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Kritik der Kritischen Theorie von Horkheimer und Adorno - Zitate1. Darf man nach Auschwitz noch philosophieren? Und wenn ja, wie?„Nach der Judenvernichtung, Ereignissen, welche die Konstruktion eines Sinns der Immanenz, der von affirmativ gesetzter Transzendenz ausstrahlt, zum Hohn verurteilten, ist die Fähigkeit zur Metaphysik gelähmt.“ T.W. Adorno, Negative Dialektik (im folgenden „ND“) FfM 170, S. 352 „Die wahre gesellschaftliche Funktion der Philosophie liegt in der Kritik des Bestehenden. Max Horkheimer, Kritische Theorie der Gesellschaft, Bd. II, S. 304 2. „Dialektik der Aufklärung“ – Kritik an Wissen und Naturbeherrschung„Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die furcht zu nehmen und die als Herren einzusetzen, Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils. Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt. Von nun an soll die Materie endlich ohne Illusion waltender oder innewohnender Kräfte, verborgener Eigenschaften beherrscht werden. Was dem Maß von Berechenbarkeit und Nützlichkeit sich nicht fügen will, gilt der Aufklärung als verdächtig. Darf sie sich einmal ungestört von auswendiger Unterdrückung entfalten, so ist kein Halten mehr. Ihren eigenen Ideen vom Menschenrecht ergeht es dabei nicht anders als den älteren Universalien. An jedem geistigen Widerstand, den sie findet, vermehrt sich bloß ihre Stärke. ... Auf welche Mythen sich der Widerstand immer berufen mag, schon dadurch, dass sie in solchem Gegensatz zu Argumenten werden, bekennen sie sich zum Prinzip der zersetzenden Rationalität. Aufklärung ist totalitär. Der Mythos geht in die Aufklärung über und die Natur in bloße Objektivität. Die Menschen bezahlen die Vermehrung ihrer Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie Macht ausüben. Die Aufklärung verhält sich zu den Dingen wie der Diktator zu den Menschen. Er kennt sie, insofern er sie manipulieren kann. Der Mann der Wissenschaft kennt die Dinge, insofern er sie machen kann. Dadurch wird ich An sich Für ihn. In der Verwandlung enthüllt sich das Wesen der Dinge als je dasselbe, als Substrat von Herrschaft. Diese Identität konstituiert die Einheit der Natur. Die Weltherrschaft über die Natur wendet sich gegen das denkende Subjekt selbst, nichts wird von ihm übrig gelassen, als eben jenes ewig gleiche Ich denke, das alle meine Vorstellungen muss begleiten können. Subjekt und Objekt werden beide nichtig. Die Gleichung von Geist und Welt geht am Ende auf, aber nur so, dass ihre beiden Seiten gegeneinander gekürzt werden. In der Reduktion des Denkens auf mathematische Apparatur ist die Sanktion der Welt als ihres eigenen Maßes beschlossen. Was als Triumph subjektiver Rationalität erscheint, die Unterwerfung alles Seienden unter den logischen Formalismus, wird mit der gehorsamen Unterordnung der Vernunft unters unmittelbar Vorfindliche erkauft. Das Tatsächliche behält recht, die Erkenntnis beschränkt sich auf seine Wiederholung, der Gedanke macht sich zur bloßen Tautologie. Je mehr die Denkmaschine das Seiende sich unterwirft, um so blinder bescheidet sie sich bei dessen Reproduktion. Damit schlägt Aufklärung in die Mythologie zurück, der sie nie zu entrinnen wusste. ... In der Prägnanz des mythischen Bildes wie in der Klarheit der wissenschaftlichen Formel wird die Ewigkeit des Tatsächlichen bestätigt und das bloße Dasein als der Sinn ausgesprochen, den es versperrt.“ Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung, FfM 1969, S. 9-49) 3. Die Gleichungen der Kritischen Theorie: a) Naturbeherrschung = Gewalt und Selbstentfremdung„Je mehr wir Apparate zur Naturbeherrschung erfinden, desto mehr müssen wir ihnen dienen, wenn wir überleben wollen.“ Horkheimer, Kritik der instrumentellen Vernunft., S. 2o2 „Die Natur wird heute mehr denn je als ein bloßes Werkzeug des Menschen aufgefaßt. Sie ist das Objekt totaler Ausbeutung, die kein von der Vernunft gesetztes Ziel und daher keine Schranke hat. Der grenzenlose Imperialismus des Menschen ist niemals befriedigt.“ ebd. 212 „Die Kategorie des Individuums ... hat der großen Industrie nicht standgehalten. ... Der Selbsterhaltung entschwindet das Subjekt. Für wen soll eine Handlung nützlich sein, wenn das biologische Einzelwesen nicht mehr als identisches Ich seiner selbst bewußt wird?“ Horkheimer, Vernunft und Selbsterhaltung, in: Kritische Theorie der Gesellschaft Bd. 3, Raubdruck 1968, S.94 b) Denken = Verschlingen des Objekts„Während das Denken dem, woran es seine Synthesen übt, Gewalt antut ...“ ND S. 28. „Der Schein der Identität wohnt jedoch dem Denken selber seiner puren Form nach inne.“ ND S. 15. Das systematische Denken „befriedigt die Bürokratengier, alles in Kategorien zu stopfen.“ ND S. 33 „Hybris ist, dass Identität sei, dass die Sache an sich ihrem Begriff entspreche.“ ND, S. 150. „Das Einzelne ist mehr sowohl wie weniger als seine allgemeinen Bestimmungen. (Daher ) ist das Interesse des Einzelnen nicht nur, das sich zu erhalten, was der Allgemeinbegriff ihm raubt, sondern ebenso jenes Mehr des Begriffs gegenüber seiner Bedürftigkeit.“ „Denken ist dem eigenen Sinn nach Denken von etwas. Noch in der logischen Abstraktionsform des Etwas, als eines Gemeinten oder Geurteilten, die von sich aus keine Seiendes zu setzen behauptet, lebt untilgbar dem Denken, das es tilgen möchte, dessen Nichtidentisches, das, was nicht Denken ist, nach. Ratio wird irrational, wo sie das vergisst, ihre Erzeugnisse, die Abstraktionen, wider den Sinn von Denken hypostasiert.“ ND S. 42 c) Wissenschaft = Positivismus„Identität ist die Urform von Ideologie.“ ND S. 149. „Im Idealismus hatte das höchst formale Prinzip der Identität vermöge seiner eigenen Formalisierung, Affirmation zum Inhalt. Unschuldig bringt das die Terminologie zutage: die simplen prädikativen Sätze werden affirmative genannt. Die Copula sagt, Es ist so, nicht anders; die Tathandlung der Synthese, für welche sie einsteht, bekundet, dass es nicht anders sein soll: sonst würde sie nicht vollbracht.“ ND S. 149. „...Tatsachengläubigkeit des Fachmenschen, der jede Besinnung auf das, was nicht der Fall ist, als Belästigung und womöglich als Frevel am wissenschaftlichen Geist empfindet.“ Adorno, Stichworte 2, S. 40. d) Idealistisches Wünschen = gute Wissenschaft„Der Blick, der deutend am Phänomen mehr gewahrt, als es bloß ist, und einzig dadurch, was es ist, säkularisiert die Metaphysik.“ ND S. 36f. „Dazu muss sie sich aufs Wünschen verstehen.“ ND S. 397 „Nur am Widerspruch des Seienden zu dem, was es zu sein behauptet, lässt Wesen sich erkennen.“ ND S. 167. „Womit negative Dialektik ihre verhärteten Gegenstände durchdringt, ist die Möglichkeit, um die sie ihre Wirklichkeit betrogen hat und die doch aus einem jeden blickt.“ ND S. 60. „Dialektik als Verfahren heißt, um des einmal an der Sache erfahrenen Widerspruchs willen und gegen ihn in Widersprüchen zu denken. Widerspruch in der Realität, ist sie Widerspruch gegen diese.“ ND S. 146. „Der versöhnte Zustand annektierte nicht mit philosophischem Imperialismus das Fremde, sondern hätte sein Glück daran, dass es in der gewährten Nähe das Ferne und Verschiedene bleibt, jenseits des Heterogenen wie des Eigenen.“ ND S. 190. 4. Zeitdiagnosen:„Auschwitz bestätigt das Philosophem von der reinen Identität als dem Tod.“ „Der Völkermord ist die absolute Integration“ ND. S. 353 „Das Tauschprinzip, die Reduktion menschlicher Arbeit auf den abstrakten Allgemeinbegriff der durchschnittlichen Arbeitszeit, ist urverwand mit dem Identifikationsprinzip. Am Tausch hat es sein gesellschaftliches Modell, und er wäre nicht ohne es; durch ihn werden nichtidentische Einzelwesen und Leistungen kommensurabel, identisch. ... Kritik am Tauschprinzip als dem identifizierenden des Denkens will, dass das Ideal freien und gerechten Tauschs, bis heute bloß vorwand, verwirklicht werde.“ ND S. 147f. 5. Der Standpunkt der Frankfurter Philosophie: Ohne transzendentales Obdach ist alles sinnlos, mit ihm Selbstbetrug: Sinnsuche nur ohne Sinnfindung.„Das Ganze ist das Falsche.“ „Das Totum ist das Totem“ „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ „Wird Sinn behauptet, dann „usurpiert das Bedürfnis das, was ihm mangelt. Der Wahrheitsgehalt des absenten wird gleichgültig; sie behaupten es, weil es gut für die Menschen sei.“ ND S. 363f „Leben, das Sinn hätte, fragte nicht danach.“ „Die These, das Leben habe keinen Sinn, wäre als positive genauso töricht, wie ihr Gegenteil falsch ist.“ Ebd. S. 367f „Dass der Teufel nicht mehr zu fürchten und auf Gott nicht mehr zu hoffen sei, expandiert sich über die Metaphysik, in der die Erinnerung an Gott und Teufel nachlebt, kritisch reflektiert. Es verschwindet, was den Menschen in höchst unideologischem Verstande das Dringlichste sein müsste. ... Nicht sind die Fragen gelöst, nicht einmal ihre Unlösbarkeit bewiesen. Sie sind vergessen. In der Gleichgültigkeit des Bewusstseins gegen die metaphysischen Fragen, die keineswegs durch Befriedigung im Diesseits abgegolten sind, versteckt sich ein Horror, der, verdrängten ihn die Menschen nicht, ihnen den Atem verschlüge.“ ND S. 385f „In der vergesellschafteten Gesellschaft jedoch, dem ausweglos dichten Gespinst der Immanenz, empfinden die Menschen den Tod einzig noch als ein ihnen Äußerliches und Fremdes, ohne Illusion seiner Kommensurabilität mit ihrem Leben. Sie können sich nicht einverleiben, dass sie sterben müssen.“ ND S. 360. |