpolitik großes Aufhebens macht von gewaltigen Hungerkatas-trophen, die zu erwarten sind, und von Abermillionen Klimaflüchtlingen, wie sie heißen. Entdeckt die Politik, entdeckt die ‚Staatengemeinschaft’ jetzt doch noch, in Ansehung der gewaltigen Zahl an drohenden oder bereits eingetretenen Opfern und Schäden, ihr Herz für die Notleidenden?

Wenn man es nüchtern betrachtet muß man dieser Auffassung eine klare Absage erteilen. Daß die Menschen in Afrika zu Millionen verhungern, das ist seit Jahrzehnten so. Warum tun sie das? Es gibt doch hier Lebensmittel, sogar unverkäufliche (s.a. hier). Der Grund ist so denkbar schlicht: Sie haben das Geld nicht, um diese Lebensmittel zu bezahlen, so daß die Lebensmittelkonzerne aus dem Verkauf kein Gewinn machen können, also werden sie auch nicht dorthin gebracht. Bei AIDS genau dasselbe: In Afrika verrecken Millionen von Menschen an AIDS, obwohl es inzwischen von Pfizer, Bayer und anderen Pharmariesen recht wirksame AIDS-Medikamente gibt, die den tödlichen Verlauf der Krankheit zwar nicht gänzlich aufhalten aber beträchtlich bremsen können. Warum geben sie diesen Menschen nicht diese AIDS-Medikamente? Weil sie sie nicht bezahlen können und es damit kein Geschäft für die Firmen ist. Das alles ist bekannt. Es fallen bei der UN sogar etliche Personalkosten dadurch an, daß ganz genau nachgezählt wird, wieviel dort an Hunger oder AIDS sterben, es werden entsprechende Statistiken aufgestellt - nur helfen tut man ihnen nicht. Geholfen wird stattdessen Staaten wie z.B. Marokko und Spanien, deren Grenzpolizei mit dem Ansturm nordafrikanischer Flüchtlinge auf die Enklaven Melilia und Ceuta nicht mehr fertig wird. Die EU zahlt Millionenbeträge, für Schutzzäune und Waffen (s.a. taz vom 6.10.2005 sowie im Archiv des Hamburger Flüchtlingsrats), um zu verhindern, daß die Massen, die ihrem hoffnungslosen Elend entrinnen wollen, das Schengener Gebiet erreichen.

Wenn also jetzt in Ansehung des Klimawandels die Klimaflüchtlinge als großes Problem ausgerufen werden, dann nicht deswegen, weil das Elend dieser Leute das Problem wäre, sondern weil die mangelnde Kontrolle über dieses Elend das Problem ist, das die Politik vor Augen hat. Wenn diese Leute einfach nicht mehr in diesen Regionen leben können und sich massenhaft auf die Socken machen, Staaten und ihre Grenzen überrennen, ja, dann werden aus jetzt noch halbwegs funktionierenden Staaten und Ölquellen ‚failed states’, zugrunde gegangene Staaten, in denen noch nicht einmal mehr ein Rest von Ordnung herrscht, der wenigstens das unbrauchbare Menschenmaterial vor Ort verwalten und den Ansturm auf die Metropolen unterbinden würde.

Nicht das Elend stört, wenn die Klimaflüchtlinge zum Problem ernannt werden, sondern der befürchtete Zusammenbruch über die Kontrolle dieses Elends. Das wird als maßgebliche Geschäftsbedingung von der Politik weltweit beaufsichtigt und beäugt. In den USA wird z.B. sehr unbefangen darüber diskutiert, welchen Herausforderungen sie sich bezüglich ihrer nationalen Sicherheit gegenüber gestellt sehen, angesichts solcher zu erwartender Entwicklungen. Der entsprechende Regierungsbericht trägt den Titel „Nationale Sicherheit und Bedrohung durch den Klimawandel“,[Quelle] und in diesem sind Listen von Staaten aufgeführt, die jetzt zwar noch funktionierende Ölquellen sind, aber höchstwahrscheinlich in 10, 20 oder 30 Jahren ruinierte Staaten, die zum Hort des ‚Terrorismus’ werden könnten.

Folgt man also der Politik, so wie sie den Klimawandel betrachtet und auf ihn einwirken will, haben wir es mit zwei Problemen zu tun: Es gibt eine Beschädigung des kapitalistischen Wachstums und es gibt eine Bedrohung der weltweiten Ordnung, die man abwenden will.

2.3. Lohnende Verdreckung der Umwelt uns Emissionshandel 

Was nun die Seite des Wachstums angeht erkennt man sofort: Weil das Wachstum das Sorgeobjekt ist, das durch die Klimaveränderung bedroht ist und nicht der Mensch – deswegen ist der Klimaschutz eine so relative Sache. Die Klimaschutz-Werbeparole des DIW hat gelautet, „Klimaschutz ist billiger als spätere Klimaschäden“.[Quelle] Das ist auch so ein Satz, den man schnell mal überliest, aber der gibt sehr viel preis, über die Art, wie in dieser Welt gedacht, gewirtschaftet und gehandelt wird. Wenn man sagt, Klimaschutz ist billiger als Klimaschäden, dann hat man bekanntgegeben, daß nicht der sachliche Schaden, der durch eine Klimaveränderung eintritt, darüber entscheidet ob überhaupt Schutzmaßnahmen ergriffen werden sollen, sondern die Relation zwischen zwei Geldgrößen! Nur wenn Klimaschutz billiger ist als die Schäden, findet er überhaupt statt. Daraus folgt jawohl die Umkehrung: Wenn Klimaschutz teurer ist als die Schäden, dann unterbleibt er, weil er sich nicht rechnet, eine geschäftliche Schädigung darstellen würde. Die Schädigungen, die anderen dabei wohlmöglich zugefügt werden, dem Menschenmaterial, das in den betroffenen Regionen lebt, wiegt nicht, jedenfalls nichts in der geschäftlichen Rechnung. Es gibt also aus der Sicht der Klimaschützer so etwas wie lohnende Verdreckung der Umwelt. Und um dafür ein Beispiel zu geben, daß dieser Schluß so etwas wie eine handlungsleitende Maxime der Politik ist, lohnt sich einen Blick auf diesen Emissionshandel zu werfen.

Die Idee, die mit diesen Emissionszertifikaten in die Welt gesetzt wurde, war etwa folgende: Die Staaten, die sich diesem Handelssystem angeschlossen haben, verteilen Zertifikate für Abgasemissionen an Fabriken. In diesen Zertifikaten ist festgelegt, wieviel Millionen Tonnen CO2 und andere Emissionen jedes Unternehmen ausstoßen darf. Und diese Titel sollen handelbar sein, Betrieb A kann so ein Ding an einen Betrieb B verkaufen, so daß die Betriebe auf eine Geldrechnung gestoßen werden sollen: Wenn man in die Verminderung von Abgasemissionen investiert, durch Filter oder andere Maßnahmen, dann kann man die selbst nicht mehr benötigten Titel bzw. Verschmutzungsrechte verkaufen und daran verdienen. Die Philosophie dieses Handels sollte also sein: Alles das, was an Dreck durch die Geldrechnung in die Welt kommt, soll durch genau dieselbe Geldrechnung und unter Respekt vor ihr korrigiert werden. Das führt zu der Merkwürdigkeit, die sich bei uns Emissionshandel nennt und schon in ihrem Auftakt eine Absurdität darstellt, wenn man die Vermeidung von Dreck bzw. CO2 als Maßstab nur einen Augenblick ernstnähme. Im Jahr 2000 haben sich die Emissionsstaaten darauf geeinigt, wie sie die Zertifikate verteilen wollen. Sie waren sich sofort gewiß, nach welchem Schlüssel das geht. Diejenigen, die den meisten Dreck machen, die größten Wirtschaftmächte, kriegen die meisten Zertifikate! Eigentlich hätte man doch auch denken können, nur mal so als Vorschlag, daß die, die den meisten Dreck machen den dicksten Deckel brauchen und nicht das größte Recht dazu ihn zu verursachen. Dann, zweitens, war ihnen das nicht genug, die Rechte, die jetzt jedem Standort zugewiesen wurden, nicht einfach nach der Kapazität des Ausstoßes des Jahr 2000 zu messen, sondern man einigte sich auf das Jahr 1990 als Basisjahr,[4] da war nämlich der Ausstoß so immens, daß man daran Maß genommen hat, damit gewissermaßen ein Puffer nach oben ist. Der Zweck ist klar: Man will nicht nur nicht das Geschäft durch die Zertifikate beschränken, in Produktion und Emission, sondern man möchte auch dem zukünftigen Wachstum, das erwartet wird, keine Schranke setzen, an der es sich reibt. Das hatte zur Folge, daß ein Emissionshandelmarkt gar nicht in die Gänge gekommen ist, weil die Betriebe in Zertifikaten ersoffen sind, die sie gar nicht ausfüllen konnten. Jetzt zum ersten Mal liest man in den Zeitungen, daß in den Konzernetagen gemault wird, weil zum ersten Mal für so ein Zertifikat, das einem jahrelang hinterher geworfen ist, Geld gezahlt werden soll. Wenn es also je an den Punkt kommt, der die ganze Philosophie des Emissionshandels ausmacht, ein Betrieb A verkauft einem anderen Betrieb B ein Zertifikat, das dieser wirklich braucht, dann tritt erstmals die Absurdität der ganzen Konstruktion voll ins Licht. Der Betrieb A, der ein solches Zertifikat verkauft, steht auf dem Standpunkt: Mit einer Investition in die Verringerung des Ausstoßes macht er Geld – es gibt schlichtweg keine betriebliche Investition, die allein aus Gründen des Klimaschutzes an-und-für-sich unternommen werden würde, immer auch muß eine solche Investition eine lohnende sein (siehe z.B. auch hier) – und kann den Verkauf des Zertifikats in zusätzliches Geld verwandeln. Das unterstellt aber einen Betrieb B, der auf dem genau umgekehrten Standpunkt steht: Für ihn ist es günstiger, nicht in die Vermeidung von Abgasproduktion zu investieren, sondern ein Zertifikat zu kaufen; und nur dann kauft er es auch. Also ist in dieser Geldrechnung beides eingeschlossen: Es kann sich die Vermeidung von Abgas genauso lohnen wie die Vermehrung von Abgas. Es ist eine offene Frage der jeweils betriebsspezifischen Rechnung, so daß überhaupt nicht aufgeht, was die Konstruktion der Emissionszertifikate einem suggeriert, nämlich daß die Geldrechnung, aus der das Verdrecken der Umwelt erst hervorgeht, zugleich zuverlässig unterbindet. Und es ist vom Standpunkt einer CO2-Bilanz ein reines Nullsummenspiel. Das, was A an CO2 vermeidet und weiterverkauft an B, wird bei B zusätzlich emittiert.

2.4.  "Klimaschutz kann nur international erfolgen" - Klimaschutz als Standortpolitik

Kaum, daß die Politik begonnen hat, Klimaschutz für eine wichtige Sache zu erachten, mußte man lernen, daß der Klimaschutz dann doch eine sehr relative Sache ist: er muß mit dem Wirtschaftswachstum verträglich sein, ansonsten findet er nicht statt. Kaum daß diese erste Relativierung ausgesprochen ist folgt die zweite auf dem Fuße: Entweder der Klimaschutz ist international oder er geht nicht. Und die Überzeugungskraft dieses Einfalls wird den Menschen draußen im Lande für gewöhnlich mit einem gut nachbarschaftlichen Vergleich nahegebracht. Was nutzt es denn, wenn wir uns hier saubere Windräder an die Küste stellen, wenn 1,2 Mrd. Chinesen Moped fahren und Kohle verfeuern?! Dieses Argument beinhaltet eine Wahrheit und eine Lüge. Was die Seite der Wahrheit angeht, hat dieses Argument ein Faktum registriert, das nicht bestreitbar ist: Die nationalen Abgasquellen auf den verschiedenen Kapitalstandorten tun ihr Werk, und zwar grenzüberschreitend international. Aber die Lüge besteht erstens darin, so zu tun, als wäre die Tatsache, daß die nationalen Abgasquellen über die jeweiligen Grenzen hinaus wirken, ein leider eingetretener, ein nicht-gewollter Effekt. Das war ganz umgekehrt, beispielsweise bei der oben erwähnten Politik der hohen Schornsteine, die bezweckte Wirkung, für die man sogar technische Maßnahmen ergriff! Zweitens wird in bezug auf Deutschland und China eine Rollenverteilung behauptet, die nicht existiert: hier die Vermeider des Abgases, die Schützer des Klimas, dort drüben, in China, die Dreckspatzen, die das Klima ruinieren. Aber selbst wenn man einmal unterstellen würde, daß in Deutschland der gute Wille und in China, Amerika und bei den Japanern der böse Wille beheimatet ist, dann müßte eine Frau Merkel doch immerhin noch zugeben, daß auch eine einseitige Reduktion eine Reduktion ist. Und Frau Merkel und Kabinettskollegen wollen doch sonst immer in jeder Hinsicht Vorreiter sein. Warum reiten sie nicht vor? Das kann unmöglich daher kommen, daß sie der Auffassung sind, hier wäre dem Klimaschutz nicht geholfen. Gefährdet sehen sie etwas ganz anderes, nämlich die Konkurrenzposition ihres Wirtschaftsstandortes im Verhältnis zum Weltgeschäft. Denn soviel ist ja wahr: Der Klimaschutz mal in seiner schlichten Form genommen, der auf jedes Kraftwerk und jeden Schlot ein Filter setzt, der das CO2 verringert bzw. abscheidet, das ist ein Kostenbestandteil der Konzernbilanz. Und wenn andere Standorte diese Kostengröße ihrem Betrieb ersparen, dann entsteht in der Tat im weltweiten Vergleich der Warenpreise ein Nachteil für denjenigen, der diesen Schutz betreibt. Weil das so ist, sind die EU-Staaten und da allen voran die Deutschen auf eine Strategie verfallen, die den Nachteil zum Vorteil wandeln soll. Das Bemühen geht dahin, möglichst alle anderen Nationen auf die Klimaschutzziele – Reduktion des CO2-Ausstoßes, Verminderung der Erwärmung – bzw. die zugehörigen Maßnahmen festzulegen, so daß die Kosten in allen Nationen anfallen und damit eine ‚Verzerrung des Wettbewerbs’, wie sie sich auszudrücken pflegen, nicht stattfindet, aber Deutschland bzw. seine führenden Exporteure in Sachen Klimaschutztechnik aus den Kosten, auf die andere sich im Namen des Klimas haben verpflichten lassen, eine Geschäftsquelle machen können. In diesem Geist haben die Europäer ihre Beschlüsse auf ihrem EU-Gipfel gefaßt, sie sind übereingekommen, die Erwärmung der Erde soll auf 2 Grad Celsius begrenzt werden (statt der prognostizierten 4 Grad), das CO2 soll um 20 % im Verlauf der nächsten Jahrzehnte reduziert werden, und die Mittel dazu sollen im wesentlichen aus 3 Sparten kommen: 1. Die erneuerbaren Energien werden weiter entwickelt (Solarzellen, Windräder, Biotreibstoff etc.), 2. es soll Energie gespart werden (Dämmung der Gebäude verbessern etc.) und 3. soll die CO2-Abscheidung und –lagerung unter der Erde vorangetrieben werden.

Kaum haben sie sich auf diese Ziele geeinigt, geht ein Streit bei den Nationen los, und das ist folgerichtig. Warum? Die Merkel beispielsweise hat dafür gefochten, daß die 20%-ige CO2-Reduktion als EU-Ziel durchgesetzt wird – „Klima hat Vorfahrt“, hat sie gesagt. Gleichzeitig hat sie auf diesem Gipfel zurückgewiesen, daß es eine einheitliche, autotypenspezifische Begrenzung des CO2-Ausstoßes geben soll, einen ‚Flottendurchschnitt’ wollte man sich allenfalls noch angelegen sein. Der Grund ist klar und wird von der Presse auch laut herausposaunt: Wenn man jetzt eine autotypenspezifische Obergrenze des CO2-Ausstoßes erlassen würde, dann wären die Kutschen aus dem Premiumsegment von BMW oder Daimler-Benz im Vergleich zur Konkurrenz von Peugeot nicht mehr verkäuflich.

Der nächste Streitpunkt betrifft die französischen AKWs. Während Deutschland auf alternative, erneuerbare Energien setzt und möglichst politische Maßnahmen ergriffen sehen will, die helfen deutsche Spitzentechnologie, insbesondere bei der boomenden Branche der Windenergie,[5] in alle Welt zu verkaufen, stellt Frankreich sich auf diesem Gipfel quer und sagt: Wir haben unsere AKWs viel lieber! Die Franzosen erzeigen 80 % des Stroms aus AKW-Technik, verweigern also die Mittel des Klimaschutzes und berufen sich darauf, daß sie für die CO2-Vermeidung schon viel mehr getan haben als alle anderen Nationen und zwar mit Gerätschaften, die aus einer Epoche stammen, wo kein Mensch je an CO2-Ausstoß gedacht hat. Aber unter dem heuchlerischen Bezug auf den jetzigen Titel werden die Kernkraftwerke selig gesprochen…

Zwischenfazit: Hier macht sich ein Übergang bemerkbar: Das Klima, das im Ausgangspunkt der Gegenstand der Sorge in der Politik war, hat sich fortentwickelt zu einem Mittel der Standortkonkurrenz, die jedes Klima versaut. Die Klimaziele bzw. Klimaschutzmaßnahmen sind der Stoff und der Hebel dazu, in einer internationalen Konkurrenz um nationale Erträge als Sieger hervorzugehen. Jede Nation, die die Klimaziele unterschreibt und die zugehörigen Maßnahmen umsetzen will, ist darauf bedacht, möglichst andere auf Kosten zu verpflichten, die man für sich selbst versucht möglichst gering zu halten. Gleichzeitig sollen die Kosten, die man anderen aufbürdet, zu einer Geldquelle werden, indem man die eigene Technologie möglichst massenhaft exportiert, die anderen möglichst als Abnehmer der eigenen Technologie verpflichten möchte. Das Spielchen sieht eben von jeder Nation aus betrachtet umgekehrt aus. Jeder will den anderen die Kosten aufbürden, die der Klimaschutz kostet und sich selbst den Gewinn zusichern, der sich in Sachen Klimaschutz machen läßt. Das führt notwendig zu einem Streit zwischen den Staaten, die sich andererseits doch so einig sind über die Notwendigkeit des Klimaschutzes…

2.5. Zur Verlausform des Streits

Wie sie streiten, ist vielleicht noch eine Bemerkung wert: Sie treten nämlich nicht ehrlich gegeneinander an und sagen: Deine Klimaschutzziele will ich nicht, ich mag lieber andere. Sie sagen auch nicht: Eure Windräder kaufe ich nicht, kauft lieber unsere Solarzellen, das Geld kommt dann nämlich in unsere Kassen, nicht in Eure. Sie streiten nicht mit offenem Visier, indem sie ihre Interessen gegeneinander aufrechnen, sondern sie streiten mit Bezugnahme auf den allerhöchsten Titel, nämlich: Wie ist die Menschheit vom Klimawandel betroffen und wer handelt am verantwortungsbewußtesten für diese Menschheit. Warum ist das so? Was leistet dieser Titel für den Streit von Staaten, die in der Substanz um die Verteilung von Gelderträgen ringen, die sich aus Klimaschutzmaßnahmen speisen sollen?

Zunächst zur Fiktion dieses ganzen Titels ‚Menschheit’. Das ist ja schon im Inneren eines Landes ein fiktives Ding. Die Menschen, die da leben, laufen als Käufer und Verkäufer, als Mieter und Vermieter, als Arbeitnehmer und Unternehmer herum, haben herzlichste Gegensätze aller Art untereinander und kennen sich nicht einmal. Sie sind also nicht eine uniforme Menschheit, die als ein einheitliches Subjekt handelt. Erst recht ist so etwas grenzüberschreitend nicht existent, die Menschheit. Da sind die Menschen doch erkennbarerweise in nationale Kollektive sortiert, da die Deutschen, hier die Amerikaner, da die Franzosen, dort die Nicaraguaner usf. Die Menschheit ist gar kein wirklich vorhandenes Subjekt, und die Völker, die in diese nationalen Kollektive aufgeteilt sind, die haben nicht nur nicht gemeinsame Ziele, sie kennen sich auch nicht, wenn man mal von dem bißchen Tourismus absieht. Das spricht alles nicht für ein herzliches Einvernehmen und gemeinsame Zielsetzungen, die man als gemeinschaftliches Subjekt umsetzt. Die Menschheit ist eine Fiktion, aber eine Fiktion, die für die Staaten, die sich ihrer bedienen und sie im Munde führen, eine Leistung erbringt. Welche Leistung? Die Leistung liegt darin, daß das Interesse zu etwas Allgemeinem gemacht wird, was auf Anerkennung durch Andere pocht. Denn was ein Recht ist, das ist nicht mehr nur ein partikulares Interesse, sondern etwas über dem staatlichen Interesse stehendes, das also insofern allgemein ist und von Anderen Anerkennung verdient. Die Verwandlung des Interesses in das Recht, das man anderen vorträgt und dessen Einhaltung man proklamiert, ist also ein Instrument, andere auf eigene Interessen zu verpflichten, aber nicht im Namen des Interesses sondern im Namen dieses höheren Allgemeinen, das auch die anderen akzeptieren und respektieren (sollten). Für dieses höhere Allgemeine steht in der Klimaschutzdebatte – das Kyoto-Protokoll ist nämlich nicht von allen unterzeichnet – dieser fiktive Titel der Menschheit. ‚Der seid doch auch ihr auch verpflichtet!’ Und keiner sagt: ‚Bleibt mir weg mit Eurer Menschheit, nein, der Menschheit ist jeder Staat verpflichtet, so sagen sie. Und der Streit, der sich in Wirklichkeit um die Interessen dreht, um die Kosten, die entstehen oder vermieden werden, um die Gewinne, die man an Land ziehen will, wenn man andere auf Maßnahmen verpflichtet, der wird nicht mit Interessen bzw. im Namen der Interessen geführt, sondern mit Verweis darauf, wer wie sehr das Menschheitsanliegen eines intakten Klimas befördert oder mit Füßen tritt. Die US-Amerikaner z.B., die diese ganze Klimaschutzkonvention und die europäischen Regeln nicht wünschen, die sagen nicht einfach: ‚Laßt uns in Ruhe mit Eurem Kram, wir wollen Euer Regelwerk nicht’, sondern die sagen z.B. einfach im internationalen Klimarat: ‚Die Prognosen stimmen nicht, in Nordamerika sind überhaupt keine Dürren zu erwarten.’ Auch bei den Vorbereitungen zum letzten G8-Gipfel gab es heftigen Streit um verbindliche Ziele zum Klimaschutz, die US−Regierung protestierte in ihrem Entwurf für das Gipfelkommunique in „ungewöhnlich scharfer Form gegen die deutsche Position“ (ZEIT online 22/2007). Die Europäer hatten versucht hineinzuschreiben, daß der Klimawandel sichere Sache ist, zu Katastrophen führt und daß die Staaten sich im Namen der Menschheit auf Maßnahmen verpflichten sollen, „Klimaschutz ist internationale Pflicht, nicht Wahl“, stand in dem Bericht, den sie abgehakt haben wollten. Die Amerikaner haben einen Strich durchgezogen und gesagt: Wir nehmen den Klimaschutzbericht zur Kenntnis…

2.6. Der Weltklimarat und der Charakter von Prognosen

Dieser Art von Streit feilscht um die Durchsetzung von Interessen, wie gesagt, in Namen des Höheren, der Menschheit, und dieses Ringen, das hat seine institutionalisierte Form in diesem Weltklimarat, der anläßlich dieses Berichts durch die Schlagzeilen gegangen ist, dieser IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, s.a. hier)

Das ist ein Gremium, das nicht etwa aus Wissenschaftlern besteht, sondern aus Politikern, die die wissenschaftlichen Berichte lediglich in Auftrag geben und denen die Endredaktion vorbehalten ist. In den Statuten existiert der interessante Paragraph, daß die Politiker in der Endredaktion das Recht haben, wissenschaftliche Resultate zurückzuweisen und eine „konsensfähige Alternative“ zu fordern! Würde man diese Vorstellungen auf die Natur-wissenschaft und ihren harten Kern anwenden, dann würde einem die Absurdität ins Auge springen. Aber bei dem speziellen Wissensgebiet der Klimaforschung springt sie nicht als solche ins Auge, denn die Klimaforschung bietet für diese Ungeheuerlichkeit offenbar nach dem Dafürhalten der Politik wie der Öffentlichkeit ein Einfallstor, und dieses Einfallstor heißt Prognose. ‚Die machen doch ohnehin nur Prognosen, bei der Wettervorhersage wie in der Klimaforschung’, heißt es, und wenn schon beides ungenau ist, dann doch am liebsten nach dem Geschmack des Hauses. Das ist der Anknüpfungspunkt, der jedoch, betrachtet man es wissenschaftlich, gar nicht wirklich an den Charakter einer Prognose anknüpft. Eine Prognose muß nichts Falsches oder Unwissenschaftliches sein, obwohl man es natürlich auch unwissenschaftlich tun kann, beim Horoskop zum Beispiel. Denn wenn die Klimaforschung zu Werke geht, dann nimmt sie ihren Ausgangspunkt bei erkannten naturwissen-schaftlichen Gesetzen. Die Klimaforschung weiß etwas über die Thermo-dynamik, über den Zusammenhang von der Erwärmung von Luftmassen, der Temperatur und dem Druck, sie weiß etwas über Luftströmungen, die erzeugt werden durch Druckgebilde, von Hoch- und Tiefdruckgebieten, sie wissen etwas über die Ablenkungen dieser Ströme durch die Coriolis-Kraft, die durch die Erddrehung hervorgerufen wird usw. Nun gibt es aber zwei Einschränkungen: a) Nicht alle Gesetze, die beim Klima am Werk zu sein scheinen, sind bekannt und b) die bekannten Gesetze der Thermodynamik usf. wirken unter einer Vielzahl von Bedingungen, die nicht in Gänze erfaßbar und meßbar sind. Die Ozeane stecken voll von Sonden, auf verschiedenen Niveaus der Tiefe, die Temperatur und Strömungen messen, die Lufttemperaturen werden an einer Vielzahl von Orten auf der Erde weltweit gemessen, an Flughäfen, Schwimmbädern, Jugendherbergen und sonstwo, um Hochrechnungen über das Strömungsverhalten der Luft und die zu erwartenden Temperaturen zu machen usf. Daß also Prognosen das Ergebnis des Wetterberichts wie der Klimaforschung sind, das rührt daher, daß aus naturwissenschaftlichen Gesetzen Schlüsse auf künftige Wirkungen gezogen werden, die deswegen mit einem Maß an Unbestimmtheit versehen sind, weil entweder a) nicht alle Gesetze vollständig erfaßt/erkannt worden sind, oder b) weil die Vielzahl der Bedingungen, die man kennen müßte, um diesen Schluß zu vollziehen, nicht verfügbar ist. Aus diesem Grund ist der Wetterbericht mitunter mit einer Wahrscheinlichkeitsgröße versehen, Kachelmann sagt dann, ‚die Regenwahrscheinlichkeit für morgen beträgt 60 %’. Wären übrigens alle Gesetze und alle Bedingungen bekannt, dann bräuchte man auch keine Prognosen mehr. Wenn man einmal weiß, wie das mit dem freien Fall der Steine und der Erdanziehung ist, dann prognostiziert man nicht mehr wie schnell ein Stein im Vakuum fällt, das rechnet man es aus. Also, das Maß an Unbestimmtheit, an das sich die politischen Fritzen da anhängen, das folgt bei diesem speziellen Wissensgebiet aus dem Gegenstand und dem Stand des Wissens um ihn und nicht aus einem irgendwie gearteten Interesse, das sich der Sache gegenüber zu Geltung bringe, so daß man sagen könnte, ja, wenn die Sache schon unbestimmt ist, nämlich des Wissenstandes wegen, ja, dann kann ich sie ja auch gleich unbestimmt machen im Sinne meines Interesses. Das wäre etwa so, als wenn die Regenschirmindustrie plötzlich für die Wettervorhersage zuständig wäre und sagt: Die Regenwahrscheinlichkeit für die nächsten Tage liegt nicht bei 60 %, sondern sagen wir mal lieber 95 %, das hebt den Umsatz. Ein solches Vorgehen ist durch den wissenschaftlichen Charakter einer Prognose ganz sicher nicht gedeckt…

3. Neue Energiepolitik im Zeichen der antiterroristischen Weltkriegslage

Zum letzten Punkt, nämlich der neuen Energiepolitik, die in fast allen Staaten zu einem Top-Thema der Agenda gemacht wird. Eine neue Energiepolitik, die Erneuerung ihrer nationalen Energiebasis, wollen mehr oder weniger alle Staaten. Das ist schonmal ein erster Hinweis darauf, wie unsachlich die in der deutschen Öffentlichkeit bezeichnete Scheidelinie ist, die den Lesern sagen will: Die EU geht mit gutem Beispiel voran und schützt das Klima, tut etwas für erneuerbare Energien, die USA und China und andere dagegen, die vergehen sich am Klima, indem sie nichts unternehmen. Das ist einfach sachlich Unsinn. Jeder kann den Zeitungen entnehmen, daß z.B. in den USA große Programme aufgelegt werden, um die Gewinnung von Bioethanol zu beschleunigen, es gibt Gesetze, daß dieser zukünftig dem bisher gewöhnlichen Auto-Treibstoff in großer Menge beigemischt werden muß. Ferner existieren umfangreiche Förderprogramme für die weitere Solarzellenentwicklung usw.

Alle Staaten setzen auf erneuerbare Energien. Ist es nicht verwunderlich, daß Staaten, die so viele Gründe gegen den Klimaschutz kennen, neben aller Sorge um seine Folgen, (Wirtschaftswachstum darf nicht leiden, internationale Konkurrenzposition darf nicht geschwächt werden), andererseits so entschlossen für Klimaschutz und Erneuerung der Energiebasis eintreten? Um es zuzuspitzen: Es ist ja frappierend, daß sich die Politik gegen alle Unsicherheit, die in den Wahrscheinlichkeitsberechnungen der Klimaforschung noch präsent ist, sehr einseitig auf die Gewißheit des Eintritts des Klimawandels stellt und sich mit einer Erneuerung der Energiebasis dagegen wappnen will. Das hat seinen Grund darin, daß es für diese Sicherheit – eine neue Energiebasis muß her – tieferliegende Gründe gibt als die bloß ökologischen des Klimaschutzes. Fast alle Staaten leiden nämlich – mehr oder weniger – unter der jetzt bei ihnen verfügbaren Art der Energieversorgung ihrer Nation. Da die Energie ein Lebenselixier jeden kapitalistischen Standorts ist und die Kosten für die Energie Bestandteil jeder kapitalistischen Konzernbilanz ist, steht der Staat auf dem Standpunkt, daß er sich um die Versorgung mit Energie kümmern muß, indem sie flächendeckend verfügbar ist – für alle Betriebe, aber auch für die arbeitnehmenden Bevölkerungsteil. Die Energie muß a) möglichst sicher, d.h. immer verfügbar und b) möglichst billig sein. Daß sich alle Nationen auf Öl und Gas konzentriert haben als maßgeblicher Energieträger, das hat den eingangs erwähnten schlichten Grund, daß dieser fossile Brennstoff so konkurrenzlos billig war. Nur hat diese Energiequelle einen Haken, der seit einigen Jahren immer deutlicher zutage tritt. Nicht nur, daß diese Energiequelle endlich ist, auch die größten Öllagerstätten werden irgendwann einmal aufgebraucht sein. Noch lange bevor dieser Punkt erreicht sein wird, macht sich der Ölpreis unangenehm bemerkbar, weil die Erschließung abgelegenerer, tieferliegender Quellen immer teurer wird.

Aber nicht nur, daß die Ressourcen endlich sind: Seit einigen Jahren ist diese Energiequelle permanent unsicherer geworden, und zwar u.a. durch den Antiterrorkrieg, den die USA weltumspannend gegen alle antiamerikanischen Umtriebe führt. Neulich wurden die Ölquellen des Irak zerstört, morgen könnten es die des Iran sein. Aber auch die Energietransportwege sind z.T. unsicher geworden, so bspw. die der Ukraine als durchleitendes Land, so daß führende Staaten aus dem Kreis der Weltwirtschaftsmächte Europas darauf dringen, eine Energiepartnerschaft mit Rußland anzustreben. Vor 10 – 15 Jahren hätte man eher Szenarien erwartet, nach denen man gemeinsam in der NATO mit dem Hauptverbündeten USA für die Sicherheit und den freien Zugang zu allen Ölquellen sorgt. Darauf kommen die Europäer heutzutage nicht, ganz folgerichtig, weil ihr Hauptverbündeter mit seinem Antiterrorkrieg eine wesentliche Quelle der Unsicherheit ist. Und gegen die wollen sie sich rückversichern, indem sie sich einen Partner aussuchen – Rußland kommt ins Visier – der zwei Vorteile bietet: Er verfügt über große Lagerstätten und über so hinreichend große Macht, daß dieser Staat nicht einfach so wie Nicaragua, Nigeria oder andere Öllieferstaaten von der Weltmacht USA hin- und hergeschubst werden kann. In diesem Vorteil liegt aber auch ein Nachteil: Die Klagen in Deutschland über den neuen, treuen, strategischen Partner Rußland sind in dem Moment losgegangen, als Rußland zu erkennen gegeben hat, daß es an dem Geschäft mit dem Gas mindestens so gut verdienen will wie Europa. Sie wollen sich bei diesem Geschäft stärken und nicht einfach in die Stärkung Europas zu ungunsten Rußlands einwilligen. Darüber kehrt Unzufriedenheit ein, die bei den Amerikanern aus ähnlich gelagerten Gründen Einzug hält. Die USA hält sich inzwischen für eine Geisel der Energieabhängigkeit in Sachen Nahost-Staaten oder Venezuela. In den USA gibt es eine Diskussion, die unter dem Titel ‚Amerika braucht eine neue Unabhängigkeitserklärung’ läuft, womit diesmal eine Unabhängigkeitserklärung an das Öl gemeint ist, denn der Ölpreis und der Freiheitsvorrat steigen und fallen in entgegengesetzter Richtung, was man am Beispiel des Iran studieren kann: nicht zuletzt der hohe Ölpreis erlaubt es den Machthabern sich den USA und seinem Freiheitsangebot zu widersetzen. Energie zu konsumieren, ist also ein geostrategischer Imperativ, den selbst das Pentagon begriffen hat. Ein Mehr an Sicherheit für Amerika gibt es nur mit einem Weniger an Abhängigkeit vom Öl.

So etwas Ähnliches kann man übrigens vereinzelt auch in Deutschland hören, das Motto des Braunkohletags Leipzig z.B. lautete: „Auf dem Gas sitzen die Kosaken, auf dem Öl die Scheichs, nur wir sitzen auf der Braunkohle“. Es ist der Gedanke der Autarkie, der da zur Sprache kommt. Man will nicht nur nicht abhängig sein vom Ausland, man will umgekehrt in der Lage sein, dem Ausland die Bedingungen zu diktieren. Aus diesem Grund soll also die Energiebasis der Nation umgekrempelt werden, um so etwas wie eine energiepolitische Unverwundbarkeit der Nation zu etablieren und im weltweiten Konkurrenzkampf der Standorte freie Hand zu haben.

Das ist es, was „Umsteuern“ genannt wird. Und wie wenig dieses Umsteuern mit Vernunft zu tun hat, das kann man leicht ermitteln, wenn man die eingeleiteten Maßnahmen untersucht. Das französische Beispiel mit den AKWs wurde schon genannt. Frankreich feiert seine AKWs, die schon seit 30 Jahren in der Landschaft stehen, als grandiosen Beitrag zum energie-politischen Umsteuern, ein Stück Technologie, das eben ein Stück weit unabhängig macht von Öl- und Gaslieferungen aus dem Ausland. Australien setzt hingegen wegen seiner riesigen Kohlereserven voll auf Kohlekraftwerke! Und auch da, wo es vorgeblich ökologischer zugeht, da geht es überhaupt nicht vernünftiger zu. Für die Gewinnung von Biodiesel (Ethanol) aus Mais oder Weizen werden, vor allem in der 3. Welt, mittlerweile riesige Waldflächen gerodet und gewaltige Massen Kunstdünger in den Boden eingebracht, damit die Hektarerträge und damit die Geschäfte stimmen. Nebenbei erfährt man, daß diese Art des ‚Umsteuern’, zu ersten Hungeraufständen in Mexiko geführt hat, weil die Tortilla sich im Preis verdreifacht hat. Viele Mexikaner können ihre Grundnahrungsmittel also nicht mehr bezahlen, weil der Mais mittlerweise für die Gewinnung von Bioethanol verwendet wird. Anläßlich eines Besuchs von Bush in Brasilien haben die beiden Staaten jüngst einen Vertrag abgeschlossen, daß Brasilien seinen maßgeblichen Maisanteil an Amerika verkauft, eben als Baustein für die Erneuerung der amerikanischen Energiebasis.

Wenn man diese energiepolitischen Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der CO2-Bilanz nachrechnet, muß man zu dem Ergebnis kommen: Das ist ja geradezu verheerend, da wird zunächst ein riesiger Wald gerodet, damit entfällt wegen der entfallenden Photosynthese auch die entsprechende Menge Bindung von CO2 und dann wird der Mais auch noch mit stinkenden, dieselverbrennenden Containerriesen über die Ozeane geschippert. Diese CO2-Bilanz ist garantiert negativ. Dann muß man aber auch einmal zu dem Schluß kommen: Ja, dann ist diese Maßnahme wohl auch offensichtlich auch nicht dafür gedacht, die CO2-Bilanz ins Positive zu bringen. Sie erklärt sich ausschließlich aus dem Ziel, eine energiepolitische Unverwundbarkeit zu erlangen, für die die Maßnahme nämlich sehr wohl ein nützlicher Beitrag ist! Wenn z.B. die Amis demnächst dem Chavez eins aufs Dach geben wollen, muß zunächst eine größere Unabhängigkeit vom Öl erreicht sein – immerhin importieren sie momentan noch ca. 20 % ihres Öls aus Venezuela…

3.1. Der Verbraucher - nützlicher Idiot im Auftrag imperialistischer Energiepolitik

Diese imperialistischen Ziele – eine weltkrisenfeste Energiebasis in der eigenen Nation zu etablieren – wird dem großen Publikum allerdings unter einem ganz anderen Verkaufslogo angeboten, und das heißt: Wir betreiben Klimaschutz! Die Täter steht dabei fest, das sind nämlich wir alle. Und damit wir uns bessern, stehen uns der Staat und die freie Presse z.B. mit Berechnungen aller Art hilfreich zur Seite. Das treibt lustige Blüten. Auf dem Automobilsektor führt man gewissermaßen so etwas wie Effizienzklassen bei Kühlschränken ein, man erfährt, daß der kleine VW Polo tatsächlich weniger CO2 produziert als der große BMW, so daß man denken könnte: Fährt man doch lieber Polo. Aber natürlich soll das Premiumsegement von BMW nicht geschädigt werden, also kann man wiederum nachlesen, wieviel ein 6-Zylinder BMW der 7er-Reihe im Unterschied zu einer Chrysler-Luxuskarosse verbraucht – und so gesehen ist der 7er dann natürlich unter Klimaschutzgesichtspunkten wieder optimal. Man weiß inzwischen auch, daß ein Mallorca-Flug pro Nase 10 Tonnen CO2 produziert, eine Zugfahrt von Bremen nach Rostock aber nur ganze 35 kg pro Nase – wo fahren wir also hin? Nein, nicht nach Rostock, denn dann würde die Flug- und Tourismusindustrie schaden nehmen! Es soll natürlich weiterhin nach Mallorca geflogen werden, und das kann man sogar guten Gewissens tun, wenn man was tut, nämlich einen Baum pflanzen – so stellt man die CO2-Bilanz wieder her! Man kann sich das schwerlich vorstellen, daß ein so kleiner Buchsbaum den CO2-Ausstoß eines Mallorca-Fluges wieder wettmachen kann, aber das muß man auch gar nicht, weil einen die Verkehrung der Logik so anspringt: der Umweltschutzakt ist hier gedacht als Lizenz zur Verdreckung! Wer also nach Mallorca fliegen will, pflanzt einen Baum, und weil das Kurzzeitgedächtnis der Konsumenten ja bekanntlich kurz ist, eilen die Standorthüter und Konzernlenker diesem Gedächtnis zur Hilfe: Man verteuert die Flugtickets durch eine CO2-Abgabe, so daß man den Baum gar nicht mehr pflanzen muß… Unter dem Strich kommt folgende Bilanz heraus: 1. fliegen die großen Fluglinien weiterhin nach Mallorca und produzieren pro Nase 10 Tonnen CO2, 2. dasselbe Ergebnis ist jetzt für den Konsumenten teurer geworden. 3. Den Menschen wird für ihr schlechtes Gewissen, das ihnen die schreibende Zunft macht, ein Ablaßhandel angeboten, und zwar für Folgen, die nicht der kleine Mensch, sondern Staat und Kapital verursachen. Und damit kommt zur Gemeinheit die Dummheit hinzu. Aber etwas anderes sollte man von einem Standort, der die Ökologie mit der Ökonomie versöhnen will, ja auch nicht erwarten – Schluß.

 

Fußnoten

[1] Mit der Entwicklung des ersten Dreiwegekatalysators, der den Abbau der drei wichtigsten Schadstoffgruppen (unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid und Stickoxide) gleichzeitig katalysieren kann, gelang der US-amerikanischen Firma Engelhard 1979/80 ein Meilenstein der Abgastechnologie

[2] In Europa schrieb zuerst die Schweiz im Alleingang ab 1986 für alle Neuwagen Katalysatoren vor; andere Länder wie Österreich und Schweden zogen bald nach. Ende 1984 beschloß Deutschland, den Einbau von Katalysatoren in Neufahrzeugen ab 1989 zur Auflage zu machen.

[3] Der Vorwurf an Frau Künast, daß ihr Aufruf eine ziemlich unpatriotische Art der Werbung gewesen wäre, ist völlig verfehlt, denn es handelte sich dabei um einen zutiefst patriotischen Aufschrei, denn sie hat den Hinweis auf die japanischen Hybrid-Autos als Weckruf an die deutsche Industrie verstanden, die sich blamiert, wenn nicht sie der Marktführer in diesem Segment ist (s.a. FAZ.NET vom 13.02.2007).

[4] 1990 gab es in der DDR noch Fabrikschornsteine, die zur Industriekapazität hinzugerechnet wurden. 1, 2 Jahre später sind die Fabriken Pleite gegangen, so daß sie als Fabrik und Beiträger zur CO2-Bilanz schon lange nicht mehr existieren, aber als Zertifikat fröhliche Urstände erleben…

[5] Gemäß einer aktuellen Arbeitsplatzstudie im Auftrag der Bundesregierung beschäftigt die Windenergie-Branche aktuell ca. 70.000 Menschen in Deutschland. Der Bundesverband WindEnergie (BWE) nennt als Antriebsfaktoren der Windenergie-Job-Maschine zum einen die stabile Situation im Inlandsmarkt, zum anderen die hervorragenden Exportzahlen. Durch den technologischen Vorsprung bei den „Erneuerbaren“ hat sich Deutschland große Weltmarktanteile gesichert. Mittlerweile gehen über 70 Prozent aller in Deutschland produzierten Windkraftanlagen in den Export. Für die Gesamtbranche der erneuerbaren Energien rechnet die Studie im Jahr 2020 mit mindestens 307.000 Jobs.


contradictio - 2006