0. Einleitung
Die Mehrheit der Wissenschaft ist
mittlerweile zu dem Urteil gekommen ist, daß der Klimawandel
Realität ist, daß sich die Erde tatsächlich erwärmt und diese
Erwärmung katastrophale Auswirkungen haben könnte. Es gibt auch
einige wenige Gegenstimmen, die die Auffassung vertreten, daß der
Klimawandel im wesentlichen ein Klimaschwindel ist, daß die
Wissenschaft und der Wetterbericht ja schon daran scheitert, das
Wetter von morgen genau vorherzusagen und man deshalb unmöglich
prognostizieren könnte, wie das Klima im Jahr 2050 beschaffen ist.
Die Frage, ob die Erwärmung der Erde möglich,
wahrscheinlich oder so gut wie sicher ist, ob mit einer
Wahrscheinlichkeit von 20, 60 oder 80 Prozent, und ob die Erwärmung
2, 3 oder 6 Grad betragen wird – diese Frage kann man als Laie nicht
entscheiden, dafür ist die Klimaforschung dann doch ein wenig zu
kompliziert. Man muß diese Frage aber auch gar nicht entscheiden:
Die Politik, die für den Klimaschutz Maßnahmen ergreift und
Verantwortung übernehmen will, die hat sich diesem
wissenschaftlichen Befund gestellt und geht davon aus, daß der
Klimawandel sichere Sache ist, daß katastrophale Änderungen zu
erwarten sind, so daß man einfach einmal unabhängig von jeder
Wahrscheinlichkeitsrechnung prüfen kann, welche Maßnahmen die
jeweiligen Staaten in Sachen Klimaschutz für angezeigt halten und
ergreifen, welche sie unterlassen und welche Interessen dabei
jeweils zum Zuge kommen und nach welchen Maßstäben gehandelt wird.
Zunächst jedoch zu der Sache selbst, dem
Klimawandel und seinen Ursachen.
1. Der Klimawandel und seine Ursachengleich
Die Wissenschaft ist zu dem Ergebnis gekommen, daß
sich die Durchschnittstemperatur der Erde in den letzten 100 Jahren
um 0,74 Grad Celsius erhöht hat, wobei jeweils 0,15 °C allein auf
die letzten drei Dekaden entfallen. Auf dieser Grundlage existieren
auch Hochrechnungen, die mithilfe von Modellen angestellt werden.
Die besagen, daß der Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 1,5 bis 6,4
°C betragen wird. Die Schwankungsbreite rührt u.a. daher, daß der
erwartete Temperaturanstieg von der zukünftigen Entwicklung des CO2-Ausstoßes
abhängt. (Zum Vergleich: 6 Grad Differenz entspricht in etwa dem
Temperaturunterschied zwischen der Jetzt-Zeit und der letzten
Eiszeit.)
Die möglichen Folgen, die eine solche Erwärmung
hat, sind ebenfalls bekannt und werden beinahe tagtäglich in den
Medien ausgebreitet:
- etlichen Landstrichen droht eine weitere
Versteppung, Verwüstung, es wird vermehrt zu Dürren kommen;
- aufgrund der stärkeren Verdunstung wird es in
anderen Regionen hingegen zu gewaltigen Niederschlägen und
Überschwemmungen kommen;
- ein beschleunigtes Abschmelzen von Gletschern
und Polkappen, vor allem aber die thermische Ausdehnung der
Wassermassen wird den Meeresspiegel gravierend ansteigen lassen
infolgedessen z.B. ganzen Insel-Ketten, insbesondere im Pazifik,
aber auch Regionen rund um die großen Flußdeltas in Asien
(Bangladesch, China etc.) drohen, überflutet zu werden;
- und es wird als Konsequenz dieses veränderten
Klimas das vermehrte Auftreten von Hungersnöten sowie ein
Millionenheer von Klimaflüchtlingen erwartet.
1.1. Natürlicher und anthropogener
Treibhauseffekt
Als Ursache für die Erderwärmung hat die
Wissenschaft den sogenannten anthropogenen Treibhauseffekt (anthropos,
gr. = der Mensch) ausgemacht, also den von Menschen verursachten
Effekt, der zusätzlich zu dem natürlichen Treibhauseffekt seine
Wirkung entfaltet. Es gibt an diesem Befund eine rationelle und eine
ideologische Seite. Als Scheidung zu dem natürlich wirkenden
Treibhauseffekt, der durch die auch ohne jegliches menschliche Zutun
vorkommenden klimarelevanten Gase (v.a. Wasserdampf und CO2)
der Atmosphäre zustande kommt und die mittlere Erdtemperatur von -18
auf +15 Grad Celsius ansteigen läßt, ist der Terminus richtig. Ohne
diesen natürlichen Treibhauseffekt wäre Leben auf der Erde gar nicht
möglich. Der anthropogene Treibhauseffekt, der vom Menschen
zusätzlich hinzugefügte Treibhauseffekt, der besteht nun darin, daß
durch die Bearbeitung der Natur, und zwar im wesentlichen durch die
Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas,
in großem Umfang CO2 freigesetzt wird, zusätzlich zu dem,
was sich ohnehin schon in der Atmosphäre befindet. Man kann den
Tageszeitungen entnehmen oder im Internet nachlesen, daß man durch
Messungen an Eisbohrkernen den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre zu
verschiedenen Epochen messen kann und daß sich dieser von dem
ursprünglich vorindustriellen Niveau von ca. 280 ppm (parts per
million) auf nunmehr 380 ppm erhöht hat. Das also ist das Rationelle
am dem Begriff des anthropogenen Treibhauseffekts: Es wird eine
Erwärmung gemessen, die nicht auf vom Menschen unabhängige
Natureffekte zurückgeht, sondern auf die Bearbeitung der Natur, die
Verbrennung von fossilen Brennstoffen, durch den Menschen.
Damit aber beginnt auch schon die nicht mehr
vernünftige, die irrationelle Lesart desselben Begriffs der
‚anthropogenen Ursache’. Ist es wirklich der Mensch, der
dafür verantwortlich ist? Das muß schon eine komische Gattung sein,
dieser Mensch, wenn er sich ständig selbst bedroht und seine
Lebensgrundlagen ruiniert. Wenn es so wäre, daß der Mensch
der Täter und der Mensch das Opfer ist, dann würde man doch
entweder die Tat unterlassen, oder aber, wenn es so wäre, daß es
wirklich der Spezies Mensch zueigen ist, es eine der
menschlichen Natur anhaftende Eigenart ist, im Unterschied zur
Ameise und Giraffe, die ja auch durchaus die Natur bearbeiten und
einem Stoffwechsel haben, Technik hervorzubringen, die eine
Naturänderung bewirkt, die ihrem Umfang nach alles übersteigt, was
andere Gattungswesen zustandebringe und sich dabei notwendig
selbst die eigene Lebensgrundlage entzieht, dann könnte man sich
auch zurücklehnen und dem geweihten Untergang gelassen ins Auge
blicken, weil es keinen Ausweg gäbe. Wäre ‚anthropogene Ursache’ im
wörtlichen Sinne zu nehmen, also eine dem Menschen eigentümliche Art
der Verursachung, die wie ein Stück Natur in der Welt steht und
wirkt, dann könnte man sich die gesamte Debatte über das Umsteuern
und das Vermeiden von CO2 sparen. Denn wenn der ‚Anthropos’
durch seine Natur die Quelle des CO2 ist, dann wäre eine
Änderung eben nicht möglich – Natur ist Natur.
So ist es selbstredend nicht. Wie so oft, wird
auch hier der Begriff der Menschheit als verkehrte Totalabstraktion
verwendet. Der Mensch an sich muß gar nicht Kohle verfeuern, um
Strom zu produzieren, man kann dies auch mit Windrädern oder
Solarzellen tun, dann vermeidet man einen CO2-Ausstoß.
Man kann z.B. auch, wenn man sich schon auf fossile Brennstoffe als
Energiequelle stürzt, entstehendes CO2 abscheiden,
unterirdisch einlagern (sog. Sequestrierung) und damit unschädlich
machen. Wenn also auch solche Techniken zur Energieerzeugung
existieren, die (a) CO2 gar nicht erst entstehen lassen
oder (b) entstandenes unschädlich machen, dann kann auch nicht mehr
ein irgendwie abstrakter Prozeß namens Zivilisierung oder
Industrialisierung der Grund dafür sein, daß die Gattung Mensch
soviel CO2 in die Atmosphäre bläst.
Die Wahrheit über den Sachverhalt ist eigentlich
kein großes Geheimnis. In so ziemlich allen Bereichen des Lebens
sind die Menschen gar nicht so gleich, wie der Gattungsbegriff
vorstellig machen will, vielmehr findet eine Sortierung der
unterschiedlichen Gattungsmitglieder statt, z.B. in solche, die
tatsächlich darüber entscheiden, ob auf einen Fabrik¬ oder
Kraftwerksschornstein ein Filter gesetzt wird, der das CO2
adsorbiert oder nicht. Dies ist die Entscheidung des Eigentümers.
Den Gattungs-mitgliedern, die als ‚abhängig Beschäftigte’ ihr Dasein
fristen, fällt hingegen die Rolle zu, als Arbeiter im Kraftwerk die
Kohle zu verfeuern oder als Anwohner die Abgase und Feinstäube zu
inhalieren… Liebend gerne wird in der öffentlichen Debatte auch auf
den Konsumenten gedeutet, der angeblich durch eine bewußte
Kaufentscheidung so manches zu verändern mag. Aber auch von dieser
Sphäre muß man sagen: Der Mensch, der da beispielsweise als Käufer
eines Autos auftritt, ist mit seinem Kauf und Gebrauch dieses
Produkts vollständig die abhängige Variable einer
Betriebskalkulation, die über den Inhalt des Produkts und auch
seiner Abgaseigenschaften entscheidet. Ob das Auto einen Vier- oder
Sechszylinder beherbergt, ob es da einen Katalysator gibt oder
nicht, ob es einen Diesel-Ruß-Filter gibt, der Partikel zurückhält
oder nicht – alles das sind Kalkulationen eines Unternehmens, die
davon leben, ob man mit oder ohne den Einbau solcher Aggregate die
Märkte gewinnbringend abräumen kann oder nicht.
Wenn also von ‚dem Menschen’ gesprochen wird, weiß
eigentlich jeder, daß ‚die Wirtschaft’ gemeint ist. Die braucht
gewaltige Mengen Energie, um ihre Produkte anzufertigen und stellt
Waren her, die ihrerseits, z.B. in Form von Autos, einen kräftigen
Anteil an der weltweiten CO2-Emission haben. Aber es ist
auch nicht einfach ‚die Wirtschaft’, es ist schon eine bestimmte Art
der Wirtschaftsweise. Es ist die Art des gültigen
Rechnungswesens der Marktwirtschaft, die historisch dazu
geführt hat, daß bis vor kurzem noch fast ausschließlich fossile
Brennstoffe, und darunter insbesondere das Erdöl, als Energiequelle
genutzt wurden: Kohle und Erdöl haben ihren großen Siegeszug über
den Globus dadurch angetreten, daß sie über Jahrzehnte hinweg eine
unschlagbar billige Energiequelle gewesen sind, daß sie
Energiequellen darstell(t)en, die relativ zu allen anderen Weisen
Energie zu erzeugen, so gut wie nichts gekostet haben. An der im
Kapitalismus gültigen Geldrechnung gemessen, ist der Einsatz von
Kohle und Öl sehr rational, weil möglichst geringe Energiepreise für
die Rendite von Unternehmen förderlich ist. Es ist die im
Kapitalismus alles entscheidende Geldrechnung, die dafür sorgt, daß
Fragen der Art, ob Strom eher über Windräder und Solarzellen oder
durch Kohlekraftwerke produziert wird, ob dem Kohlekraftwerk noch
eine teure Anlage zur Abscheidung von CO2 hinzugefügt
wird oder eher nicht, in sehr eindeutiger Weise beantwortet werden.
Es ist ja eben nicht so, daß es – auf einem bestimmten technischen
Niveau – keine alternativen Methoden zur Erzeugung von Energie geben
würde; die gibt es schon eine halbe Ewigkeit, aber die galten sehr
lange als unrentabel. (entsprechend spärlich fielen z.B. die
Förderungsmaßnahmen zur Fortentwicklung auf dem Sektor alternativer
Energien oder von CO2-Abscheidungsanlagen aus.)
Zwischenfazit: Das,
was in der deutschen Landschaft an CO2 entsteht, das ist
Produkt der Energieproduktion und des Verkaufs von Automobilen und
anderen Gerätschaften, die CO2 produzieren, wobei die CO2-Produktion
nicht das Ergebnis einer Technik und erst recht nicht die notwendige
Eigenschaft einer Gattung, sondern ganz die Folge der
kapitalistischen Geldrechnung ist.
1.2. Umweltschutz = Schutz des Kapitals
Die kapitalistische Wirtschaft hat im übrigen
schon immer den Standpunkt eingenommen, daß es
betriebswirtschaftlich das Nützlichste ist, alle möglichen
Produktionsrückstände möglichst kostenlos einfach in die Umwelt
abzugeben. Das Kohlendioxid ist nur das jüngste Beispiel dafür. Was
hat es da nicht alles gegeben: die Flüsse wurden zur kostenlosen
Abwasserentsorgung verwendet, regelmäßige Fischsterben inklusive,
Dünnsäure wurde in der Nordsee verklappt, giftige Rauchgase
(Schweldioxid und Stickoxide) von Kraftwerken wurden ungefiltert in
die Atmosphäre geblasen usw. usf. Die Vergiftung der Umwelt durch
die kapitalistische Wirtschaftsweise hatte irgendwann Ausmaße
angenommen, die ihre eigenen Existenzbedingungen ernsthaft zu
gefährden drohte. Daß permanentes Wirtschaftswachstum mit einer
zunehmenden Verdreckung der Umwelt einhergeht ist der Politik nicht
verborgen geblieben. Sie hat deswegen darauf reagiert, und auf
einigen Feldern hat sich inzwischen einiges getan. Der Staat hat
Maßnahmen ergriffen und Vorschriften erlassen, die den Ausstoß von
Dreck – und inzwischen auch von CO2 – bremsen bzw. so
dosieren, daß die Grundlagen, die natürlichen wie Humanressourcen,
für den weiteren Verbrauch durch das Geschäftstreiben erhalten
bleiben. Umweltschutz ist dem Begriff nach nicht Schutz der Umwelt,
sondern Schutz des Kapitals, und der Schutz der Umwelt ist dafür
bloß das kalkulierte Mittel.
Dafür gibt es unzählige Belege, ein illustratives
Beispiel aus der Vergangenheit ist die sogenannte „Politik der hohen
Schornsteine“ der 50er und 60er Jahre in Deutschland aber z.B. auch
in England (s.a.
hier). Da hatten sich die Politiker auf den Standpunkt gestellt,
daß die Kraft- und Stahlwerke in NRW, durch den Ausstoß immenser
Mengen an Rauchgas, Wälder und Regionen sowie menschliche Lungen in
unmittelbarer Umgebung in einem Maße ruinieren, daß sie (sowohl die
Natur als kostenlose Müllkippe, als auch die Menschen in Form ihrer
Arbeitskraft) für die weitere Verwendung nicht mehr lange zur
Verfügung stehen, wenn es so weitergehen würde. Willy Brandt macht
1961 die Umwelt zum Wahlkampfthema und fordert, „der Himmel über
der Ruhr muß wieder blau werden“. Die Politik beschloß erste
‚Schutzmaßnahmen’ – allerdings durften diese das Geschäft nicht
schädigen bzw. nur sehr maßvoll belasten. Es wurden Ingenieursbüros
beauftragt, Wind- und Abgasfahnen penibel vermessen und schließlich
Schornsteine konzipiert, die bis zu 300 Meter hoch waren. Die
Billigkeit liegt einfach darin, daß die Ziegelsteine, die man für
den Bau dieser Schornsteine benötigt, nicht viel kosten. Und das
Prinzip der Maßnahme ist gar nicht die Verringerung oder gar
Vermeidung des Drecks sondern dessen Verdünnung unter Zuhilfenahme
des Klimas. Justament in dem Jahr, als im Ruhrpott die große Parole
beim neuerlichen SPD-Wahlkampf lautete, „der Himmel im Ruhrpott ist
wieder blau“, (s.a.
hier), hat in Schweden die erste Zeitung getitelt, „der saure
Regen ruiniert die Wälder Schwedens“. Das eine kommt vom
anderen: Das war der bezweckte Effekt der Verdünnung bzw.
Verlagerung ins Ausland. Man kippt seinen eigenen Scheiß einfach dem
Nachbarn aufs Territorium. Es sieht aber nicht so aus, weil man es
mithilfe des regionalen Klimas bzw. Wetters bewerkstelligt.
Ein etwas jüngeres Beispiel ist die Einführung des
Katalysators in Europa. Langatmige Debatten wurden geführt, ob er
zur Pflicht gemacht werden sollte oder nicht. Obwohl er technisch
bereits vorhanden war,[1]
wurde er solange nicht zur allgemeinen Pflicht gemacht, wie es der
deutschen Autoindustrie nicht möglich war, diese Technik in einem
Umfang und zu Preisen in die Autos zu integrieren, daß sie sie noch
konkurrenzfähig und gewinnbringend auf dem europäischen Markt hätten
losschlagen können. Als die deutsche Autoindustrie es schließlich
doch bewerkstelligt hatte, aus der Reduktion von Abgas im
europäischen Markt einen Konkurrenzvorteil herauszuwirtschaften,
bemühte man sich das zum allgemeinen Maßstab zu machen, in der
Spekulation darauf, daß z.B. Peugeot in Frankreich oder andere
Autofirmen über dasselbe Know-how noch nicht in der ausreichenden
Form verfügen.[2]
Diese Praxis ist die Praxis jeden Standorts, das
ist allseitige staatliche Praxis. Nationale Abgasquellen
wirken international, grenzüberschreitend, ohne lokale Beschränkung.
Und wenn bei diesen Spielchen – entweder den Dreck nur zum Schein zu
reduzieren, indem man ihn durch seine globale Verteilung bloß
verdünnt, oder nur in dem Maße mindert, wie der nationalen
Wirtschaft keine Nachteile entstehen – drei, vier, fünf Jahrzehnte
dahingehen, dann hat man schließlich einen Punkt erreicht, vor dem
wir im Falle des CO2 heute stehen. Das Klima ist im
wörtlichen Sinn global berührt, verändert, hat wahrscheinlich
katastrophale Auswirkungen. Da sind denn selbst Staaten und Regionen
betroffen von dieser globalen Veränderung, die mangels Kapitalmasse
und Fabrikschornsteinen gar keine Gelegenheit hatten ihr Paket Dreck
abzuliefern. Auch in Bangladesch oder Somalia ist der Klimawandel
spürbar, obwohl dort kein Schornstein raucht, der einen Anteil
abgeliefert hat. Die Wirkungen aller anderen Anteile spüren sie
sehrwohl.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der
Appell der Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, vom Februar
dieses Jahres. Künast zeigte sich empört über die deutsche
Autoindustrie, weil Toyota Autos produziert, die man im Vergleich
mit deutschen Autos als CO2-Killer bezeichnen muß. Sie
sagte, „Solange die deutsche Industrie nicht umsteuere, könne sie
nur raten ‚Leute, kauft Hybrid-Autos von Toyota!’“ (FTD,
12.02.2007). Interessant an dieser Stelle sind die heftigen
Reaktionen, die Künast auf diese Äußerung erntete: Wäre die diesem
Appell beiwohnende Gemeinde der Auffassung gewesen, daß die CO2-Reduktion
das Gebot der Stunde sei, dann hätten sie sagen müssen, stimmt,
diese Autos produzieren weniger als die unsrigen, also kauft diese
Toyotas! Gesagt haben sie stattdessen: Man kauft nicht undeutsch,
das ist ein Anschlag auf die deutsche Autoindustrie! Damit ist die
Hierarchie der Ziele schlagartig klargestellt. Diejenigen, die
gebrüllt haben, „Umwelt hat Vorfahrt!“, die schalten sofort um, wenn
sie merken, daß diese Maxime beim Autokauf für einen Moment lang
ernst genommen und damit lauter ‚Fremdprodukte’ gekauft werden
könnten. Das wäre dann plötzlich ein der deutschen Industrie
gegenüber schädliches Kaufverhalten! Also stehen sie dann nicht auf
dem Standpunkt, die Umwelt hat Vorfahrt, sondern selbstverständlich
hat die deutsche Automobilindustrie Vorfahrt.[3]
Zwischenfazit: Es ist
in dieser Klimadiskussion ein Zungenschlag präsent – auch angestoßen
durch die deutsche Führungsrolle beim EU-Gipfel –, der ungefähr
folgendes sagt: Wie modern und ökologisch, wie vernünftig und
zukunftszugewandt Politik heutzutage ist, das sieht man am
Engagement für den Klimaschutz. Die Wahrheit von dieser Auffassung
ist eine ganz andere. Daß Klimaschutz zum vordringlichen Ziel der
Politik wird – gleich dazu mehr – ist ein Beweis dafür, wie sehr der
alte Marx recht hatte mit seiner Aussage, „Die kapitalistische
Produktion untergräbt die Springquellen allen Reichtums, Mensch und
Natur.“ Warum hat er recht? Dazu kann man z.B. mal schauen, was
die meisten von uns in der Schule über den Zivilisationsprozeß
lernen sollten. Da sollte man lernen, daß der Prozeß der
Zivilisation so etwas wie die Progression des Guten war und ist.
Früher haben die Menschen noch in kühlen und feuchten Höhlen
gehaust, im Mittelalter gab es dann schon Häuser, aber die Menschen
haben noch in die Straßen uriniert. Dann kam der Kapitalismus und
mit ihm Abwässerkanäle und beheizter Wohnraum…usw. Das stimmt zwar
alles, aber was ist der bisherige Endpunkt dieses
Zivilisationsprozesses?! Z.B. daß Abermillionen von Menschen auf der
Erde keinen Zugang zu ausreichenden Mengen genießbaren Trinkwassers
haben. Und nun auch noch, daß die Menschen einem Klimawandel
beiwohnen, der manch einem die Hütte wegschwemmt, manch einem sein
Feld und viele das Leben kostet. Daß die Erde großflächig
ungenießbar und am Ende vielleicht auch unbewohnbar wird. Das ist
die Frucht der kapitalistischen Bewirtschaftung der Erde. Und die,
die sich jetzt dem Klimaschutz als ihre großartige ökologische
Einsicht ans Revers heften, die antworten damit auf einen Zustand,
den sie mit ihrer Standortpolitik über die Jahrzehnte
herbeigeführt haben.
2. Die Staaten - Bilanzierung
nationaler Betroffenheit und internationaler Streit
Die Politik zeigt sich von den
Ergebnissen, die die Wissenschaftler vortragen, inzwischen nicht
mehr völlig unbeeindruckt. Die Tatsache, daß die grundsätzlichen
Voraussetzungen jeglichen Geschäftetreibens – eine benutzbare und
bewohnbare Natur – abhanden kommen könnten, fordert die Staaten in
gewisser Hinsicht heraus. Im folgenden soll es darum gehen, wie sie
für sich den Klimawandel bilanzieren, worin sie eigentlich ihre
Betroffenheit ansiedeln und wie sie international um den Klimaschutz
und die dafür notwendigen Maßnahmen streiten.
2.1. Der Stern-Bericht
Die eingangs erwähnten Prognosen
über die Erderwärmung und ihre Folgen sind im Prinzip ein alter Hut.
Die ersten Klimaschutzberichte ähnlichen Zuschnitts liegen über 10
Jahre zurück. Aber erst jetzt zeigt sich die Staatenwelt
beeindruckt. Wie kommt das? Ein wesentlicher Grund dafür ist der
Bericht des früheren Chefökonomen und Vizepräsidenten der Weltbank,
Sir Nicholas Stern, der letztes Jahr von der britischen Regierung
beauftragt wurde, die bis dato umfassendste Studie über die
Kosten des Klimawandels zu leiten. Die hiesige Presse, die zu
der Überzeugung gekommen ist, daß das Thema Klimawandel nun vollends
durchgeschlagen und die Politik wachgerüttelt hat, nimmt den Bericht
(„Stern
Review on the Economics of Climate Change“) geradezu begeistert
auf und schwärmt:
„Kein Ökoromantiker und kein
Maschinenstürmer, sondern Sir Nicholas Stern, der frühere
Vizepräsident der Weltbank, der Wirtschaftsberater der
britischen Regierung, Verfasser einer Studie, die auf
Erkenntnissen der besten Klimaforscher beruht, die je an
Universitäten ausgebildet wurden“ (FAZ 25.11.06)“ „hat komplexe
physikalische Prozesse in eine Einheit umgerechnet, mit der die
Menschen täglich umgehen: Geld. Stern hat dem Schrecken des
Klimawandels ein Preisschild aufgeklebt. […] 5,5 Billionen Euro
könnte es kosten, wenn die Menschheit weiterhin so gewaltige
Mengen von Klimagasen in die Atmosphäre pumpt.“ (Spiegel,
45/2006)
Jetzt endlich also wissen wir über den Klimawandel
und seine Folgen erst so richtig bescheid! Nicht durch die Aussagen
von Ökoromantikern, die hier und da und immer wieder mal auf bereits
eingetretene oder zu erwartende Schäden an Natur und Mensch
verwiesen haben, sondern der Grund, warum man den Klimawandel
ernstnehmen muß, liegt in einer unbestechlichen Geldrechnung!
Gebeutelte Menschen, ruinierte Natur – das alles zählt wenig bis
nichts, wenn nicht auch ein gehöriger Batzen Geld vernichtet würde.
Nun könnte jemand einwenden, ob das nicht etwas
kleinkariert oder interessiert interpretiert ist: Wird mit dem
Geldbetrag denn nicht lediglich eine griffige Maßzahl präsentiert,
die alle Schäden, die menschlichen wie natürlichen, anschaulich
zusammenfaßt und beziffert? Nein, denn an dieser Rechnung ist alles
falsch! Wenn Afrikaner wegen einer Dürre den Hungertod sterben und
in Bangladesh die Menschen aufgrund einer Überschwemmung obdachlos
werden, dann sind das zwei völlig verschiedene Arten von
Schäden, die sich für manches Individuum als (ultimative)
Katastrophe auswachsen und die für sich zu gar keinem Vergleich
fähig sind, so daß man sie addieren könnte! Was soll denn das für
eine Rechnung sein: x Tote Afrikaner + y weggeschwemmte Häuser = z $
oder € ?? Diese Schäden haben doch gar keinen Ausdruck in Geld, und
sie sind deswegen auch nicht in Geld addierbar. Es ist also gar
nicht wahr, daß das Geld sozusagen die Klammer um alle menschlichen
und natürlichen Schäden ist und dafür eine Maßzahl bietet. In
Wirklichkeit vermißt das Geld ein ganz anderes Objekt des Schadens,
nämlich das nationale Geschäft, das durch den Klimawandel
beeinträchtigt wird,
Während der Stern-Bericht den befürchteten
wirtschaftlichen Schaden des gesamten Globus bilanziert, gibt es
auch entsprechende Rechnungen, die sich allein auf Deutschland
beschränken: Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) rechnete
aus, daß der Klimawandel jährlich ca. 0,5 % des Wirtschaftswachstum
kosten wird, insgesamt 330 Mrd. Euro bis zum Jahr 2050, wovon ein
Drittel Versicherungsschäden ausmachen. Diese Rechnung ist in
zweierlei Hinsicht bemerkenswert und aufschlußreich:
a) Ein Haus, das in den Fluten im Oderbruch
versinkt – das ist ein substantieller Schaden für seinen
Bewohner; für die Versicherung aber nur dann auch ein
finanzieller, wenn es versichert war. Man merkt: Da ist ein
anderes Objekt das geschädigte, das Geld. Der Schaden des
Menschen wiegt nicht bzw. nur insofern es sich auf den zweiten
Schaden, die Geldrechnung, auswirkt.
b) Bilanziert wird die Beschädigung des Geldes
und seiner Vermehrung im nationalen Rahmen. Es wird ermittelt,
inwiefern das deutsche bzw. europäische Geld, der deutsche
Standort, das deutsche Geschäft und der deutsche Haushalt
geschädigt werden. Anders gesagt: Andere bleiben außen vor. Die
verhungernden Menschen in Afrika, die absaufenden Asiaten in
ihren großen Deltagebieten, die zählen in dieser Rechnung nicht,
obwohl sie heftig geschädigt sind, vielleicht heftiger als die
Wirtschaft hier. Die zählen nicht, jedenfalls solange nicht, wie
sie nicht als irgendeine Art von Beitrag zum nationalen
Wachstum verbucht sind, vielleicht als Absatzmarkt in Asien,
der unseren Weizen kauft oder sonstwie.
2.2.
Klimaflüchtlinge und failed states - ein Ordnungsproblem!
Das hat sogar seine abgebrühte
Seite. Dazu kann man sich mal die Berichte über einen Südsee-Staat
namens Tuvalu zu Gemüte führen. Tuvalu wird nämlich aller
Wahrscheinlichkeit nach in 25 Jahren unbewohnbar und in 50 Jahren
komplett verschwunden sein, s.a.
tagesschau vom 20.01.2007. Vorsorglich hat die Regierung von
Tuvalu im vergangenen Jahr Asyl für alle seine 11.000 Menschen in
Australien und Neuseeland beantragt. Das wurde von Australien ebenso
vorsorglich abgelehnt, Neuseeland hat hingegen inzwischen zugestimmt
pro Jahr 75(!) Emigranten aufzunehmen, s.a.Beiträge bei
Wikipedia, im
SZ-Magazin
"jetzt"
und in der
SZ
Diese – nennen wir es mal – Hartherzigkeit scheint in einem gewissen
Kontrast zu stehen dazu, daß die Klimaschutzpolitik großes Aufhebens
macht von gewaltigen Hungerkatas-trophen, die zu erwarten sind, und
von Abermillionen Klimaflüchtlingen, wie sie heißen. Entdeckt die
Politik, entdeckt die ‚Staatengemeinschaft’ jetzt doch noch, in
Ansehung der gewaltigen Zahl an drohenden oder bereits eingetretenen
Opfern und Schäden, ihr Herz für die Notleidenden?
Wenn man es nüchtern betrachtet muß man dieser
Auffassung eine klare Absage erteilen. Daß die Menschen in Afrika zu
Millionen verhungern, das ist seit Jahrzehnten so. Warum tun sie
das? Es gibt doch hier Lebensmittel, sogar unverkäufliche (s.a.
hier). Der
Grund ist so denkbar schlicht: Sie haben das Geld nicht, um
diese Lebensmittel zu bezahlen, so daß die Lebensmittelkonzerne aus
dem Verkauf kein Gewinn machen können, also werden sie auch nicht
dorthin gebracht. Bei AIDS genau dasselbe: In Afrika verrecken
Millionen von Menschen an AIDS, obwohl es inzwischen von Pfizer,
Bayer und anderen Pharmariesen recht wirksame AIDS-Medikamente gibt,
die den tödlichen Verlauf der Krankheit zwar nicht gänzlich
aufhalten aber beträchtlich bremsen können. Warum geben sie diesen
Menschen nicht diese AIDS-Medikamente? Weil sie sie nicht bezahlen
können und es damit kein Geschäft für die Firmen ist. Das alles ist
bekannt. Es fallen bei der UN sogar etliche Personalkosten dadurch
an, daß ganz genau nachgezählt wird, wieviel dort an Hunger oder
AIDS sterben, es werden entsprechende Statistiken aufgestellt - nur
helfen tut man ihnen nicht. Geholfen wird stattdessen Staaten wie
z.B. Marokko und Spanien, deren Grenzpolizei mit dem Ansturm
nordafrikanischer Flüchtlinge auf die Enklaven Melilia und Ceuta
nicht mehr fertig wird. Die EU zahlt Millionenbeträge, für
Schutzzäune und Waffen (s.a.
taz vom 6.10.2005 sowie im
Archiv des Hamburger Flüchtlingsrats), um zu verhindern, daß die
Massen, die ihrem hoffnungslosen Elend entrinnen wollen, das
Schengener Gebiet erreichen.
Wenn also jetzt in Ansehung des Klimawandels die
Klimaflüchtlinge als großes Problem ausgerufen werden, dann nicht
deswegen, weil das Elend dieser Leute das Problem wäre, sondern weil
die mangelnde Kontrolle über dieses Elend das Problem ist,
das die Politik vor Augen hat. Wenn diese Leute einfach nicht mehr
in diesen Regionen leben können und sich massenhaft auf die Socken
machen, Staaten und ihre Grenzen überrennen, ja, dann werden aus
jetzt noch halbwegs funktionierenden Staaten und Ölquellen ‚failed
states’, zugrunde gegangene Staaten, in denen noch nicht
einmal mehr ein Rest von Ordnung herrscht, der wenigstens das
unbrauchbare Menschenmaterial vor Ort verwalten und den Ansturm auf
die Metropolen unterbinden würde.
Nicht das Elend stört, wenn die Klimaflüchtlinge
zum Problem ernannt werden, sondern der befürchtete Zusammenbruch
über die Kontrolle dieses Elends. Das wird als maßgebliche
Geschäftsbedingung von der Politik weltweit beaufsichtigt und
beäugt. In den USA wird z.B. sehr unbefangen darüber diskutiert,
welchen Herausforderungen sie sich bezüglich ihrer nationalen
Sicherheit gegenüber gestellt sehen, angesichts solcher zu
erwartender Entwicklungen. Der entsprechende Regierungsbericht trägt
den Titel „Nationale Sicherheit und Bedrohung durch den
Klimawandel“,[Quelle]
und in diesem sind Listen von Staaten aufgeführt, die jetzt zwar
noch funktionierende Ölquellen sind, aber höchstwahrscheinlich in
10, 20 oder 30 Jahren ruinierte Staaten, die zum Hort des
‚Terrorismus’ werden könnten.
Folgt man also der Politik, so wie sie den
Klimawandel betrachtet und auf ihn einwirken will, haben wir es mit
zwei Problemen zu tun: Es gibt eine Beschädigung des
kapitalistischen Wachstums und es gibt eine Bedrohung der weltweiten
Ordnung, die man abwenden will.
2.3. Lohnende Verdreckung der Umwelt uns
Emissionshandel
Was nun die Seite des Wachstums angeht erkennt man
sofort: Weil das Wachstum das Sorgeobjekt ist, das durch die
Klimaveränderung bedroht ist und nicht der Mensch – deswegen ist der
Klimaschutz eine so relative Sache. Die Klimaschutz-Werbeparole des
DIW hat gelautet, „Klimaschutz ist billiger
als spätere Klimaschäden“.[Quelle]
Das ist auch so ein Satz, den man schnell mal überliest, aber der
gibt sehr viel preis, über die Art, wie in dieser Welt gedacht,
gewirtschaftet und gehandelt wird. Wenn man sagt, Klimaschutz ist
billiger als Klimaschäden, dann hat man bekanntgegeben, daß nicht
der sachliche Schaden, der durch eine Klimaveränderung eintritt,
darüber entscheidet ob überhaupt Schutzmaßnahmen ergriffen werden
sollen, sondern die Relation zwischen zwei Geldgrößen! Nur wenn
Klimaschutz billiger ist als die Schäden, findet er überhaupt statt.
Daraus folgt jawohl die Umkehrung: Wenn Klimaschutz teurer ist als
die Schäden, dann unterbleibt er, weil er sich nicht rechnet, eine
geschäftliche Schädigung darstellen würde. Die Schädigungen, die
anderen dabei wohlmöglich zugefügt werden, dem Menschenmaterial, das
in den betroffenen Regionen lebt, wiegt nicht, jedenfalls nichts in
der geschäftlichen Rechnung. Es gibt also aus der Sicht der
Klimaschützer so etwas wie lohnende Verdreckung der Umwelt.
Und um dafür ein Beispiel zu geben, daß dieser Schluß so etwas wie
eine handlungsleitende Maxime der Politik ist, lohnt sich einen
Blick auf diesen Emissionshandel zu werfen.
Die Idee, die mit diesen Emissionszertifikaten in
die Welt gesetzt wurde, war etwa folgende: Die Staaten, die sich
diesem Handelssystem angeschlossen haben, verteilen Zertifikate für
Abgasemissionen an Fabriken. In diesen Zertifikaten ist festgelegt,
wieviel Millionen Tonnen CO2 und andere Emissionen jedes
Unternehmen ausstoßen darf. Und diese Titel sollen handelbar sein,
Betrieb A kann so ein Ding an einen Betrieb B verkaufen, so daß die
Betriebe auf eine Geldrechnung gestoßen werden sollen: Wenn man in
die Verminderung von Abgasemissionen investiert, durch Filter oder
andere Maßnahmen, dann kann man die selbst nicht mehr benötigten
Titel bzw. Verschmutzungsrechte verkaufen und daran verdienen. Die
Philosophie dieses Handels sollte also sein: Alles das, was an Dreck
durch die Geldrechnung in die Welt kommt, soll durch genau dieselbe
Geldrechnung und unter Respekt vor ihr korrigiert werden. Das führt
zu der Merkwürdigkeit, die sich bei uns Emissionshandel nennt und
schon in ihrem Auftakt eine Absurdität darstellt, wenn man die
Vermeidung von Dreck bzw. CO2 als Maßstab nur einen
Augenblick ernstnähme. Im Jahr 2000 haben sich die Emissionsstaaten
darauf geeinigt, wie sie die Zertifikate verteilen wollen. Sie waren
sich sofort gewiß, nach welchem Schlüssel das geht. Diejenigen, die
den meisten Dreck machen, die größten Wirtschaftmächte, kriegen die
meisten Zertifikate! Eigentlich hätte man doch auch denken können,
nur mal so als Vorschlag, daß die, die den meisten Dreck machen den
dicksten Deckel brauchen und nicht das größte Recht dazu ihn zu
verursachen. Dann, zweitens, war ihnen das nicht genug, die Rechte,
die jetzt jedem Standort zugewiesen wurden, nicht einfach nach der
Kapazität des Ausstoßes des Jahr 2000 zu messen, sondern man einigte
sich auf das Jahr 1990 als Basisjahr,[4]
da war nämlich der Ausstoß so immens, daß man daran Maß genommen
hat, damit gewissermaßen ein Puffer nach oben ist. Der Zweck ist
klar: Man will nicht nur nicht das Geschäft durch die Zertifikate
beschränken, in Produktion und Emission, sondern man möchte auch dem
zukünftigen Wachstum, das erwartet wird, keine Schranke setzen, an
der es sich reibt. Das hatte zur Folge, daß ein Emissionshandelmarkt
gar nicht in die Gänge gekommen ist, weil die Betriebe in
Zertifikaten ersoffen sind, die sie gar nicht ausfüllen konnten.
Jetzt zum ersten Mal liest man in den Zeitungen, daß in den
Konzernetagen gemault wird, weil zum ersten Mal für so ein
Zertifikat, das einem jahrelang hinterher geworfen ist, Geld gezahlt
werden soll. Wenn es also je an den Punkt kommt, der die ganze
Philosophie des Emissionshandels ausmacht, ein Betrieb A verkauft
einem anderen Betrieb B ein Zertifikat, das dieser wirklich braucht,
dann tritt erstmals die Absurdität der ganzen Konstruktion voll ins
Licht. Der Betrieb A, der ein solches Zertifikat verkauft, steht auf
dem Standpunkt: Mit einer Investition in die Verringerung des
Ausstoßes macht er Geld – es gibt schlichtweg keine betriebliche
Investition, die allein aus Gründen des Klimaschutzes
an-und-für-sich unternommen werden würde, immer auch muß eine solche
Investition eine lohnende sein (siehe z.B. auch
hier) – und
kann den Verkauf des Zertifikats in zusätzliches Geld verwandeln.
Das unterstellt aber einen Betrieb B, der auf dem genau umgekehrten
Standpunkt steht: Für ihn ist es günstiger, nicht in die Vermeidung
von Abgasproduktion zu investieren, sondern ein Zertifikat zu
kaufen; und nur dann kauft er es auch. Also ist in dieser
Geldrechnung beides eingeschlossen: Es kann sich die Vermeidung von
Abgas genauso lohnen wie die Vermehrung von Abgas. Es ist eine
offene Frage der jeweils betriebsspezifischen Rechnung, so daß
überhaupt nicht aufgeht, was die Konstruktion der
Emissionszertifikate einem suggeriert, nämlich daß die Geldrechnung,
aus der das Verdrecken der Umwelt erst hervorgeht, zugleich
zuverlässig unterbindet. Und es ist vom Standpunkt einer CO2-Bilanz
ein reines Nullsummenspiel. Das, was A an CO2 vermeidet
und weiterverkauft an B, wird bei B zusätzlich emittiert.
2.4. "Klimaschutz kann nur international
erfolgen" - Klimaschutz als Standortpolitik
Kaum, daß die Politik begonnen hat, Klimaschutz
für eine wichtige Sache zu erachten, mußte man lernen, daß der
Klimaschutz dann doch eine sehr relative Sache ist: er muß mit dem
Wirtschaftswachstum verträglich sein, ansonsten findet er nicht
statt. Kaum daß diese erste Relativierung ausgesprochen ist folgt
die zweite auf dem Fuße: Entweder der Klimaschutz ist international
oder er geht nicht. Und die Überzeugungskraft dieses Einfalls wird
den Menschen draußen im Lande für gewöhnlich mit einem gut
nachbarschaftlichen Vergleich nahegebracht. Was nutzt es denn, wenn
wir uns hier saubere Windräder an die Küste stellen, wenn 1,2 Mrd.
Chinesen Moped fahren und Kohle verfeuern?! Dieses Argument
beinhaltet eine Wahrheit und eine Lüge. Was die Seite der Wahrheit
angeht, hat dieses Argument ein Faktum registriert, das nicht
bestreitbar ist: Die nationalen Abgasquellen auf den verschiedenen
Kapitalstandorten tun ihr Werk, und zwar grenzüberschreitend
international. Aber die Lüge besteht erstens darin, so zu tun, als
wäre die Tatsache, daß die nationalen Abgasquellen über die
jeweiligen Grenzen hinaus wirken, ein leider eingetretener, ein
nicht-gewollter Effekt. Das war ganz umgekehrt, beispielsweise bei
der oben erwähnten Politik der hohen Schornsteine, die bezweckte
Wirkung, für die man sogar technische Maßnahmen ergriff! Zweitens
wird in bezug auf Deutschland und China eine Rollenverteilung
behauptet, die nicht existiert: hier die Vermeider des Abgases, die
Schützer des Klimas, dort drüben, in China, die Dreckspatzen, die
das Klima ruinieren. Aber selbst wenn man einmal unterstellen würde,
daß in Deutschland der gute Wille und in China, Amerika und bei den
Japanern der böse Wille beheimatet ist, dann müßte eine Frau Merkel
doch immerhin noch zugeben, daß auch eine einseitige Reduktion eine
Reduktion ist. Und Frau Merkel und Kabinettskollegen wollen doch
sonst immer in jeder Hinsicht Vorreiter sein. Warum reiten sie nicht
vor? Das kann unmöglich daher kommen, daß sie der Auffassung sind,
hier wäre dem Klimaschutz nicht geholfen. Gefährdet sehen sie etwas
ganz anderes, nämlich die Konkurrenzposition ihres
Wirtschaftsstandortes im Verhältnis zum Weltgeschäft. Denn soviel
ist ja wahr: Der Klimaschutz mal in seiner schlichten Form genommen,
der auf jedes Kraftwerk und jeden Schlot ein Filter setzt, der das
CO2 verringert bzw. abscheidet, das ist ein
Kostenbestandteil der Konzernbilanz. Und wenn andere Standorte diese
Kostengröße ihrem Betrieb ersparen, dann entsteht in der Tat im
weltweiten Vergleich der Warenpreise ein Nachteil für denjenigen,
der diesen Schutz betreibt. Weil das so ist, sind die EU-Staaten und
da allen voran die Deutschen auf eine Strategie verfallen, die den
Nachteil zum Vorteil wandeln soll. Das Bemühen geht dahin, möglichst
alle anderen Nationen auf die Klimaschutzziele – Reduktion des CO2-Ausstoßes,
Verminderung der Erwärmung – bzw. die zugehörigen Maßnahmen
festzulegen, so daß die Kosten in allen Nationen anfallen und damit
eine ‚Verzerrung des Wettbewerbs’, wie sie sich auszudrücken
pflegen, nicht stattfindet, aber Deutschland bzw. seine führenden
Exporteure in Sachen Klimaschutztechnik aus den Kosten, auf die
andere sich im Namen des Klimas haben verpflichten lassen, eine
Geschäftsquelle machen können. In diesem Geist haben die Europäer
ihre Beschlüsse auf ihrem EU-Gipfel gefaßt, sie sind
übereingekommen, die Erwärmung der Erde soll auf 2 Grad Celsius
begrenzt werden (statt der prognostizierten 4 Grad), das CO2
soll um 20 % im Verlauf der nächsten Jahrzehnte reduziert werden,
und die Mittel dazu sollen im wesentlichen aus 3 Sparten kommen: 1.
Die erneuerbaren Energien werden weiter entwickelt (Solarzellen,
Windräder, Biotreibstoff etc.), 2. es soll Energie gespart werden
(Dämmung der Gebäude verbessern etc.) und 3. soll die CO2-Abscheidung
und –lagerung unter der Erde vorangetrieben werden.
Kaum haben sie sich auf diese Ziele geeinigt, geht
ein Streit bei den Nationen los, und das ist folgerichtig. Warum?
Die Merkel beispielsweise hat dafür gefochten, daß die 20%-ige CO2-Reduktion
als EU-Ziel durchgesetzt wird – „Klima hat Vorfahrt“, hat sie
gesagt. Gleichzeitig hat sie auf diesem Gipfel zurückgewiesen, daß
es eine einheitliche, autotypenspezifische Begrenzung des
CO2-Ausstoßes geben soll, einen ‚Flottendurchschnitt’ wollte man
sich allenfalls noch angelegen sein. Der Grund ist klar und wird von
der Presse auch laut herausposaunt: Wenn man jetzt eine
autotypenspezifische Obergrenze des CO2-Ausstoßes erlassen würde,
dann wären die Kutschen aus dem Premiumsegment von BMW oder
Daimler-Benz im Vergleich zur Konkurrenz von Peugeot nicht mehr
verkäuflich.
Der nächste Streitpunkt betrifft die französischen
AKWs. Während Deutschland auf alternative, erneuerbare Energien
setzt und möglichst politische Maßnahmen ergriffen sehen will, die
helfen deutsche Spitzentechnologie, insbesondere bei der boomenden
Branche der Windenergie,[5]
in alle Welt zu verkaufen, stellt Frankreich sich auf diesem Gipfel
quer und sagt: Wir haben unsere AKWs viel lieber! Die Franzosen
erzeigen 80 % des Stroms aus AKW-Technik, verweigern also die Mittel
des Klimaschutzes und berufen sich darauf, daß sie für die
CO2-Vermeidung schon viel mehr getan haben als alle anderen Nationen
und zwar mit Gerätschaften, die aus einer Epoche stammen, wo kein
Mensch je an CO2-Ausstoß gedacht hat. Aber unter dem heuchlerischen
Bezug auf den jetzigen Titel werden die Kernkraftwerke selig
gesprochen…
Zwischenfazit: Hier
macht sich ein Übergang bemerkbar: Das Klima, das im Ausgangspunkt
der Gegenstand der Sorge in der Politik war, hat sich fortentwickelt
zu einem Mittel der Standortkonkurrenz, die jedes Klima versaut. Die
Klimaziele bzw. Klimaschutzmaßnahmen sind der Stoff und der Hebel
dazu, in einer internationalen Konkurrenz um nationale Erträge als
Sieger hervorzugehen. Jede Nation, die die Klimaziele unterschreibt
und die zugehörigen Maßnahmen umsetzen will, ist darauf bedacht,
möglichst andere auf Kosten zu verpflichten, die man für sich selbst
versucht möglichst gering zu halten. Gleichzeitig sollen die Kosten,
die man anderen aufbürdet, zu einer Geldquelle werden, indem man die
eigene Technologie möglichst massenhaft exportiert, die anderen
möglichst als Abnehmer der eigenen Technologie verpflichten möchte.
Das Spielchen sieht eben von jeder Nation aus betrachtet umgekehrt
aus. Jeder will den anderen die Kosten aufbürden, die der
Klimaschutz kostet und sich selbst den Gewinn zusichern, der sich in
Sachen Klimaschutz machen läßt. Das führt notwendig zu einem Streit
zwischen den Staaten, die sich andererseits doch so einig sind über
die Notwendigkeit des Klimaschutzes…
2.5. Zur Verlausform des Streits
Wie sie streiten, ist vielleicht noch eine
Bemerkung wert: Sie treten nämlich nicht ehrlich gegeneinander an
und sagen: Deine Klimaschutzziele will ich nicht, ich mag lieber
andere. Sie sagen auch nicht: Eure Windräder kaufe ich nicht, kauft
lieber unsere Solarzellen, das Geld kommt dann nämlich in unsere
Kassen, nicht in Eure. Sie streiten nicht mit offenem Visier, indem
sie ihre Interessen gegeneinander aufrechnen, sondern sie
streiten mit Bezugnahme auf den allerhöchsten Titel, nämlich:
Wie ist die Menschheit vom Klimawandel betroffen und wer
handelt am verantwortungsbewußtesten für diese Menschheit. Warum ist
das so? Was leistet dieser Titel für den Streit von Staaten, die in
der Substanz um die Verteilung von Gelderträgen ringen, die sich aus
Klimaschutzmaßnahmen speisen sollen?
Zunächst zur Fiktion dieses ganzen Titels
‚Menschheit’. Das ist ja schon im Inneren eines Landes ein fiktives
Ding. Die Menschen, die da leben, laufen als Käufer und Verkäufer,
als Mieter und Vermieter, als Arbeitnehmer und Unternehmer herum,
haben herzlichste Gegensätze aller Art untereinander und kennen sich
nicht einmal. Sie sind also nicht eine uniforme Menschheit, die als
ein einheitliches Subjekt handelt. Erst recht ist so etwas
grenzüberschreitend nicht existent, die Menschheit. Da sind die
Menschen doch erkennbarerweise in nationale Kollektive sortiert, da
die Deutschen, hier die Amerikaner, da die Franzosen, dort die
Nicaraguaner usf. Die Menschheit ist gar kein wirklich vorhandenes
Subjekt, und die Völker, die in diese nationalen Kollektive
aufgeteilt sind, die haben nicht nur nicht gemeinsame Ziele, sie
kennen sich auch nicht, wenn man mal von dem bißchen Tourismus
absieht. Das spricht alles nicht für ein herzliches Einvernehmen und
gemeinsame Zielsetzungen, die man als gemeinschaftliches Subjekt
umsetzt. Die Menschheit ist eine Fiktion, aber eine Fiktion, die für
die Staaten, die sich ihrer bedienen und sie im Munde führen, eine
Leistung erbringt. Welche Leistung? Die Leistung liegt darin, daß
das Interesse zu etwas Allgemeinem gemacht wird, was auf Anerkennung
durch Andere pocht. Denn was ein Recht ist, das ist nicht mehr nur
ein partikulares Interesse, sondern etwas über dem staatlichen
Interesse stehendes, das also insofern allgemein ist und von Anderen
Anerkennung verdient. Die Verwandlung des Interesses in das Recht,
das man anderen vorträgt und dessen Einhaltung man proklamiert, ist
also ein Instrument, andere auf eigene Interessen zu verpflichten,
aber nicht im Namen des Interesses sondern im Namen dieses höheren
Allgemeinen, das auch die anderen akzeptieren und respektieren
(sollten). Für dieses höhere Allgemeine steht in der
Klimaschutzdebatte – das Kyoto-Protokoll ist nämlich nicht von allen
unterzeichnet – dieser fiktive Titel der Menschheit. ‚Der seid doch
auch ihr auch verpflichtet!’ Und keiner sagt: ‚Bleibt mir weg mit
Eurer Menschheit, nein, der Menschheit ist jeder Staat verpflichtet,
so sagen sie. Und der Streit, der sich in Wirklichkeit um die
Interessen dreht, um die Kosten, die entstehen oder vermieden
werden, um die Gewinne, die man an Land ziehen will, wenn man andere
auf Maßnahmen verpflichtet, der wird nicht mit Interessen bzw. im
Namen der Interessen geführt, sondern mit Verweis darauf, wer wie
sehr das Menschheitsanliegen eines intakten Klimas befördert oder
mit Füßen tritt. Die US-Amerikaner z.B., die diese ganze
Klimaschutzkonvention und die europäischen Regeln nicht wünschen,
die sagen nicht einfach: ‚Laßt uns in Ruhe mit Eurem Kram, wir
wollen Euer Regelwerk nicht’, sondern die sagen z.B. einfach im
internationalen Klimarat: ‚Die Prognosen stimmen nicht, in
Nordamerika sind überhaupt keine Dürren zu erwarten.’ Auch bei den
Vorbereitungen zum letzten G8-Gipfel gab es heftigen Streit um
verbindliche Ziele zum Klimaschutz, die US−Regierung protestierte in
ihrem Entwurf für das Gipfelkommunique in „ungewöhnlich scharfer
Form gegen die deutsche Position“ (ZEIT
online 22/2007). Die Europäer hatten versucht hineinzuschreiben,
daß der Klimawandel sichere Sache ist, zu Katastrophen führt und daß
die Staaten sich im Namen der Menschheit auf Maßnahmen verpflichten
sollen, „Klimaschutz ist internationale Pflicht, nicht Wahl“, stand
in dem Bericht, den sie abgehakt haben wollten. Die Amerikaner haben
einen Strich durchgezogen und gesagt: Wir nehmen den
Klimaschutzbericht zur Kenntnis…
2.6. Der Weltklimarat und der Charakter von
Prognosen
Dieser Art von Streit feilscht um die Durchsetzung
von Interessen, wie gesagt, in Namen des Höheren, der Menschheit,
und dieses Ringen, das hat seine institutionalisierte Form in diesem
Weltklimarat, der anläßlich dieses Berichts durch die Schlagzeilen
gegangen ist, dieser IPCC (Intergovernmental Panel on Climate
Change, s.a.
hier)
Das ist ein Gremium, das nicht etwa aus
Wissenschaftlern besteht, sondern aus Politikern, die die
wissenschaftlichen Berichte lediglich in Auftrag geben und denen die
Endredaktion vorbehalten ist. In den Statuten existiert der
interessante Paragraph, daß die Politiker in der Endredaktion das
Recht haben, wissenschaftliche Resultate zurückzuweisen und eine
„konsensfähige Alternative“ zu fordern! Würde man diese
Vorstellungen auf die Natur-wissenschaft und ihren harten Kern
anwenden, dann würde einem die Absurdität ins Auge springen. Aber
bei dem speziellen Wissensgebiet der Klimaforschung springt sie
nicht als solche ins Auge, denn die Klimaforschung bietet für diese
Ungeheuerlichkeit offenbar nach dem Dafürhalten der Politik wie der
Öffentlichkeit ein Einfallstor, und dieses Einfallstor heißt
Prognose. ‚Die machen doch ohnehin nur Prognosen, bei der
Wettervorhersage wie in der Klimaforschung’, heißt es, und wenn
schon beides ungenau ist, dann doch am liebsten nach dem Geschmack
des Hauses. Das ist der Anknüpfungspunkt, der jedoch, betrachtet man
es wissenschaftlich, gar nicht wirklich an den Charakter einer
Prognose anknüpft. Eine Prognose muß nichts Falsches oder
Unwissenschaftliches sein, obwohl man es natürlich auch
unwissenschaftlich tun kann, beim Horoskop zum Beispiel. Denn wenn
die Klimaforschung zu Werke geht, dann nimmt sie ihren Ausgangspunkt
bei erkannten naturwissen-schaftlichen Gesetzen. Die Klimaforschung
weiß etwas über die Thermo-dynamik, über den Zusammenhang von der
Erwärmung von Luftmassen, der Temperatur und dem Druck, sie weiß
etwas über Luftströmungen, die erzeugt werden durch Druckgebilde,
von Hoch- und Tiefdruckgebieten, sie wissen etwas über die
Ablenkungen dieser Ströme durch die Coriolis-Kraft, die durch die
Erddrehung hervorgerufen wird usw. Nun gibt es aber zwei
Einschränkungen: a) Nicht alle Gesetze, die beim Klima am Werk zu
sein scheinen, sind bekannt und b) die bekannten Gesetze der
Thermodynamik usf. wirken unter einer Vielzahl von Bedingungen, die
nicht in Gänze erfaßbar und meßbar sind. Die Ozeane stecken voll von
Sonden, auf verschiedenen Niveaus der Tiefe, die Temperatur und
Strömungen messen, die Lufttemperaturen werden an einer Vielzahl von
Orten auf der Erde weltweit gemessen, an Flughäfen, Schwimmbädern,
Jugendherbergen und sonstwo, um Hochrechnungen über das
Strömungsverhalten der Luft und die zu erwartenden Temperaturen zu
machen usf. Daß also Prognosen das Ergebnis des Wetterberichts wie
der Klimaforschung sind, das rührt daher, daß aus
naturwissenschaftlichen Gesetzen Schlüsse auf künftige Wirkungen
gezogen werden, die deswegen mit einem Maß an Unbestimmtheit
versehen sind, weil entweder a) nicht alle Gesetze vollständig
erfaßt/erkannt worden sind, oder b) weil die Vielzahl der
Bedingungen, die man kennen müßte, um diesen Schluß zu vollziehen,
nicht verfügbar ist. Aus diesem Grund ist der Wetterbericht mitunter
mit einer Wahrscheinlichkeitsgröße versehen, Kachelmann sagt dann,
‚die Regenwahrscheinlichkeit für morgen beträgt 60 %’. Wären
übrigens alle Gesetze und alle Bedingungen bekannt, dann bräuchte
man auch keine Prognosen mehr. Wenn man einmal weiß, wie das mit dem
freien Fall der Steine und der Erdanziehung ist, dann
prognostiziert man nicht mehr wie schnell ein Stein im Vakuum
fällt, das rechnet man es aus. Also, das Maß an
Unbestimmtheit, an das sich die politischen Fritzen da anhängen, das
folgt bei diesem speziellen Wissensgebiet aus dem Gegenstand und dem
Stand des Wissens um ihn und nicht aus einem irgendwie gearteten
Interesse, das sich der Sache gegenüber zu Geltung bringe, so daß
man sagen könnte, ja, wenn die Sache schon unbestimmt ist, nämlich
des Wissenstandes wegen, ja, dann kann ich sie ja auch gleich
unbestimmt machen im Sinne meines Interesses. Das wäre etwa so, als
wenn die Regenschirmindustrie plötzlich für die Wettervorhersage
zuständig wäre und sagt: Die Regenwahrscheinlichkeit für die
nächsten Tage liegt nicht bei 60 %, sondern sagen wir mal lieber 95
%, das hebt den Umsatz. Ein solches Vorgehen ist durch den
wissenschaftlichen Charakter einer Prognose ganz sicher nicht
gedeckt…
3.
Neue Energiepolitik im Zeichen der antiterroristischen
Weltkriegslage
Zum letzten Punkt, nämlich der neuen
Energiepolitik, die in fast allen Staaten zu einem Top-Thema der
Agenda gemacht wird. Eine neue Energiepolitik, die Erneuerung ihrer
nationalen Energiebasis, wollen mehr oder weniger alle Staaten. Das
ist schonmal ein erster Hinweis darauf, wie unsachlich die in der
deutschen Öffentlichkeit bezeichnete Scheidelinie ist, die den
Lesern sagen will: Die EU geht mit gutem Beispiel voran und schützt
das Klima, tut etwas für erneuerbare Energien, die USA und China und
andere dagegen, die vergehen sich am Klima, indem sie nichts
unternehmen. Das ist einfach sachlich Unsinn. Jeder kann den
Zeitungen entnehmen, daß z.B. in den USA große Programme aufgelegt
werden, um die Gewinnung von Bioethanol zu beschleunigen, es gibt
Gesetze, daß dieser zukünftig dem bisher gewöhnlichen
Auto-Treibstoff in großer Menge beigemischt werden muß. Ferner
existieren umfangreiche Förderprogramme für die weitere
Solarzellenentwicklung usw.
Alle Staaten setzen auf erneuerbare Energien. Ist
es nicht verwunderlich, daß Staaten, die so viele Gründe gegen den
Klimaschutz kennen, neben aller Sorge um seine Folgen,
(Wirtschaftswachstum darf nicht leiden, internationale
Konkurrenzposition darf nicht geschwächt werden), andererseits so
entschlossen für Klimaschutz und Erneuerung der Energiebasis
eintreten? Um es zuzuspitzen: Es ist ja frappierend, daß sich die
Politik gegen alle Unsicherheit, die in den
Wahrscheinlichkeitsberechnungen der Klimaforschung noch präsent ist,
sehr einseitig auf die Gewißheit des Eintritts des
Klimawandels stellt und sich mit einer Erneuerung der Energiebasis
dagegen wappnen will. Das hat seinen Grund darin, daß es für diese
Sicherheit – eine neue Energiebasis muß her – tieferliegende Gründe
gibt als die bloß ökologischen des Klimaschutzes. Fast alle Staaten
leiden nämlich – mehr oder weniger – unter der jetzt bei ihnen
verfügbaren Art der Energieversorgung ihrer Nation. Da die Energie
ein Lebenselixier jeden kapitalistischen Standorts ist und die
Kosten für die Energie Bestandteil jeder kapitalistischen
Konzernbilanz ist, steht der Staat auf dem Standpunkt, daß er sich
um die Versorgung mit Energie kümmern muß, indem sie flächendeckend
verfügbar ist – für alle Betriebe, aber auch für die arbeitnehmenden
Bevölkerungsteil. Die Energie muß a) möglichst sicher, d.h. immer
verfügbar und b) möglichst billig sein. Daß sich alle Nationen auf
Öl und Gas konzentriert haben als maßgeblicher Energieträger, das
hat den eingangs erwähnten schlichten Grund, daß dieser fossile
Brennstoff so konkurrenzlos billig war. Nur hat diese Energiequelle
einen Haken, der seit einigen Jahren immer deutlicher zutage tritt.
Nicht nur, daß diese Energiequelle endlich ist, auch die größten
Öllagerstätten werden irgendwann einmal aufgebraucht sein. Noch
lange bevor dieser Punkt erreicht sein wird, macht sich der Ölpreis
unangenehm bemerkbar, weil die Erschließung abgelegenerer,
tieferliegender Quellen immer teurer wird.
Aber nicht nur, daß die Ressourcen endlich sind:
Seit einigen Jahren ist diese Energiequelle permanent unsicherer
geworden, und zwar u.a. durch den Antiterrorkrieg, den die USA
weltumspannend gegen alle antiamerikanischen Umtriebe führt. Neulich
wurden die Ölquellen des Irak zerstört, morgen könnten es die des
Iran sein. Aber auch die Energietransportwege sind z.T. unsicher
geworden, so bspw. die der Ukraine als durchleitendes Land, so daß
führende Staaten aus dem Kreis der Weltwirtschaftsmächte Europas
darauf dringen, eine Energiepartnerschaft mit Rußland anzustreben.
Vor 10 – 15 Jahren hätte man eher Szenarien erwartet, nach denen man
gemeinsam in der NATO mit dem Hauptverbündeten USA für die
Sicherheit und den freien Zugang zu allen Ölquellen sorgt. Darauf
kommen die Europäer heutzutage nicht, ganz folgerichtig, weil ihr
Hauptverbündeter mit seinem Antiterrorkrieg eine wesentliche Quelle
der Unsicherheit ist. Und gegen die wollen sie sich rückversichern,
indem sie sich einen Partner aussuchen – Rußland kommt ins Visier –
der zwei Vorteile bietet: Er verfügt über große Lagerstätten und
über so hinreichend große Macht, daß dieser Staat nicht einfach so
wie Nicaragua, Nigeria oder andere Öllieferstaaten von der Weltmacht
USA hin- und hergeschubst werden kann. In diesem Vorteil liegt aber
auch ein Nachteil: Die Klagen in Deutschland über den neuen, treuen,
strategischen Partner Rußland sind in dem Moment losgegangen, als
Rußland zu erkennen gegeben hat, daß es an dem Geschäft mit dem Gas
mindestens so gut verdienen will wie Europa. Sie wollen sich bei
diesem Geschäft stärken und nicht einfach in die Stärkung Europas zu
ungunsten Rußlands einwilligen. Darüber kehrt Unzufriedenheit ein,
die bei den Amerikanern aus ähnlich gelagerten Gründen Einzug hält.
Die USA hält sich inzwischen für eine Geisel der Energieabhängigkeit
in Sachen Nahost-Staaten oder Venezuela. In den USA gibt es eine
Diskussion, die unter dem Titel ‚Amerika braucht eine neue
Unabhängigkeitserklärung’ läuft, womit diesmal eine
Unabhängigkeitserklärung an das Öl gemeint ist, denn der Ölpreis und
der Freiheitsvorrat steigen und fallen in entgegengesetzter
Richtung, was man am Beispiel des Iran studieren kann: nicht zuletzt
der hohe Ölpreis erlaubt es den Machthabern sich den USA und seinem
Freiheitsangebot zu widersetzen. Energie zu konsumieren, ist also
ein geostrategischer Imperativ, den selbst das Pentagon begriffen
hat. Ein Mehr an Sicherheit für Amerika gibt es nur mit einem
Weniger an Abhängigkeit vom Öl.
So etwas Ähnliches kann man übrigens vereinzelt
auch in Deutschland hören, das Motto des Braunkohletags Leipzig z.B.
lautete: „Auf dem Gas sitzen die Kosaken, auf dem Öl die Scheichs,
nur wir sitzen auf der Braunkohle“. Es ist der Gedanke der Autarkie,
der da zur Sprache kommt. Man will nicht nur nicht abhängig sein vom
Ausland, man will umgekehrt in der Lage sein, dem Ausland die
Bedingungen zu diktieren. Aus diesem Grund soll also die
Energiebasis der Nation umgekrempelt werden, um so etwas wie eine
energiepolitische Unverwundbarkeit der Nation zu etablieren und im
weltweiten Konkurrenzkampf der Standorte freie Hand zu haben.
Das ist es, was „Umsteuern“ genannt wird. Und wie
wenig dieses Umsteuern mit Vernunft zu tun hat, das kann man leicht
ermitteln, wenn man die eingeleiteten Maßnahmen untersucht. Das
französische Beispiel mit den AKWs wurde schon genannt. Frankreich
feiert seine AKWs, die schon seit 30 Jahren in der Landschaft
stehen, als grandiosen Beitrag zum energie-politischen Umsteuern,
ein Stück Technologie, das eben ein Stück weit unabhängig macht von
Öl- und Gaslieferungen aus dem Ausland. Australien setzt hingegen
wegen seiner riesigen Kohlereserven voll auf Kohlekraftwerke! Und
auch da, wo es vorgeblich ökologischer zugeht, da geht es überhaupt
nicht vernünftiger zu. Für die Gewinnung von Biodiesel (Ethanol) aus
Mais oder Weizen werden, vor allem in der 3. Welt, mittlerweile
riesige Waldflächen gerodet und gewaltige Massen Kunstdünger in den
Boden eingebracht, damit die Hektarerträge und damit die Geschäfte
stimmen. Nebenbei erfährt man, daß diese Art des ‚Umsteuern’, zu
ersten Hungeraufständen in Mexiko geführt hat, weil die Tortilla
sich im Preis verdreifacht hat. Viele Mexikaner können ihre
Grundnahrungsmittel also nicht mehr bezahlen, weil der Mais
mittlerweise für die Gewinnung von Bioethanol verwendet wird.
Anläßlich eines Besuchs von Bush in Brasilien haben die beiden
Staaten jüngst einen Vertrag abgeschlossen, daß Brasilien seinen
maßgeblichen Maisanteil an Amerika verkauft, eben als Baustein für
die Erneuerung der amerikanischen Energiebasis.
Wenn man diese energiepolitischen Maßnahmen unter
dem Gesichtspunkt der CO2-Bilanz nachrechnet, muß man zu dem
Ergebnis kommen: Das ist ja geradezu verheerend, da wird zunächst
ein riesiger Wald gerodet, damit entfällt wegen der entfallenden
Photosynthese auch die entsprechende Menge Bindung von CO2 und dann
wird der Mais auch noch mit stinkenden, dieselverbrennenden
Containerriesen über die Ozeane geschippert. Diese CO2-Bilanz ist
garantiert negativ. Dann muß man aber auch einmal zu dem Schluß
kommen: Ja, dann ist diese Maßnahme wohl auch offensichtlich auch
nicht dafür gedacht, die CO2-Bilanz ins Positive zu bringen. Sie
erklärt sich ausschließlich aus dem Ziel, eine energiepolitische
Unverwundbarkeit zu erlangen, für die die Maßnahme nämlich sehr wohl
ein nützlicher Beitrag ist! Wenn z.B. die Amis demnächst dem Chavez
eins aufs Dach geben wollen, muß zunächst eine größere
Unabhängigkeit vom Öl erreicht sein – immerhin importieren sie
momentan noch ca. 20 % ihres Öls aus Venezuela…
3.1. Der Verbraucher -
nützlicher Idiot im Auftrag imperialistischer Energiepolitik
Diese imperialistischen Ziele –
eine weltkrisenfeste Energiebasis in der eigenen Nation zu
etablieren – wird dem großen Publikum allerdings unter einem ganz
anderen Verkaufslogo angeboten, und das heißt: Wir betreiben
Klimaschutz! Die Täter steht dabei fest, das sind nämlich wir alle.
Und damit wir uns bessern, stehen uns der Staat und die freie Presse
z.B. mit Berechnungen aller Art hilfreich zur Seite. Das treibt
lustige Blüten. Auf dem Automobilsektor führt man gewissermaßen so
etwas wie Effizienzklassen bei Kühlschränken ein, man erfährt, daß
der kleine VW Polo tatsächlich weniger CO2 produziert als
der große BMW, so daß man denken könnte: Fährt man doch lieber Polo.
Aber natürlich soll das Premiumsegement von BMW nicht geschädigt
werden, also kann man wiederum nachlesen, wieviel ein 6-Zylinder BMW
der 7er-Reihe im Unterschied zu einer Chrysler-Luxuskarosse
verbraucht – und so gesehen ist der 7er dann natürlich unter
Klimaschutzgesichtspunkten wieder optimal. Man weiß inzwischen auch,
daß ein Mallorca-Flug pro Nase 10 Tonnen CO2 produziert,
eine Zugfahrt von Bremen nach Rostock aber nur ganze 35 kg pro Nase
– wo fahren wir also hin? Nein, nicht nach Rostock, denn dann würde
die Flug- und Tourismusindustrie schaden nehmen! Es soll natürlich
weiterhin nach Mallorca geflogen werden, und das kann man sogar
guten Gewissens tun, wenn man was tut, nämlich einen Baum pflanzen –
so stellt man die CO2-Bilanz wieder her! Man kann sich
das schwerlich vorstellen, daß ein so kleiner Buchsbaum den
CO2-Ausstoß eines Mallorca-Fluges wieder wettmachen kann, aber das
muß man auch gar nicht, weil einen die Verkehrung der Logik so
anspringt: der Umweltschutzakt ist hier gedacht als Lizenz zur
Verdreckung! Wer also nach Mallorca fliegen will, pflanzt einen
Baum, und weil das Kurzzeitgedächtnis der Konsumenten ja bekanntlich
kurz ist, eilen die Standorthüter und Konzernlenker diesem
Gedächtnis zur Hilfe: Man verteuert die Flugtickets durch eine CO2-Abgabe,
so daß man den Baum gar nicht mehr pflanzen muß… Unter dem Strich
kommt folgende Bilanz heraus: 1. fliegen die großen Fluglinien
weiterhin nach Mallorca und produzieren pro Nase 10 Tonnen CO2,
2. dasselbe Ergebnis ist jetzt für den Konsumenten teurer geworden.
3. Den Menschen wird für ihr schlechtes Gewissen, das ihnen die
schreibende Zunft macht, ein Ablaßhandel angeboten, und zwar für
Folgen, die nicht der kleine Mensch, sondern Staat und Kapital
verursachen. Und damit kommt zur Gemeinheit die Dummheit hinzu. Aber
etwas anderes sollte man von einem Standort, der die Ökologie mit
der Ökonomie versöhnen will, ja auch nicht erwarten – Schluß.
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